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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Polen rüstet gegen Deutschland

unsere staatliche Geschlossenheit wahren. Bedeutsamer noch als früher ist heute
die Aufgabe des Deutschen Reiches. Es ist nicht allein der Staat für die
deutschen Stämme, sondern es ist zugleich das Mutterland für die Vielen, die
unter Fremdherrschaft gekommen sind. Wohl haben wir heute ein Trümmerfeld
vor uns. Aber die vor fünfzig Jahren geschaffene Grundlage der politischen
Reichseinheit ist stark genug, um darauf weiter zu bauen.




Polen rüstet gegen Deutschland

^Aus deutschfreundlichen Kreisen Warschaus, die über gute Beziehungen zu
dortigen maßgebenden Stellen verfügen, wird uns geschrieben:

Das Wirtschaftsleben Polens geht einer Katastrophe ent¬
gegen. Die Industrie liegt infolge Mangels an Rohstoffen und
Kohlen völlig danieder. Die einfachsten Fertigfabrikate müssen aus
dem Auslande bezogen werden und sind infolge der schlechten polnischen
Valuta kaum noch zu bezahlen. Die während des Weltkrieges in Kongreß-
Polen und Galizien noch leidliche, in Posen und Westpreußen gute Ver¬
pflegungslage hat !sich in allen Teilen Polens ständig verschlechtert. In
diesem Winter ist sie durch die Plünderungen der Russen in Ostpolen, durch
die überall schlechte Ernte und durch Viehverluste infolge rasch um sich
greifender Seuchen so verschärft worden, daß eine Hungersnot droht. Soll
ihr vorgebeugt werden, so sind umfangreiche Getreideankäufe im Auslande nötig,
die aber wiederum die Lebensmittel verteuern und den Kaufwert der polnischen
Mark Herabdrücken müssen. Und doch ist diese schon von 60 7° der deutschen Mark
im Frühjahr 1920 auf 10V" 7° der deutschen Mark gesunken. Das weitere Sinken
der polnischen Valuta muß eine weitere Verelendung der Bevölkerung zur Folge
haben. Alle Hilfe, die man vom Auslande erhoffte, blieb aus. Auch Frankreich
weigerte sich bisher, dem bankerotten Polen Geld zu geben. Als einzige Hoffnung
auf Gesundung und Verbesserung der wirtschaftlichen Lage sehen die Polen nur
noch die Gewinnung Oberschlesiens an. Die Notwendigkeit des Besitzes der
Kohlen und Erze, der Forsten und Acker des reichen Oberschlesien wird dem
Volke Tag für Tag von der Kanzel, von Agitatoren und der Presse eingehämmert.
Diese Agitation, die in Deutschland viel zu wenig beachtet wurde, hat das polnische
Volk von der verzweifelten Lage im Innern Polens abgelenkt und alle Kreise
für die Ansicht gewonnen, daß Polen mit allen Mitteln, letzten Endes mit Gewalt
verhindern muß, daß Oberschlesien bei Deutschland bleibt.

Die Mittel, mit denen man Oberschlesien gewinnen will, sind, wie ein¬
geweihte Kreise hier offen erzählen, kurz folgende:

Die von Korfanty geleitete, mit französischem Gelde unterstützte Agitation
in Oberschlesien hat nach Ansicht der Regierungskreise fast alle polnisch sprechenden


Polen rüstet gegen Deutschland

unsere staatliche Geschlossenheit wahren. Bedeutsamer noch als früher ist heute
die Aufgabe des Deutschen Reiches. Es ist nicht allein der Staat für die
deutschen Stämme, sondern es ist zugleich das Mutterland für die Vielen, die
unter Fremdherrschaft gekommen sind. Wohl haben wir heute ein Trümmerfeld
vor uns. Aber die vor fünfzig Jahren geschaffene Grundlage der politischen
Reichseinheit ist stark genug, um darauf weiter zu bauen.




Polen rüstet gegen Deutschland

^Aus deutschfreundlichen Kreisen Warschaus, die über gute Beziehungen zu
dortigen maßgebenden Stellen verfügen, wird uns geschrieben:

