Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite

III. consonantische ableitungen. SK.
sondern in dem wurzelbegriff an sich oder einer wen-
dung desselben (weib, kind, dieb, abgott, link) daher
man auch nicht männisch, göttisch, rechtisch von gott,
mann, recht (die nie böses bedeuten) ableiten kann. Das
goth. mannisks, ahd. chindisc sind eins wie das andere
frei von einer nebenidee und das veraltete ahd. weraltisc
bedeutet gerade unser nhd. weltlich (ahd. werolt-leih K.
53a ags. veorold-leic). Berührung des -sc mit ,-ht zeigt
das nhd. thöricht statt des mhd. toerisch und neben när-
risch gilt auch narricht, närricht (?).

e) die lat. sprache besitzt eine menge intransitiver
verba auf -esco: marc-esco, pall-esco, surd-esco, vir-
esco etc. aber wenige subst. auf -isca, -usca: lyc-isca,
labr-usca, gar keine adj., die gerade im deutschen bei
dieser ableitung vorwalten. Den begriff der abstammung
drückt bloßes -icus aus: german-icus, franc-icus, ala-
mann-icus. Ist es deutscher einfluß, daß die roman. dia-
lecte ziemlich viele -esco bilden? ital. donn-esco, grott-
esco, marin-esco, parent-esco, pedant-esco, pittor-esco,
poltron-esco, romanz-esco, ted-esco etc. franz. arab-esque
(ital. rabesco) gigant-esque, grot-esque, tud-esque etc.
Der Grieche verkleinert mit -iskos: neaniskos, ouranis-
kos, stephaniskos. paidiskos
. Näher dem deutschen ste-
hen die slav. adj. auf -sk, womit auch namentlich genti-
lia abgeleitet werden (Dobr. institt. p. 330. Vuk p. 44.)
aber nie fügt sich das slav. sk, wie das nhd. -isch zu
mannsnamen, vielmehr tritt dafür eine andere ableitung,
nämlich -ov, -ev ein (Dobr. p. 322.) z. b. pavlov (nhd.
paulisch, paulinisch) nicht pavlski. Die litth. -ißkas glei-
chen sehr den deutschen: letuwißkas (litthauisch) rymio-
nißkas (römisch) dangißkas (himmlisch) burißkas (bän-
risch) kunißkas (leiblich) dwasißkas (geistlich) smertißkas
(tödtlich) diewißkas (göttlich) dienißkas (tägsich) kiauliß-
kas (schweinisch) etc.


ableitungen mit HT.

für -ht ist der altn. zunge -tt gemäß; der vorherrschende vo-
cal scheint o (für u), schwankend in a (ahd bei N.) und i; die
goth. sprache weist noch kein beispiel dieser ableitung auf.

1) nomina substantiva: ahd. kenne ich bloß inn-ah-
ten (visceribus) N. 50, 12. und das daher geleitete adj.
inn-ahteig N. p. 267a, 78. Wie lautet der nom. sg.? --

III. conſonantiſche ableitungen. SK.
ſondern in dem wurzelbegriff an ſich oder einer wen-
dung deſſelben (weib, kind, dieb, abgott, link) daher
man auch nicht männiſch, göttiſch, rechtiſch von gott,
mann, recht (die nie böſes bedeuten) ableiten kann. Das
goth. manniſks, ahd. chindiſc ſind eins wie das andere
frei von einer nebenidee und das veraltete ahd. wëraltiſc
bedeutet gerade unſer nhd. weltlich (ahd. wërolt-lîh K.
53a agſ. veorold-lîc). Berührung des -ſc mit ‚-ht zeigt
das nhd. thöricht ſtatt des mhd. tœriſch und neben när-
riſch gilt auch narricht, närricht (?).

