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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr.

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Wirkungen des Krieges auf Vstasicn

Wirkungen des Krieges auf Ostasien*)
Oskar Scholz, Konsul z. V. vonIII. Singapore

singapores Bedeutung als Handelsmittelpunk! Hinterindiens und
des Malayischen Archipels hatte sich schon vor dem Kriege von
Jahr zu Jahr mehr entwickelt, und doch hat die Erhaltung dieser
Bedeutung in den letzten Jahren vor dem Kriege der britischen
Kolonialverwaltung manche Sorge gemacht, und sie hat viel
Sorgfalt darauf verwendet, einer Dezentralisation seines Handels und der
Entstehung neuer, den Produktionsstätten näher gelegener Handelsplätze vorzu¬
beugen. Der Krieg und seine Nachwirkungen haben Singapores Stellung wieder
gestärkt. Einmal weil es fern von dem Kriegsschauplatz lag, von den Kriegs¬
opfern der übrigen Welt wenig zu tragen hatte und weil seine Landeserzeugnisse,
insbesondere sein Kautschuk und sein Zinn, von den Kriegführenden dringend
gebraucht wurden, sodann aber auch aus einem Grunde, der über den Krieg
hinaus jetzt noch wirkt: dem Schiffsmangel der ganzen Welt. Er nötigt die
großen Reedereien, die schon immer mehr dazu übergegangen waren, auch ent¬
legenere Häfen an ihre Hauptlinien anzuschließen/ sich jetzt wieder auf die Haupt-
Häfen zu beschränken, und so kam Singapore wieder zu neuer und stärkerer Be¬
deutung als Umschlagsplatz für den Verkehr von und nach Europa sowohl wie
Amerika.

Das Geschäftsleben Singapores hängt stets in erster Linie vom Kautschuk
ab, für den es jetzt wohl der Hauptwelthandelsmarkt geworden ist, von der Er¬
zeugung seines Hinterlandes, von der durch sie wesentlich beeinflußten Preis¬
gestaltung und der Spekulation. Der Preissturz in Kautschuk, das während des
Krieges bis über 70 Cents und im Dezember 1919 sogar auf 105 Cents für das
englische Pfund gestiegen war, bis auf 22 Cents im Jahre 1918 und auf 30 Cents
im Dezember 1920, bei Gestehungskosten von etwa 60 Cents, zog weite Kreise in
Mitleidenschaft und traf besonders auch die an der Kautschukspekulation immer
sehr beteiligten Chinesen. Die beträchtliche Abwanderung der chinesischen Be¬
völkerung und noch mehr der Rückgang der chinesischen Einwanderung, die damals
in den Straits settlements sowohl wie in den Malayen-Staaten festzustellen
war, hängt aber wahrscheinlich weniger mit dem Geschäft in Kautschuk als mit
der Lage des zweitwichtigsten Landesprodnktes in Singapores Ausfuhrhandel zu¬
sammen, nämlich rin dem Rückgang oder dem Stillstand der Zinnbergwerke und
°Hütten, in denen hauptsächlich Chinesen arbeiten. Das chinesische Handelsgeschäft
in Singapore aber scheint sich unter dem Einfluß des Krieges ganz besonders
blühend entwickelt zu haben. Jedem Reisenden fällt auf, wie viele chinesische
Firmen dort neu entstanden sind; ist doch die chinesische Bevölkerung sowohl in
ber britischen Kronkolonie als in den Malayen-Staaten die zahlreichste und über-
trifft sogar die malayische.

Weniger willkommen als die chinesische Einwanderung scheint der britischen
Herrschaft der Malayen-Halbinsel der japanische Zuzug zu sein, den Singapore



*) Vergl. Grenzboten, Hefte 17/18 und 22/23.
Wirkungen des Krieges auf Vstasicn

Wirkungen des Krieges auf Ostasien*)
Oskar Scholz, Konsul z. V. vonIII. Singapore

singapores Bedeutung als Handelsmittelpunk! Hinterindiens und
des Malayischen Archipels hatte sich schon vor dem Kriege von
Jahr zu Jahr mehr entwickelt, und doch hat die Erhaltung dieser
Bedeutung in den letzten Jahren vor dem Kriege der britischen
Kolonialverwaltung manche Sorge gemacht, und sie hat viel
Sorgfalt darauf verwendet, einer Dezentralisation seines Handels und der
Entstehung neuer, den Produktionsstätten näher gelegener Handelsplätze vorzu¬
beugen. Der Krieg und seine Nachwirkungen haben Singapores Stellung wieder
gestärkt. Einmal weil es fern von dem Kriegsschauplatz lag, von den Kriegs¬
opfern der übrigen Welt wenig zu tragen hatte und weil seine Landeserzeugnisse,
insbesondere sein Kautschuk und sein Zinn, von den Kriegführenden dringend
gebraucht wurden, sodann aber auch aus einem Grunde, der über den Krieg
hinaus jetzt noch wirkt: dem Schiffsmangel der ganzen Welt. Er nötigt die
großen Reedereien, die schon immer mehr dazu übergegangen waren, auch ent¬
legenere Häfen an ihre Hauptlinien anzuschließen/ sich jetzt wieder auf die Haupt-
Häfen zu beschränken, und so kam Singapore wieder zu neuer und stärkerer Be¬
deutung als Umschlagsplatz für den Verkehr von und nach Europa sowohl wie
Amerika.

