Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm drein. Da gehörte das ganze Dorf dem
Schneider.

62.
Blaubart.

In einem Walde lebte ein Mann, der hatte
drei Söhne und eine schöne Tochter- Einmal
kam ein goldener Wagen mit sechs Pferden und
einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor
dem Haus still, und ein König stieg aus und
bat den Mann, er möchte ihm seine Tochter
zur Gemahlin geben. Der Mann war froh,
daß seiner Tochter ein solches Glück widerfuhr,
und sagte gleich ja; es war auch an dem Freier
gar nichts auszusetzen, als daß er einen ganz
blauen Bart hatte, so daß man einen kleinen
Schrecken kriegte, so oft man ihn ansah. Das
Mädchen erschrack auch anfangs davor, und
scheute sich ihn zu heirathen, aber auf Zureden
ihres Vaters, willigte es endlich ein. Doch
weil es so eine Angst fühlte, ging es erst zu
seinen drei Brüdern, nahm sie allein und sag-
te: "liebe Brüder, wenn Ihr mich schreien
hört, wo ihr auch seyd, so laßt alles stehen und
liegen und kommt mir zu Hülfe." Das ver-
sprachen ihm die die Brüder und küßten es,"
leb wohl, liebe Schwester, wenn wir deine
Stimme hören, springen wir auf unsere Pfer-

ihm drein. Da gehoͤrte das ganze Dorf dem
Schneider.

62.
Blaubart.

In einem Walde lebte ein Mann, der hatte
drei Soͤhne und eine ſchoͤne Tochter- Einmal
kam ein goldener Wagen mit ſechs Pferden und
einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor
dem Haus ſtill, und ein Koͤnig ſtieg aus und
bat den Mann, er moͤchte ihm ſeine Tochter
zur Gemahlin geben. Der Mann war froh,
daß ſeiner Tochter ein ſolches Gluͤck widerfuhr,
und ſagte gleich ja; es war auch an dem Freier
gar nichts auszuſetzen, als daß er einen ganz
blauen Bart hatte, ſo daß man einen kleinen
Schrecken kriegte, ſo oft man ihn anſah. Das
Maͤdchen erſchrack auch anfangs davor, und
ſcheute ſich ihn zu heirathen, aber auf Zureden
ihres Vaters, willigte es endlich ein. Doch
weil es ſo eine Angſt fuͤhlte, ging es erſt zu
ſeinen drei Bruͤdern, nahm ſie allein und ſag-
te: „liebe Bruͤder, wenn Ihr mich ſchreien
hoͤrt, wo ihr auch ſeyd, ſo laßt alles ſtehen und
liegen und kommt mir zu Huͤlfe.“ Das ver-
ſprachen ihm die die Bruͤder und kuͤßten es,“
leb wohl, liebe Schweſter, wenn wir deine
Stimme hoͤren, ſpringen wir auf unſere Pfer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0319" n="285"/>
ihm drein. Da geho&#x0364;rte das ganze Dorf dem<lb/>
Schneider.</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head>62.<lb/><hi rendition="#g">Blaubart</hi>.</head><lb/>
        <p>In einem Walde lebte ein Mann, der hatte<lb/>
drei So&#x0364;hne und eine &#x017F;cho&#x0364;ne Tochter- Einmal<lb/>
kam ein goldener Wagen mit &#x017F;echs Pferden und<lb/>
einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor<lb/>
dem Haus &#x017F;till, und ein Ko&#x0364;nig &#x017F;tieg aus und<lb/>
bat den Mann, er mo&#x0364;chte ihm &#x017F;eine Tochter<lb/>
zur Gemahlin geben. Der Mann war froh,<lb/>
daß &#x017F;einer Tochter ein &#x017F;olches Glu&#x0364;ck widerfuhr,<lb/>
und &#x017F;agte gleich ja; es war auch an dem Freier<lb/>
gar nichts auszu&#x017F;etzen, als daß er einen ganz<lb/>
blauen Bart hatte, &#x017F;o daß man einen kleinen<lb/>
Schrecken kriegte, &#x017F;o oft man ihn an&#x017F;ah. Das<lb/>
Ma&#x0364;dchen er&#x017F;chrack auch anfangs davor, und<lb/>
&#x017F;cheute &#x017F;ich ihn zu heirathen, aber auf Zureden<lb/>
ihres Vaters, willigte es endlich ein. Doch<lb/>
weil es &#x017F;o eine Ang&#x017F;t fu&#x0364;hlte, ging es er&#x017F;t zu<lb/>
&#x017F;einen drei Bru&#x0364;dern, nahm &#x017F;ie allein und &#x017F;ag-<lb/>
te: &#x201E;liebe Bru&#x0364;der, wenn Ihr mich &#x017F;chreien<lb/>
ho&#x0364;rt, wo ihr auch &#x017F;eyd, &#x017F;o laßt alles &#x017F;tehen und<lb/>
liegen und kommt mir <choice><sic>zn</sic><corr>zu</corr></choice> Hu&#x0364;lfe.&#x201C; Das ver-<lb/>
&#x017F;prachen ihm die die Bru&#x0364;der und ku&#x0364;ßten es,&#x201C;<lb/>
leb wohl, liebe Schwe&#x017F;ter, wenn wir deine<lb/>
Stimme ho&#x0364;ren, &#x017F;pringen wir auf un&#x017F;ere Pfer-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[285/0319] ihm drein. Da gehoͤrte das ganze Dorf dem Schneider. 62. Blaubart. In einem Walde lebte ein Mann, der hatte drei Soͤhne und eine ſchoͤne Tochter- Einmal kam ein goldener Wagen mit ſechs Pferden und einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor dem Haus ſtill, und ein Koͤnig ſtieg aus und bat den Mann, er moͤchte ihm ſeine Tochter zur Gemahlin geben. Der Mann war froh, daß ſeiner Tochter ein ſolches Gluͤck widerfuhr, und ſagte gleich ja; es war auch an dem Freier gar nichts auszuſetzen, als daß er einen ganz blauen Bart hatte, ſo daß man einen kleinen Schrecken kriegte, ſo oft man ihn anſah. Das Maͤdchen erſchrack auch anfangs davor, und ſcheute ſich ihn zu heirathen, aber auf Zureden ihres Vaters, willigte es endlich ein. Doch weil es ſo eine Angſt fuͤhlte, ging es erſt zu ſeinen drei Bruͤdern, nahm ſie allein und ſag- te: „liebe Bruͤder, wenn Ihr mich ſchreien hoͤrt, wo ihr auch ſeyd, ſo laßt alles ſtehen und liegen und kommt mir zu Huͤlfe.“ Das ver- ſprachen ihm die die Bruͤder und kuͤßten es,“ leb wohl, liebe Schweſter, wenn wir deine Stimme hoͤren, ſpringen wir auf unſere Pfer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/319
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/319>, abgerufen am 18.12.2024.