ε) die lat. ſprache beſitzt eine menge intranſitiver
verba auf -eſco: marc-eſco, pall-eſco, ſurd-eſco, vir-
eſco etc. aber wenige ſubſt. auf -iſca, -uſca: lyc-iſca,
labr-uſca, gar keine adj., die gerade im deutſchen bei
dieſer ableitung vorwalten. Den begriff der abſtammung
drückt bloßes -icus aus: german-icus, franc-icus, ala-
mann-icus. Iſt es deutſcher einfluß, daß die roman. dia-
lecte ziemlich viele -eſco bilden? ital. donn-eſco, grott-
eſco, marin-eſco, parent-eſco, pedant-eſco, pittor-eſco,
poltron-eſco, romanz-eſco, ted-eſco etc. franz. arab-eſque
(ital. rabeſco) gigant-eſque, grot-eſque, tud-eſque etc.
Der Grieche verkleinert mit -ισκος: νεανίσκος, οὐρανίσ-
κος, στεφανίσκος. παιδίσκος
. Näher dem deutſchen ſte-
hen die ſlav. adj. auf -ſk, womit auch namentlich genti-
lia abgeleitet werden (Dobr. inſtitt. p. 330. Vuk p. 44.)
aber nie fügt ſich das ſlav. ſk, wie das nhd. -iſch zu
mannsnamen, vielmehr tritt dafür eine andere ableitung,
nämlich -ov, -ev ein (Dobr. p. 322.) z. b. pavlov (nhd.
pauliſch, pauliniſch) nicht pavlſki. Die litth. -iſzkas glei-
chen ſehr den deutſchen: lêtuwiſzkas (litthauiſch) rymio-
niſzkas (römiſch) dangiſzkas (himmliſch) buriſzkas (bän-
riſch) kuniſzkas (leiblich) dwaſiſzkas (geiſtlich) ſmertiſzkas
(tödtlich) diewiſzkas (göttlich) dieniſzkas (tägſich) kiauliſz-
kas (ſchweiniſch) etc.


ableitungen mit HT.

für -ht iſt der altn. zunge -tt gemäß; der vorherrſchende vo-
cal ſcheint o (für u), ſchwankend in a (ahd bei N.) und i; die
goth. ſprache weiſt noch kein beiſpiel dieſer ableitung auf.