Das Geschäftsleben Singapores hängt stets in erster Linie vom Kautschuk
ab, für den es jetzt wohl der Hauptwelthandelsmarkt geworden ist, von der Er¬
zeugung seines Hinterlandes, von der durch sie wesentlich beeinflußten Preis¬
gestaltung und der Spekulation. Der Preissturz in Kautschuk, das während des
Krieges bis über 70 Cents und im Dezember 1919 sogar auf 105 Cents für das
englische Pfund gestiegen war, bis auf 22 Cents im Jahre 1918 und auf 30 Cents
im Dezember 1920, bei Gestehungskosten von etwa 60 Cents, zog weite Kreise in
Mitleidenschaft und traf besonders auch die an der Kautschukspekulation immer
sehr beteiligten Chinesen. Die beträchtliche Abwanderung der chinesischen Be¬
völkerung und noch mehr der Rückgang der chinesischen Einwanderung, die damals
in den Straits settlements sowohl wie in den Malayen-Staaten festzustellen
war, hängt aber wahrscheinlich weniger mit dem Geschäft in Kautschuk als mit
der Lage des zweitwichtigsten Landesprodnktes in Singapores Ausfuhrhandel zu¬
sammen, nämlich rin dem Rückgang oder dem Stillstand der Zinnbergwerke und
°Hütten, in denen hauptsächlich Chinesen arbeiten. Das chinesische Handelsgeschäft
in Singapore aber scheint sich unter dem Einfluß des Krieges ganz besonders
blühend entwickelt zu haben. Jedem Reisenden fällt auf, wie viele chinesische
Firmen dort neu entstanden sind; ist doch die chinesische Bevölkerung sowohl in
ber britischen Kronkolonie als in den Malayen-Staaten die zahlreichste und über-
trifft sogar die malayische.

Weniger willkommen als die chinesische Einwanderung scheint der britischen
Herrschaft der Malayen-Halbinsel der japanische Zuzug zu sein, den Singapore



*) Vergl. Grenzboten, Hefte 17/18 und 22/23.
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[0269] Wirkungen des Krieges auf Vstasicn Wirkungen des Krieges auf Ostasien*) Oskar Scholz, Konsul z. V. vonIII. Singapore singapores Bedeutung als Handelsmittelpunk! Hinterindiens und des Malayischen Archipels hatte sich schon vor dem Kriege von Jahr zu Jahr mehr entwickelt, und doch hat die Erhaltung dieser Bedeutung in den letzten Jahren vor dem Kriege der britischen Kolonialverwaltung manche Sorge gemacht, und sie hat viel Sorgfalt darauf verwendet, einer Dezentralisation seines Handels und der Entstehung neuer, den Produktionsstätten näher gelegener Handelsplätze vorzu¬ beugen. Der Krieg und seine Nachwirkungen haben Singapores Stellung wieder gestärkt. Einmal weil es fern von dem Kriegsschauplatz lag, von den Kriegs¬ opfern der übrigen Welt wenig zu tragen hatte und weil seine Landeserzeugnisse, insbesondere sein Kautschuk und sein Zinn, von den Kriegführenden dringend gebraucht wurden, sodann aber auch aus einem Grunde, der über den Krieg hinaus jetzt noch wirkt: dem Schiffsmangel der ganzen Welt. Er nötigt die großen Reedereien, die schon immer mehr dazu übergegangen waren, auch ent¬ legenere Häfen an ihre Hauptlinien anzuschließen/ sich jetzt wieder auf die Haupt- Häfen zu beschränken, und so kam Singapore wieder zu neuer und stärkerer Be¬ deutung als Umschlagsplatz für den Verkehr von und nach Europa sowohl wie Amerika. Das Geschäftsleben Singapores hängt stets in erster Linie vom Kautschuk ab, für den es jetzt wohl der Hauptwelthandelsmarkt geworden ist, von der Er¬ zeugung seines Hinterlandes, von der durch sie wesentlich beeinflußten Preis¬ gestaltung und der Spekulation. Der Preissturz in Kautschuk, das während des Krieges bis über 70 Cents und im Dezember 1919 sogar auf 105 Cents für das englische Pfund gestiegen war, bis auf 22 Cents im Jahre 1918 und auf 30 Cents im Dezember 1920, bei Gestehungskosten von etwa 60 Cents, zog weite Kreise in Mitleidenschaft und traf besonders auch die an der Kautschukspekulation immer sehr beteiligten Chinesen. Die beträchtliche Abwanderung der chinesischen Be¬ völkerung und noch mehr der Rückgang der chinesischen Einwanderung, die damals in den Straits settlements sowohl wie in den Malayen-Staaten festzustellen war, hängt aber wahrscheinlich weniger mit dem Geschäft in Kautschuk als mit der Lage des zweitwichtigsten Landesprodnktes in Singapores Ausfuhrhandel zu¬ sammen, nämlich rin dem Rückgang oder dem Stillstand der Zinnbergwerke und °Hütten, in denen hauptsächlich Chinesen arbeiten. Das chinesische Handelsgeschäft in Singapore aber scheint sich unter dem Einfluß des Krieges ganz besonders blühend entwickelt zu haben. Jedem Reisenden fällt auf, wie viele chinesische Firmen dort neu entstanden sind; ist doch die chinesische Bevölkerung sowohl in ber britischen Kronkolonie als in den Malayen-Staaten die zahlreichste und über- trifft sogar die malayische. Weniger willkommen als die chinesische Einwanderung scheint der britischen Herrschaft der Malayen-Halbinsel der japanische Zuzug zu sein, den Singapore *) Vergl. Grenzboten, Hefte 17/18 und 22/23.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338800/269>, abgerufen am 23.11.2024.