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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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England, Rußland und Persien

etwas Unliebenswürdiges und Schroffes und neigt zur Starrheit. Sie bedarf
daher der Ergänzung und Befruchtung durch die weichere und beweglichere Art
des Südens und des Westens, der Belebung durch die geistigen Kräfte ganz
Deutschlands. Die eine gegen die andere auszuspielen, ist heute, wo wir uns
unseres Daseins gegen ernsteste Bedrohung zu erwehren haben, ein frevelhaftes
Spiel. Nur aus einer Verbindung von preußischer Staatsgesinnung mit deutschem
Wesen kann uns eine gedeihliche Zukunft erwachsen.




England, Rußland und Persien
v G. G. v. Mesendonk on

sie Stellung eines orientalischen Landes hat sich durch den Aus-
gang des Weltkrieges ganz unerwartet gebessert, nämlich die¬
jenige Persiens. Als im November 1918 Deutschland und
seine Bundesgenossen zusammenbrachen, da sah es zunächst so
aus, als ob England die Lage im Orient ganz allein bestimmen
würde. Die Türkei sollte verschwinden und in Mandatszonen aufgeteilt wer¬
den. Im Kaukasus trachteten sich die Engländer festzusetzen. Persien schien,
nachdem Mesopotamien in die britische Einflußsphäre geraten war, zu einer leichten
Beute der Engländer werden zu sollen. Durch Ostpersien hindurch, das streitbare
Afghanistan auf die Weise umgehend, waren englische Truppen nach Turkestan
durchgeschoben worden.

Der Gewinn, den das Ausscheiden eines aggressiven Rußlands für Persien
bedeutete, war damit mehr als ausgeglichen. Persische Staatsmänner jener Schule,
die durch geschicktes Schwanken den Interessen des Reiches am besten dienen zu
können glaubten, meinten, es gäbe nichts Besseres, als sich mit der eniglischen
Vormachtstellung abzufinden und dabei zu suchen, möglichste Vorteile herauszu¬
schlagen. Es kam zu jenem Plan, in dem die Teheraner Regierung weite Teile
Mesopotamiens beanspruchte mit den heiligen Stätten des Schiitismus, Mesched
Ali und Kerbel" und in dem sie gleichzeitig die einst im Frieden von Turkmantschai
an Nußland verlorenen Gebiete zurückverlangte. England ließ nicht lange mit
seiner Gegenrechnung warten. Der englisch-persische Vertrag vom August 1919,
der aus dem Reiche des Schah einfach ein britisches Protektorat machte, wurde
unterzeichnet. Lord Curzon, der englische Staatssekretär der auswärtigen An--'
gelegenheitcn, schien am Ziel seiner Wünsche, angelangt zu sein. Konstantinopel mit
dem Sitz des Sultan-Khalifen sollte unter dem durchsichtigen Vorwand inter¬
nationaler Kontrolle in die Hand der Londoner Regierung kommen. Durch
die Eingliederung Persiens würde dann die Landbrücke nach Indien geschlossen
und unter britischen Einfluß geraten. Das Glacis, das Lord Curzon so lange er-
träumt hatte, war gebildet.


England, Rußland und Persien

etwas Unliebenswürdiges und Schroffes und neigt zur Starrheit. Sie bedarf
daher der Ergänzung und Befruchtung durch die weichere und beweglichere Art
des Südens und des Westens, der Belebung durch die geistigen Kräfte ganz
Deutschlands. Die eine gegen die andere auszuspielen, ist heute, wo wir uns
unseres Daseins gegen ernsteste Bedrohung zu erwehren haben, ein frevelhaftes
Spiel. Nur aus einer Verbindung von preußischer Staatsgesinnung mit deutschem
Wesen kann uns eine gedeihliche Zukunft erwachsen.




England, Rußland und Persien
v G. G. v. Mesendonk on

sie Stellung eines orientalischen Landes hat sich durch den Aus-
gang des Weltkrieges ganz unerwartet gebessert, nämlich die¬
jenige Persiens. Als im November 1918 Deutschland und
seine Bundesgenossen zusammenbrachen, da sah es zunächst so
aus, als ob England die Lage im Orient ganz allein bestimmen
würde. Die Türkei sollte verschwinden und in Mandatszonen aufgeteilt wer¬
den. Im Kaukasus trachteten sich die Engländer festzusetzen. Persien schien,
nachdem Mesopotamien in die britische Einflußsphäre geraten war, zu einer leichten
Beute der Engländer werden zu sollen. Durch Ostpersien hindurch, das streitbare
Afghanistan auf die Weise umgehend, waren englische Truppen nach Turkestan
durchgeschoben worden.

Der Gewinn, den das Ausscheiden eines aggressiven Rußlands für Persien
bedeutete, war damit mehr als ausgeglichen. Persische Staatsmänner jener Schule,
die durch geschicktes Schwanken den Interessen des Reiches am besten dienen zu
können glaubten, meinten, es gäbe nichts Besseres, als sich mit der eniglischen
Vormachtstellung abzufinden und dabei zu suchen, möglichste Vorteile herauszu¬
schlagen. Es kam zu jenem Plan, in dem die Teheraner Regierung weite Teile
Mesopotamiens beanspruchte mit den heiligen Stätten des Schiitismus, Mesched
Ali und Kerbel« und in dem sie gleichzeitig die einst im Frieden von Turkmantschai
an Nußland verlorenen Gebiete zurückverlangte. England ließ nicht lange mit
seiner Gegenrechnung warten. Der englisch-persische Vertrag vom August 1919,
der aus dem Reiche des Schah einfach ein britisches Protektorat machte, wurde
unterzeichnet. Lord Curzon, der englische Staatssekretär der auswärtigen An--'
gelegenheitcn, schien am Ziel seiner Wünsche, angelangt zu sein. Konstantinopel mit
dem Sitz des Sultan-Khalifen sollte unter dem durchsichtigen Vorwand inter¬
nationaler Kontrolle in die Hand der Londoner Regierung kommen. Durch
die Eingliederung Persiens würde dann die Landbrücke nach Indien geschlossen
und unter britischen Einfluß geraten. Das Glacis, das Lord Curzon so lange er-
träumt hatte, war gebildet.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/74>, abgerufen am 22.12.2024.