1) nomina ſubſtantiva: ahd. kenne ich bloß inn-ah-
ten (viſceribus) N. 50, 12. und das daher geleitete adj.
inn-ahtîg N. p. 267a, 78. Wie lautet der nom. ſg.? —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0397" n="379"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">III. <hi rendition="#i">con&#x017F;onanti&#x017F;che ableitungen. SK.</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;ondern in dem wurzelbegriff an &#x017F;ich oder einer wen-<lb/>
dung de&#x017F;&#x017F;elben (weib, kind, dieb, abgott, link) daher<lb/>
man auch nicht männi&#x017F;ch, götti&#x017F;ch, rechti&#x017F;ch von gott,<lb/>
mann, recht (die nie bö&#x017F;es bedeuten) ableiten kann. Das<lb/>
goth. manni&#x017F;ks, ahd. chindi&#x017F;c &#x017F;ind eins wie das andere<lb/>
frei von einer nebenidee und das veraltete ahd. wëralti&#x017F;c<lb/>
bedeutet gerade un&#x017F;er nhd. weltlich (ahd. wërolt-lîh K.<lb/>
53<hi rendition="#sup">a</hi> ag&#x017F;. veorold-lîc). Berührung des <hi rendition="#i">-&#x017F;c</hi> mit &#x201A;<hi rendition="#i">-ht</hi> zeigt<lb/>
das nhd. thöricht &#x017F;tatt des mhd. t&#x0153;ri&#x017F;ch und neben när-<lb/>
ri&#x017F;ch gilt auch narricht, närricht (?).</p><lb/>
                <p><hi rendition="#i">&#x03B5;</hi>) die lat. &#x017F;prache be&#x017F;itzt eine menge intran&#x017F;itiver<lb/>
verba auf <hi rendition="#i">-e&#x017F;co:</hi> marc-e&#x017F;co, pall-e&#x017F;co, &#x017F;urd-e&#x017F;co, vir-<lb/>
e&#x017F;co etc. aber wenige &#x017F;ub&#x017F;t. auf <hi rendition="#i">-i&#x017F;ca</hi>, <hi rendition="#i">-u&#x017F;ca:</hi> lyc-i&#x017F;ca,<lb/>
labr-u&#x017F;ca, gar keine adj., die gerade im deut&#x017F;chen bei<lb/>
die&#x017F;er ableitung vorwalten. Den begriff der ab&#x017F;tammung<lb/>
drückt bloßes <hi rendition="#i">-icus</hi> aus: german-icus, franc-icus, ala-<lb/>
mann-icus. I&#x017F;t es deut&#x017F;cher einfluß, daß die roman. dia-<lb/>
lecte ziemlich viele <hi rendition="#i">-e&#x017F;co</hi> bilden? ital. donn-e&#x017F;co, grott-<lb/>
e&#x017F;co, marin-e&#x017F;co, parent-e&#x017F;co, pedant-e&#x017F;co, pittor-e&#x017F;co,<lb/>
poltron-e&#x017F;co, romanz-e&#x017F;co, ted-e&#x017F;co etc. franz. arab-e&#x017F;que<lb/>
(ital. rabe&#x017F;co) gigant-e&#x017F;que, grot-e&#x017F;que, tud-e&#x017F;que etc.<lb/>
Der Grieche verkleinert mit <hi rendition="#i">-&#x03B9;&#x03C3;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;</hi>: <hi rendition="#i">&#x03BD;&#x03B5;&#x03B1;&#x03BD;&#x03AF;&#x03C3;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;</hi>, <hi rendition="#i">&#x03BF;&#x1F50;&#x03C1;&#x03B1;&#x03BD;&#x03AF;&#x03C3;-<lb/>
&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;, &#x03C3;&#x03C4;&#x03B5;&#x03C6;&#x03B1;&#x03BD;&#x03AF;&#x03C3;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;. &#x03C0;&#x03B1;&#x03B9;&#x03B4;&#x03AF;&#x03C3;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C2;</hi>. Näher dem deut&#x017F;chen &#x017F;te-<lb/>
hen die &#x017F;lav. adj. auf <hi rendition="#i">-&#x017F;k</hi>, womit auch namentlich genti-<lb/>
lia abgeleitet werden (Dobr. in&#x017F;titt. p. 330. Vuk p. 44.)<lb/>
aber nie fügt &#x017F;ich das &#x017F;lav. <hi rendition="#i">&#x017F;k</hi>, wie das nhd. -i&#x017F;ch zu<lb/>
mannsnamen, vielmehr tritt dafür eine andere ableitung,<lb/>
nämlich <hi rendition="#i">-ov</hi>, <hi rendition="#i">-ev</hi> ein (Dobr. p. 322.) z. b. pavlov (nhd.<lb/>
pauli&#x017F;ch, paulini&#x017F;ch) nicht pavl&#x017F;ki. Die litth. <hi rendition="#i">-i&#x017F;zkas</hi> glei-<lb/>
chen &#x017F;ehr den deut&#x017F;chen: lêtuwi&#x017F;zkas (litthaui&#x017F;ch) rymio-<lb/>
