Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

men kommt, seine einzige schöne Tochter heira-
then soll, aber ich hab' einmal meinen Kopf
drauf gesetzt, und thus nicht, und wenns die
ganze Welt haben wollt." -- "Hört einmal,
geht das nicht, daß sich ein anderer in den Ka-
sten setzt und die Königstochter kriegt?" --
"O ja, das geht auch." -- "So will ich mich
an eure Stelle hineinsetzen." Da stieg der
Schneider aus, der Schäfer ein; der Schnei-
der machte den Kasten noch zu, und der Schä-
fer ging bald unter. Der Schneider aber
nahm die ganze Heerde des Schäfers und trieb
sie heim.

Die Bauern aber wunderten sich, wie das
zugegangen, daß er wieder käme, und obendrein
die vielen Schaafe hätte. Der Schneider sagte:
"ich war untergesunken, tief, tief! da fand ich
auf dem Grund die ganze Heerde, und nahm
sie mit heraus. Die Bauern wollten sich da
auch Schafe holen, und gingen mit einander
hinaus ans Wasser; den Tag war der Himmel
ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da rie-
fen sie: "wir sehen schon die Lämmer unten
auf dem Grund!" Da sprach der Schulz:
"ich will erst hinunter, und mich umsehen, und
wenn es gut ist, will ich euch rufen. Wie er
nun hineinstürzte, rauschte es in dem Was-
ser: plump! da meinten sie er riefe ihnen
zu: kommt! und stürzten sich alle hinter

men kommt, ſeine einzige ſchoͤne Tochter heira-
then ſoll, aber ich hab' einmal meinen Kopf
drauf geſetzt, und thus nicht, und wenns die
ganze Welt haben wollt.“ — „Hoͤrt einmal,
geht das nicht, daß ſich ein anderer in den Ka-
ſten ſetzt und die Koͤnigstochter kriegt?“ —
„O ja, das geht auch.“ — „So will ich mich
an eure Stelle hineinſetzen.“ Da ſtieg der
Schneider aus, der Schaͤfer ein; der Schnei-
der machte den Kaſten noch zu, und der Schaͤ-
fer ging bald unter. Der Schneider aber
nahm die ganze Heerde des Schaͤfers und trieb
ſie heim.

Die Bauern aber wunderten ſich, wie das
zugegangen, daß er wieder kaͤme, und obendrein
die vielen Schaafe haͤtte. Der Schneider ſagte:
„ich war untergeſunken, tief, tief! da fand ich
auf dem Grund die ganze Heerde, und nahm
ſie mit heraus. Die Bauern wollten ſich da
auch Schafe holen, und gingen mit einander
hinaus ans Waſſer; den Tag war der Himmel
ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da rie-
fen ſie: „wir ſehen ſchon die Laͤmmer unten
auf dem Grund!“ Da ſprach der Schulz:
„ich will erſt hinunter, und mich umſehen, und
wenn es gut iſt, will ich euch rufen. Wie er
nun hineinſtuͤrzte, rauſchte es in dem Waſ-
ſer: plump! da meinten ſie er riefe ihnen
zu: kommt! und ſtuͤrzten ſich alle hinter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0318" n="284"/>
men kommt, &#x017F;eine einzige &#x017F;cho&#x0364;ne Tochter heira-<lb/>
then &#x017F;oll, aber ich hab' einmal meinen Kopf<lb/>
drauf ge&#x017F;etzt, und thus nicht, und wenns die<lb/>
ganze Welt haben wollt.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ho&#x0364;rt einmal,<lb/>
geht das nicht, daß &#x017F;ich ein anderer in den Ka-<lb/>
&#x017F;ten &#x017F;etzt und die Ko&#x0364;nigstochter kriegt?&#x201C; &#x2014;<lb/>
&#x201E;O ja, das geht auch.&#x201C; &#x2014; &#x201E;So will ich mich<lb/>
an eure Stelle hinein&#x017F;etzen.&#x201C; Da &#x017F;tieg der<lb/>
Schneider aus, der Scha&#x0364;fer ein; der Schnei-<lb/>
der machte den Ka&#x017F;ten noch zu, und der Scha&#x0364;-<lb/>
fer ging bald unter. Der Schneider aber<lb/>
nahm die ganze Heerde des Scha&#x0364;fers und trieb<lb/>
&#x017F;ie heim.</p><lb/>
        <p>Die Bauern aber wunderten &#x017F;ich, wie das<lb/>
zugegangen, daß er wieder ka&#x0364;me, und obendrein<lb/>
die vielen Schaafe ha&#x0364;tte. Der Schneider &#x017F;agte:<lb/>
&#x201E;ich war unterge&#x017F;unken, tief, tief! da fand ich<lb/>
auf dem Grund die ganze Heerde, und nahm<lb/>
&#x017F;ie mit heraus. Die Bauern wollten &#x017F;ich da<lb/>
auch Schafe holen, und gingen mit einander<lb/>
hinaus ans Wa&#x017F;&#x017F;er; den Tag war der Himmel<lb/>
ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da rie-<lb/>
fen &#x017F;ie: &#x201E;wir &#x017F;ehen &#x017F;chon die La&#x0364;mmer unten<lb/>
auf dem Grund!&#x201C; Da &#x017F;prach der Schulz:<lb/>
&#x201E;ich will er&#x017F;t hinunter, und mich um&#x017F;ehen, und<lb/>
wenn es gut i&#x017F;t, will ich euch rufen. Wie er<lb/>
nun hinein&#x017F;tu&#x0364;rzte, rau&#x017F;chte es in dem Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er: <hi rendition="#g">plump</hi>! da meinten &#x017F;ie er riefe ihnen<lb/>
zu: <hi rendition="#g">kommt</hi>! und &#x017F;tu&#x0364;rzten &#x017F;ich alle hinter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[284/0318] men kommt, ſeine einzige ſchoͤne Tochter heira- then ſoll, aber ich hab' einmal meinen Kopf drauf geſetzt, und thus nicht, und wenns die ganze Welt haben wollt.“ — „Hoͤrt einmal, geht das nicht, daß ſich ein anderer in den Ka- ſten ſetzt und die Koͤnigstochter kriegt?“ — „O ja, das geht auch.“ — „So will ich mich an eure Stelle hineinſetzen.“ Da ſtieg der Schneider aus, der Schaͤfer ein; der Schnei- der machte den Kaſten noch zu, und der Schaͤ- fer ging bald unter. Der Schneider aber nahm die ganze Heerde des Schaͤfers und trieb ſie heim. Die Bauern aber wunderten ſich, wie das zugegangen, daß er wieder kaͤme, und obendrein die vielen Schaafe haͤtte. Der Schneider ſagte: „ich war untergeſunken, tief, tief! da fand ich auf dem Grund die ganze Heerde, und nahm ſie mit heraus. Die Bauern wollten ſich da auch Schafe holen, und gingen mit einander hinaus ans Waſſer; den Tag war der Himmel ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da rie- fen ſie: „wir ſehen ſchon die Laͤmmer unten auf dem Grund!“ Da ſprach der Schulz: „ich will erſt hinunter, und mich umſehen, und wenn es gut iſt, will ich euch rufen. Wie er nun hineinſtuͤrzte, rauſchte es in dem Waſ- ſer: plump! da meinten ſie er riefe ihnen zu: kommt! und ſtuͤrzten ſich alle hinter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/318
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/318>, abgerufen am 24.11.2024.