Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.Sinn-Gedichte. Die Rechnung der Verliebten. Aus dem Frantzösischen. SO wie das neue Tuch vom Wasser lauffet ein/ So pflegt die Rechnung auch/ die sich Verliebte machen/ Wenn mans beym Licht besieht gar offte falsch zu seyn/ Ein Kluger muß fürwahr der albern Thorheit lachen. Denn die Gedancken gehn auf Himmel hohen Spitzen/ Da sie doch in der That in tieffen Thälern sitzen. An die kleine Rosane, da sie eine Perle von ihren Hals-Creutzgen verlohren. Die Perle macht sich weg von deiner weissen Haut/ Als ob ihr vor der Pracht des schönen Halses graut/ Sie hüllet sich beschämt in dunckle Oerter ein/ Und will nicht mehr ein Spott des klahren Marmors seyn. Rosane weine nicht! laß alle Perlen fahren/ Du wirst in kurtzen Jahren Mehr denn als Perlen prahlen/ Wenn deine Schönheit wird dir den Verlust bezahlen. Als ihn Bellaria zum Coffe baht. Madrigall. Jch schlage den Coffe nicht aus/ Den mir Bellaria anbeut: Doch muß auf diesen Wasser-Schmaus Auch seyn bereit Der Rossolis der Lippen/ Und Marcipan der Brust erhöhten Klippen. Die unbeständige Liebe. Owen. Epigr. p. 6. Die Lieb ist anfangs süß/ das Ende aber bitter/ Jhr Kommen bringet Lust/ ihr Abzug Ungewitter/ Sie gleicht dem süssen Fluß/ der sich ins Meer ergießt/ Und drauf als selbiges mit bitterm Saltze fließt. Fast
Sinn-Gedichte. Die Rechnung der Verliebten. Aus dem Frantzoͤſiſchen. SO wie das neue Tuch vom Waſſer lauffet ein/ So pflegt die Rechnung auch/ die ſich Verliebte machen/ Wenn mans beym Licht beſieht gar offte falſch zu ſeyn/ Ein Kluger muß fuͤrwahr der albern Thorheit lachen. Denn die Gedancken gehn auf Himmel hohen Spitzen/ Da ſie doch in der That in tieffen Thaͤlern ſitzen. An die kleine Roſane, da ſie eine Perle von ihren Hals-Creutzgen verlohren. Die Perle macht ſich weg von deiner weiſſen Haut/ Als ob ihr vor der Pracht des ſchoͤnen Halſes graut/ Sie huͤllet ſich beſchaͤmt in dunckle Oerter ein/ Und will nicht mehr ein Spott des klahren Marmors ſeyn. Roſane weine nicht! laß alle Perlen fahren/ Du wirſt in kurtzen Jahren Mehr denn als Perlen prahlen/ Wenn deine Schoͤnheit wird dir den Verluſt bezahlen. Als ihn Bellaria zum Coffè baht. Madrigall. Jch ſchlage den Coffè nicht aus/ Den mir Bellaria anbeut: Doch muß auf dieſen Waſſer-Schmaus Auch ſeyn bereit Der Roſſolis der Lippen/ Und Marcipan der Bruſt erhoͤhten Klippen. Die unbeſtaͤndige Liebe. Owen. Epigr. p. 6. Die Lieb iſt anfangs ſuͤß/ das Ende aber bitter/ Jhr Kommen bringet Luſt/ ihr Abzug Ungewitter/ Sie gleicht dem ſuͤſſen Fluß/ der ſich ins Meer ergießt/ Und drauf als ſelbiges mit bitterm Saltze fließt. Faſt
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SO wie das neue Tuch vom Waſſer lauffet ein/
So pflegt die Rechnung auch/ die ſich Verliebte machen/
Wenn mans beym Licht beſieht gar offte falſch zu ſeyn/
Ein Kluger muß fuͤrwahr der albern Thorheit lachen.
Denn die Gedancken gehn auf Himmel hohen Spitzen/
Da ſie doch in der That in tieffen Thaͤlern ſitzen.
An die kleine Roſane, da ſie eine Perle von
ihren Hals-Creutzgen verlohren.
Die Perle macht ſich weg von deiner weiſſen Haut/
Als ob ihr vor der Pracht des ſchoͤnen Halſes graut/
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Und will nicht mehr ein Spott des klahren Marmors ſeyn.
Roſane weine nicht! laß alle Perlen fahren/
Du wirſt in kurtzen Jahren
Mehr denn als Perlen prahlen/
Wenn deine Schoͤnheit wird dir den Verluſt bezahlen.
Als ihn Bellaria zum Coffè baht.
Madrigall.
Jch ſchlage den Coffè nicht aus/
Den mir Bellaria anbeut:
Doch muß auf dieſen Waſſer-Schmaus
Auch ſeyn bereit
Der Roſſolis der Lippen/
Und Marcipan der Bruſt erhoͤhten Klippen.
Die unbeſtaͤndige Liebe.
Owen. Epigr. p. 6.
Die Lieb iſt anfangs ſuͤß/ das Ende aber bitter/
Jhr Kommen bringet Luſt/ ihr Abzug Ungewitter/
Sie gleicht dem ſuͤſſen Fluß/ der ſich ins Meer ergießt/
Und drauf als ſelbiges mit bitterm Saltze fließt.
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