ni&#x017F;zkas (römi&#x017F;ch) dangi&#x017F;zkas (himmli&#x017F;ch) buri&#x017F;zkas (bän-<lb/>
ri&#x017F;ch) kuni&#x017F;zkas (leiblich) dwa&#x017F;i&#x017F;zkas (gei&#x017F;tlich) &#x017F;merti&#x017F;zkas<lb/>
(tödtlich) diewi&#x017F;zkas (göttlich) dieni&#x017F;zkas (täg&#x017F;ich) kiauli&#x017F;z-<lb/>
kas (&#x017F;chweini&#x017F;ch) etc.</p>
              </div>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#i">ableitungen mit HT.</hi> </head><lb/>
              <p>für <hi rendition="#i">-ht</hi> i&#x017F;t der altn. zunge <hi rendition="#i">-tt</hi> gemäß; der vorherr&#x017F;chende vo-<lb/>
cal &#x017F;cheint o (für u), &#x017F;chwankend in a (ahd bei N.) und i; die<lb/>
goth. &#x017F;prache wei&#x017F;t noch kein bei&#x017F;piel die&#x017F;er ableitung auf.</p><lb/>
              <p>1) <hi rendition="#i">nomina &#x017F;ub&#x017F;tantiva:</hi> ahd. kenne ich bloß inn-ah-<lb/>
ten (vi&#x017F;ceribus) N. 50, 12. und das daher geleitete adj.<lb/>
inn-ahtîg N. p. 267<hi rendition="#sup">a</hi>, 78. Wie lautet der nom. &#x017F;g.? &#x2014;<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0397] III. conſonantiſche ableitungen. SK. ſondern in dem wurzelbegriff an ſich oder einer wen- dung deſſelben (weib, kind, dieb, abgott, link) daher man auch nicht männiſch, göttiſch, rechtiſch von gott, mann, recht (die nie böſes bedeuten) ableiten kann. Das goth. manniſks, ahd. chindiſc ſind eins wie das andere frei von einer nebenidee und das veraltete ahd. wëraltiſc bedeutet gerade unſer nhd. weltlich (ahd. wërolt-lîh K. 53a agſ. veorold-lîc). Berührung des -ſc mit ‚-ht zeigt das nhd. thöricht ſtatt des mhd. tœriſch und neben när- riſch gilt auch narricht, närricht (?). ε) die lat. ſprache beſitzt eine menge intranſitiver verba auf -eſco: marc-eſco, pall-eſco, ſurd-eſco, vir- eſco etc. aber wenige ſubſt. auf -iſca, -uſca: lyc-iſca, labr-uſca, gar keine adj., die gerade im deutſchen bei dieſer ableitung vorwalten. Den begriff der abſtammung drückt bloßes -icus aus: german-icus, franc-icus, ala- mann-icus. Iſt es deutſcher einfluß, daß die roman. dia- lecte ziemlich viele -eſco bilden? ital. donn-eſco, grott- eſco, marin-eſco, parent-eſco, pedant-eſco, pittor-eſco, poltron-eſco, romanz-eſco, ted-eſco etc. franz. arab-eſque (ital. rabeſco) gigant-eſque, grot-eſque, tud-eſque etc. Der Grieche verkleinert mit -ισκος: νεανίσκος, οὐρανίσ- κος, στεφανίσκος. παιδίσκος. Näher dem deutſchen ſte- hen die ſlav. adj. auf -ſk, womit auch namentlich genti- lia abgeleitet werden (Dobr. inſtitt. p. 330. Vuk p. 44.) aber nie fügt ſich das ſlav. ſk, wie das nhd. -iſch zu mannsnamen, vielmehr tritt dafür eine andere ableitung, nämlich -ov, -ev ein (Dobr. p. 322.) z. b. pavlov (nhd. pauliſch, pauliniſch) nicht pavlſki. Die litth. -iſzkas glei- chen ſehr den deutſchen: lêtuwiſzkas (litthauiſch) rymio- niſzkas (römiſch) dangiſzkas (himmliſch) buriſzkas (bän- riſch) kuniſzkas (leiblich) dwaſiſzkas (geiſtlich) ſmertiſzkas (tödtlich) diewiſzkas (göttlich) dieniſzkas (tägſich) kiauliſz- kas (ſchweiniſch) etc. ableitungen mit HT. für -ht iſt der altn. zunge -tt gemäß; der vorherrſchende vo- cal ſcheint o (für u), ſchwankend in a (ahd bei N.) und i; die goth. ſprache weiſt noch kein beiſpiel dieſer ableitung auf. 1) nomina ſubſtantiva: ahd. kenne ich bloß inn-ah- ten (viſceribus) N. 50, 12. und das daher geleitete adj. inn-ahtîg N. p. 267a, 78. Wie lautet der nom. ſg.? —

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/397
Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/397>, abgerufen am 21.12.2024.