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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

Altes und neues Heer
einem jungen Frontoffizier von
III. Frontsoldaten

der Kaschemme am Neuen Tor, hinterm Verschlag auf Fässern
und Kisten, sitzen die drei. Der Jüngste hat einen blutigen Serien,
W und der zweite ein blutrotes Band. Der Alte aber, vergrämten
kAtMM^ Gesichts, trägt eine Rosa-Rosette.

"Heut ist der Tag, da dies System in allen Fugen kracht.
Ein Stoß noch -- und es bricht zusammen. So gebt den Stoß!"

"Du bist noch jung . .. und weißt nicht, daß der Koloß sicherer fällt, zer¬
mürbt man seine Säulen . . . langsam .. . Schritt um Schritt ..."

"Du Memme! Er hat recht. Was riefst Du erst zur Tat und nun hast
Dn der Taten schon zuviel getan? Ich bin dabei. Wohl weiß ich, daß der
Ansturm nur gelingt, wenn wir gemeinsam handeln. Und doch . . .1 Wir wagen
es und fallen wir, so soll die Tat die Blutsaat späterer Tage werden. Du aber
sollst dann sehen, wie der Koloß Dich zertritt und wie als erster Du bei Pauken¬
schlag, Parademarsch bewundernd steh-n bleibst. -- Doch -- unser Tag kehrt
wieder! . . . Komm .. . Laß den Alten!"
"Bleibt und bedenkt..."




Im Edenhotel, im Vestibül, sitzt der kleine General und hält die Augen
geschlossen. Um ihn der Stab. Beherrschte Gesichter sagen: Gehorsam, Arbeit
und Pflicht. Gesammelte Kraft in den straffen Gestalten und den kühlen, klugen
Augen. Niemand spricht.

Ein krummbeiniger Husar klirrt durch den Saal. Und wächst und macht
seine Meldung: "Spartakus schießt. Die Mehrheitssozialisten nicht, Herr General!"

Die Gesichter bleiben reglos. Der General öffnet ein Auge und wendet
sein Gesicht zum Stab. Die Klarheit und die Ruhe dieses Auges bannen: ,

"Aufstieg!"




In Moabit, der Kaserne, sitzen auf Wache drei: Leutnant, Feldwebel,
Bursche. Sie sitzen auf Stroh im verwüsteten Flur und der Wind bläst kalt
durch die Fenstertrümmer. Der Leutnant hat ein braunes Gesicht, das frische
Narben entstellen. Doch das junge Gesicht adeln zwei ernste Augen:

"Ein Kind noch, ging ich als Freiwilliger 'raus und kämpfte im Osten und
Westen. Lag in Karpathen Schnee und Eis, sah Finnlands Mitternachtssonne.
Syrien brannte sein Mal mir ein. Und Serbien und Mazedonien. Italien
nahm die besten Kerls und die Türkei den Freund. Ich hasse das Bataillon,
Generalkommando, Etappenschweine und vor allen die Heimatfront. Ich bin ein
Frontsoldat. Vier Jahre Krieg schuf rastloses Blut. Ich glaube nur an das
Schwert. Und lag ich vier Jahre in Feuer und Dreck, werf ich die Flinte auch
jetzt nicht ins Korn. Ich liebe mein Land noch so heiß wie einst, drum bleib ich
-- zum Trotz nun Soldat. Und wenn das Alter jetzt versagt, wir Jungen
Werdens schaffen!"


Altes und neues Heer

Altes und neues Heer
einem jungen Frontoffizier von
III. Frontsoldaten

der Kaschemme am Neuen Tor, hinterm Verschlag auf Fässern
und Kisten, sitzen die drei. Der Jüngste hat einen blutigen Serien,
W und der zweite ein blutrotes Band. Der Alte aber, vergrämten
kAtMM^ Gesichts, trägt eine Rosa-Rosette.

„Heut ist der Tag, da dies System in allen Fugen kracht.
Ein Stoß noch — und es bricht zusammen. So gebt den Stoß!"

„Du bist noch jung . .. und weißt nicht, daß der Koloß sicherer fällt, zer¬
mürbt man seine Säulen . . . langsam .. . Schritt um Schritt ..."

„Du Memme! Er hat recht. Was riefst Du erst zur Tat und nun hast
Dn der Taten schon zuviel getan? Ich bin dabei. Wohl weiß ich, daß der
Ansturm nur gelingt, wenn wir gemeinsam handeln. Und doch . . .1 Wir wagen
es und fallen wir, so soll die Tat die Blutsaat späterer Tage werden. Du aber
sollst dann sehen, wie der Koloß Dich zertritt und wie als erster Du bei Pauken¬
schlag, Parademarsch bewundernd steh-n bleibst. — Doch — unser Tag kehrt
wieder! . . . Komm .. . Laß den Alten!"
„Bleibt und bedenkt..."




Im Edenhotel, im Vestibül, sitzt der kleine General und hält die Augen
geschlossen. Um ihn der Stab. Beherrschte Gesichter sagen: Gehorsam, Arbeit
und Pflicht. Gesammelte Kraft in den straffen Gestalten und den kühlen, klugen
Augen. Niemand spricht.

