[IV] der vocal i vor dem ableitenden v ist kaum mit sicherheit nachzuweisen. In dem goth. gen. pl. sunive, tunthive (1, 601.) scheint das v an sich nicht ableiterisch (2, 95.); auch nicht in den adjectiven haithivisks, judai- visks (vergl. unten beim SK). Mehr hierher gehörig ist das ahd. mil-iwa (tinea) T. 36, 1. falls dabei keine assimi- lation aus mil-awa wirkt. In hul-iwa (sordes, uligo) gl. flor. kann keine assim. eintreten, aber diese glossen sind in den vocalen unsicher. Mhd. kommen mil-we und hül-we (nur beim Stricker) vor; wo der umlaut, wenn man seiner sicher wäre, entscheiden würde. Nhd. nur mil-be. Aus den übrigen sprachen ergibt sich gar nichts für iv.
[UV] gleichfalls selten und unsicher: gothisch schwan- ken vid-uvo und vid-ovo, ein vielleicht undeutsches, aus dem lat. vidua entlehntes wort (altn. eckja); ahd. wit- awa oder wit-uwa? mhd. wit-ewe, wit-we; nhd. wit-we (nicht wit-be, wohl aber veraltend wittib); ags. vid-uve, vid-eve; engl. wid-ow. Ein dunkles wort ist sisuva, viel- leicht sis-uwa, das gl. mons. 319, gleichbedeutend mit spaniseiu giposi zur übersetzung von iberas nenias braucht; eine elwang. gl. hat sisva (? siswa) neniae. Die parallele gl. doc. 223b läßt es weg und gibt dafür lotar-sprahha. Der sinn ist entweder lügen, eitle erdichtungen oder klag- gesänge.
[EV] ev erscheint nur im goth. al-ev (oleum), dem aber kein ahd. al-aw entspricht, da es ol-i, gen. ol-jes, ol-es, mhd. öl, ags. el-e, gen. el-es heißt. Diese ahd. ags. formen find offenbar aus dem latein gefloßen, wel- ches ich von der goth. nicht glaube. In ihr verhält sich das goth. a zum lat. o wie in namo zu nomen. Auch hat die litth. form allejus.
anmerkungen zu den v-ableitungen:
a) das ableitende v ist gleich den übrigen spiranten häufig weggefallen, zumahl in den neueren sprachen.
[IV] der vocal i vor dem ableitenden v iſt kaum mit ſicherheit nachzuweiſen. In dem goth. gen. pl. ſunivê, tunþivê (1, 601.) ſcheint das v an ſich nicht ableiteriſch (2, 95.); auch nicht in den adjectiven háiþiviſks, judái- viſks (vergl. unten beim SK). Mehr hierher gehörig iſt das ahd. mil-iwa (tinea) T. 36, 1. falls dabei keine aſſimi- lation aus mil-awa wirkt. In hul-iwa (ſordes, uligo) gl. flor. kann keine aſſim. eintreten, aber dieſe gloſſen ſind in den vocalen unſicher. Mhd. kommen mil-we und hül-we (nur beim Stricker) vor; wo der umlaut, wenn man ſeiner ſicher wäre, entſcheiden würde. Nhd. nur mil-be. Aus den übrigen ſprachen ergibt ſich gar nichts für iv.
[UV] gleichfalls ſelten und unſicher: gothiſch ſchwan- ken vid-uvô und vid-ôvô, ein vielleicht undeutſches, aus dem lat. vidua entlehntes wort (altn. eckja); ahd. wit- awa oder wit-uwa? mhd. wit-ewe, wit-we; nhd. wit-we (nicht wit-be, wohl aber veraltend wittib); agſ. vid-uve, vid-eve; engl. wid-ow. Ein dunkles wort iſt ſiſuva, viel- leicht ſiſ-uwâ, das gl. monſ. 319, gleichbedeutend mit ſpâniſeiu gipoſi zur überſetzung von iberas nenias braucht; eine elwang. gl. hat ſiſva (? ſiſwa) neniae. Die parallele gl. doc. 223b läßt es weg und gibt dafür lotar-ſprâhha. Der ſinn iſt entweder lügen, eitle erdichtungen oder klag- geſänge.
[EV] êv erſcheint nur im goth. al-êv (oleum), dem aber kein ahd. al-âw entſpricht, da es ol-i, gen. ol-jes, ol-es, mhd. öl, agſ. el-e, gen. el-es heißt. Dieſe ahd. agſ. formen find offenbar aus dem latein gefloßen, wel- ches ich von der goth. nicht glaube. In ihr verhält ſich das goth. a zum lat. o wie in namô zu nomen. Auch hat die litth. form allêjus.