Ein krummbeiniger Husar klirrt durch den Saal. Und wächst und macht
seine Meldung: „Spartakus schießt. Die Mehrheitssozialisten nicht, Herr General!"

Die Gesichter bleiben reglos. Der General öffnet ein Auge und wendet
sein Gesicht zum Stab. Die Klarheit und die Ruhe dieses Auges bannen: ,

„Aufstieg!"




In Moabit, der Kaserne, sitzen auf Wache drei: Leutnant, Feldwebel,
Bursche. Sie sitzen auf Stroh im verwüsteten Flur und der Wind bläst kalt
durch die Fenstertrümmer. Der Leutnant hat ein braunes Gesicht, das frische
Narben entstellen. Doch das junge Gesicht adeln zwei ernste Augen:

„Ein Kind noch, ging ich als Freiwilliger 'raus und kämpfte im Osten und
Westen. Lag in Karpathen Schnee und Eis, sah Finnlands Mitternachtssonne.
Syrien brannte sein Mal mir ein. Und Serbien und Mazedonien. Italien
nahm die besten Kerls und die Türkei den Freund. Ich hasse das Bataillon,
Generalkommando, Etappenschweine und vor allen die Heimatfront. Ich bin ein
Frontsoldat. Vier Jahre Krieg schuf rastloses Blut. Ich glaube nur an das
Schwert. Und lag ich vier Jahre in Feuer und Dreck, werf ich die Flinte auch
jetzt nicht ins Korn. Ich liebe mein Land noch so heiß wie einst, drum bleib ich
— zum Trotz nun Soldat. Und wenn das Alter jetzt versagt, wir Jungen
Werdens schaffen!"


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[0226] Altes und neues Heer Altes und neues Heer einem jungen Frontoffizier von III. Frontsoldaten der Kaschemme am Neuen Tor, hinterm Verschlag auf Fässern und Kisten, sitzen die drei. Der Jüngste hat einen blutigen Serien, W und der zweite ein blutrotes Band. Der Alte aber, vergrämten kAtMM^ Gesichts, trägt eine Rosa-Rosette. „Heut ist der Tag, da dies System in allen Fugen kracht. Ein Stoß noch — und es bricht zusammen. So gebt den Stoß!" „Du bist noch jung . .. und weißt nicht, daß der Koloß sicherer fällt, zer¬ mürbt man seine Säulen . . . langsam .. . Schritt um Schritt ..." „Du Memme! Er hat recht. Was riefst Du erst zur Tat und nun hast Dn der Taten schon zuviel getan? Ich bin dabei. Wohl weiß ich, daß der Ansturm nur gelingt, wenn wir gemeinsam handeln. Und doch . . .1 Wir wagen es und fallen wir, so soll die Tat die Blutsaat späterer Tage werden. Du aber sollst dann sehen, wie der Koloß Dich zertritt und wie als erster Du bei Pauken¬ schlag, Parademarsch bewundernd steh-n bleibst. — Doch — unser Tag kehrt wieder! . . . Komm .. . Laß den Alten!" „Bleibt und bedenkt..." Im Edenhotel, im Vestibül, sitzt der kleine General und hält die Augen geschlossen. Um ihn der Stab. Beherrschte Gesichter sagen: Gehorsam, Arbeit und Pflicht. Gesammelte Kraft in den straffen Gestalten und den kühlen, klugen Augen. Niemand spricht. Ein krummbeiniger Husar klirrt durch den Saal. Und wächst und macht seine Meldung: „Spartakus schießt. Die Mehrheitssozialisten nicht, Herr General!" Die Gesichter bleiben reglos. Der General öffnet ein Auge und wendet sein Gesicht zum Stab. Die Klarheit und die Ruhe dieses Auges bannen: , „Aufstieg!" In Moabit, der Kaserne, sitzen auf Wache drei: Leutnant, Feldwebel, Bursche. Sie sitzen auf Stroh im verwüsteten Flur und der Wind bläst kalt durch die Fenstertrümmer. Der Leutnant hat ein braunes Gesicht, das frische Narben entstellen. Doch das junge Gesicht adeln zwei ernste Augen: „Ein Kind noch, ging ich als Freiwilliger 'raus und kämpfte im Osten und Westen. Lag in Karpathen Schnee und Eis, sah Finnlands Mitternachtssonne. Syrien brannte sein Mal mir ein. Und Serbien und Mazedonien. Italien nahm die besten Kerls und die Türkei den Freund. Ich hasse das Bataillon, Generalkommando, Etappenschweine und vor allen die Heimatfront. Ich bin ein Frontsoldat. Vier Jahre Krieg schuf rastloses Blut. Ich glaube nur an das Schwert. Und lag ich vier Jahre in Feuer und Dreck, werf ich die Flinte auch jetzt nicht ins Korn. Ich liebe mein Land noch so heiß wie einst, drum bleib ich — zum Trotz nun Soldat. Und wenn das Alter jetzt versagt, wir Jungen Werdens schaffen!"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339148/226>, abgerufen am 04.07.2024.