anmerkungen zu den v-ableitungen:
a) das ableitende v iſt gleich den übrigen ſpiranten häufig weggefallen, zumahl in den neueren ſprachen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0210"n="192"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">conſonantiſche ableitungen. V.</hi></hi></fw><lb/>
cere) etc. — mhd. ver-gël-wen (flaveſcere); rid-wen (tre-<lb/>
mere) Bon. 48, 88. ſchil-wen (ſtrabum eſſe) Herb. 21<hirendition="#sup">b</hi>. —<lb/>
nhd. ver-nar-ben (cicatrice obduci).</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>[IV] der vocal i vor dem ableitenden v iſt kaum mit<lb/>ſicherheit nachzuweiſen. In dem goth. gen. pl. ſunivê,<lb/>
tunþivê (1, 601.) ſcheint das v an ſich nicht ableiteriſch<lb/>
(2, 95.); auch nicht in den adjectiven háiþiviſks, judái-<lb/>
viſks (vergl. unten beim SK). Mehr hierher gehörig iſt<lb/>
das ahd. mil-iwa (tinea) T. 36, 1. falls dabei keine aſſimi-<lb/>
lation aus mil-awa wirkt. In hul-iwa (ſordes, uligo) gl.<lb/>
flor. kann keine aſſim. eintreten, aber dieſe gloſſen ſind<lb/>
in den vocalen unſicher. Mhd. kommen mil-we und<lb/>
hül-we (nur beim Stricker) vor; wo der umlaut, wenn<lb/>
man ſeiner ſicher wäre, entſcheiden würde. Nhd. nur<lb/>
mil-be. Aus den übrigen ſprachen ergibt ſich gar nichts<lb/>
für <hirendition="#i">iv</hi>.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>[UV] gleichfalls ſelten und unſicher: gothiſch ſchwan-<lb/>
ken vid-uvô und vid-ôvô, ein vielleicht undeutſches, aus<lb/>
dem lat. vidua entlehntes wort (altn. eckja); ahd. wit-<lb/>
awa oder wit-uwa? mhd. wit-ewe, wit-we; nhd. wit-we<lb/>
(nicht wit-be, wohl aber veraltend wittib); agſ. vid-uve,<lb/>
vid-eve; engl. wid-ow. Ein dunkles wort iſt ſiſuva, viel-<lb/>
leicht ſiſ-uwâ, das gl. monſ. 319, gleichbedeutend mit<lb/>ſpâniſeiu gipoſi zur überſetzung von iberas nenias braucht;<lb/>
eine elwang. gl. hat ſiſva (? ſiſwa) neniae. Die parallele<lb/>
gl. doc. 223<hirendition="#sup">b</hi> läßt es weg und gibt dafür lotar-ſprâhha.<lb/>
Der ſinn iſt entweder lügen, eitle erdichtungen oder klag-<lb/>
geſänge.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>[EV] <hirendition="#i">êv</hi> erſcheint nur im goth. al-êv (oleum), dem<lb/>
aber kein ahd. al-âw entſpricht, da es ol-i, gen. ol-jes,<lb/>
ol-es, mhd. öl, agſ. el-e, gen. el-es heißt. Dieſe ahd.<lb/>
agſ. formen find offenbar aus dem latein gefloßen, wel-<lb/>
ches ich von der goth. nicht glaube. In ihr verhält ſich<lb/>
das goth. a zum lat. o wie in namô zu nomen. Auch<lb/>
hat die litth. form allêjus.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="5"><head><hirendition="#i">anmerkungen</hi> zu den v-ableitungen:</head><lb/><p>a) das ableitende v iſt gleich den übrigen ſpiranten<lb/>
häufig weggefallen, zumahl in den neueren ſprachen.</p><lb/></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[192/0210]
III. conſonantiſche ableitungen. V.
cere) etc. — mhd. ver-gël-wen (flaveſcere); rid-wen (tre-
mere) Bon. 48, 88. ſchil-wen (ſtrabum eſſe) Herb. 21b. —
nhd. ver-nar-ben (cicatrice obduci).
[IV] der vocal i vor dem ableitenden v iſt kaum mit
ſicherheit nachzuweiſen. In dem goth. gen. pl. ſunivê,
tunþivê (1, 601.) ſcheint das v an ſich nicht ableiteriſch
(2, 95.); auch nicht in den adjectiven háiþiviſks, judái-
viſks (vergl. unten beim SK). Mehr hierher gehörig iſt
das ahd. mil-iwa (tinea) T. 36, 1. falls dabei keine aſſimi-
lation aus mil-awa wirkt. In hul-iwa (ſordes, uligo) gl.
flor. kann keine aſſim. eintreten, aber dieſe gloſſen ſind
in den vocalen unſicher. Mhd. kommen mil-we und
hül-we (nur beim Stricker) vor; wo der umlaut, wenn
man ſeiner ſicher wäre, entſcheiden würde. Nhd. nur
mil-be. Aus den übrigen ſprachen ergibt ſich gar nichts
für iv.
[UV] gleichfalls ſelten und unſicher: gothiſch ſchwan-
ken vid-uvô und vid-ôvô, ein vielleicht undeutſches, aus
dem lat. vidua entlehntes wort (altn. eckja); ahd. wit-
awa oder wit-uwa? mhd. wit-ewe, wit-we; nhd. wit-we
(nicht wit-be, wohl aber veraltend wittib); agſ. vid-uve,
vid-eve; engl. wid-ow. Ein dunkles wort iſt ſiſuva, viel-
leicht ſiſ-uwâ, das gl. monſ. 319, gleichbedeutend mit
ſpâniſeiu gipoſi zur überſetzung von iberas nenias braucht;
eine elwang. gl. hat ſiſva (? ſiſwa) neniae. Die parallele
gl. doc. 223b läßt es weg und gibt dafür lotar-ſprâhha.
Der ſinn iſt entweder lügen, eitle erdichtungen oder klag-
geſänge.
[EV] êv erſcheint nur im goth. al-êv (oleum), dem
aber kein ahd. al-âw entſpricht, da es ol-i, gen. ol-jes,
ol-es, mhd. öl, agſ. el-e, gen. el-es heißt. Dieſe ahd.
agſ. formen find offenbar aus dem latein gefloßen, wel-
ches ich von der goth. nicht glaube. In ihr verhält ſich
das goth. a zum lat. o wie in namô zu nomen. Auch
hat die litth. form allêjus.
anmerkungen zu den v-ableitungen:
a) das ableitende v iſt gleich den übrigen ſpiranten
häufig weggefallen, zumahl in den neueren ſprachen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/210>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.