Das Wirtschaftsleben Polens geht einer Katastrophe ent¬
gegen. Die Industrie liegt infolge Mangels an Rohstoffen und
Kohlen völlig danieder. Die einfachsten Fertigfabrikate müssen aus
dem Auslande bezogen werden und sind infolge der schlechten polnischen
Valuta kaum noch zu bezahlen. Die während des Weltkrieges in Kongreß-
Polen und Galizien noch leidliche, in Posen und Westpreußen gute Ver¬
pflegungslage hat !sich in allen Teilen Polens ständig verschlechtert. In
diesem Winter ist sie durch die Plünderungen der Russen in Ostpolen, durch
die überall schlechte Ernte und durch Viehverluste infolge rasch um sich
greifender Seuchen so verschärft worden, daß eine Hungersnot droht. Soll
ihr vorgebeugt werden, so sind umfangreiche Getreideankäufe im Auslande nötig,
die aber wiederum die Lebensmittel verteuern und den Kaufwert der polnischen
Mark Herabdrücken müssen. Und doch ist diese schon von 60 7° der deutschen Mark
im Frühjahr 1920 auf 10V» 7° der deutschen Mark gesunken. Das weitere Sinken
der polnischen Valuta muß eine weitere Verelendung der Bevölkerung zur Folge
haben. Alle Hilfe, die man vom Auslande erhoffte, blieb aus. Auch Frankreich
weigerte sich bisher, dem bankerotten Polen Geld zu geben. Als einzige Hoffnung
auf Gesundung und Verbesserung der wirtschaftlichen Lage sehen die Polen nur
noch die Gewinnung Oberschlesiens an. Die Notwendigkeit des Besitzes der
Kohlen und Erze, der Forsten und Acker des reichen Oberschlesien wird dem
Volke Tag für Tag von der Kanzel, von Agitatoren und der Presse eingehämmert.
Diese Agitation, die in Deutschland viel zu wenig beachtet wurde, hat das polnische
Volk von der verzweifelten Lage im Innern Polens abgelenkt und alle Kreise
für die Ansicht gewonnen, daß Polen mit allen Mitteln, letzten Endes mit Gewalt
verhindern muß, daß Oberschlesien bei Deutschland bleibt.

Die Mittel, mit denen man Oberschlesien gewinnen will, sind, wie ein¬
geweihte Kreise hier offen erzählen, kurz folgende:

Die von Korfanty geleitete, mit französischem Gelde unterstützte Agitation
in Oberschlesien hat nach Ansicht der Regierungskreise fast alle polnisch sprechenden


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[0056] Polen rüstet gegen Deutschland unsere staatliche Geschlossenheit wahren. Bedeutsamer noch als früher ist heute die Aufgabe des Deutschen Reiches. Es ist nicht allein der Staat für die deutschen Stämme, sondern es ist zugleich das Mutterland für die Vielen, die unter Fremdherrschaft gekommen sind. Wohl haben wir heute ein Trümmerfeld vor uns. Aber die vor fünfzig Jahren geschaffene Grundlage der politischen Reichseinheit ist stark genug, um darauf weiter zu bauen. Polen rüstet gegen Deutschland ^Aus deutschfreundlichen Kreisen Warschaus, die über gute Beziehungen zu dortigen maßgebenden Stellen verfügen, wird uns geschrieben: Das Wirtschaftsleben Polens geht einer Katastrophe ent¬ gegen. Die Industrie liegt infolge Mangels an Rohstoffen und Kohlen völlig danieder. Die einfachsten Fertigfabrikate müssen aus dem Auslande bezogen werden und sind infolge der schlechten polnischen Valuta kaum noch zu bezahlen. Die während des Weltkrieges in Kongreß- Polen und Galizien noch leidliche, in Posen und Westpreußen gute Ver¬ pflegungslage hat !sich in allen Teilen Polens ständig verschlechtert. In diesem Winter ist sie durch die Plünderungen der Russen in Ostpolen, durch die überall schlechte Ernte und durch Viehverluste infolge rasch um sich greifender Seuchen so verschärft worden, daß eine Hungersnot droht. Soll ihr vorgebeugt werden, so sind umfangreiche Getreideankäufe im Auslande nötig, die aber wiederum die Lebensmittel verteuern und den Kaufwert der polnischen Mark Herabdrücken müssen. Und doch ist diese schon von 60 7° der deutschen Mark im Frühjahr 1920 auf 10V» 7° der deutschen Mark gesunken. Das weitere Sinken der polnischen Valuta muß eine weitere Verelendung der Bevölkerung zur Folge haben. Alle Hilfe, die man vom Auslande erhoffte, blieb aus. Auch Frankreich weigerte sich bisher, dem bankerotten Polen Geld zu geben. Als einzige Hoffnung auf Gesundung und Verbesserung der wirtschaftlichen Lage sehen die Polen nur noch die Gewinnung Oberschlesiens an. Die Notwendigkeit des Besitzes der Kohlen und Erze, der Forsten und Acker des reichen Oberschlesien wird dem Volke Tag für Tag von der Kanzel, von Agitatoren und der Presse eingehämmert. Diese Agitation, die in Deutschland viel zu wenig beachtet wurde, hat das polnische Volk von der verzweifelten Lage im Innern Polens abgelenkt und alle Kreise für die Ansicht gewonnen, daß Polen mit allen Mitteln, letzten Endes mit Gewalt verhindern muß, daß Oberschlesien bei Deutschland bleibt. Die Mittel, mit denen man Oberschlesien gewinnen will, sind, wie ein¬ geweihte Kreise hier offen erzählen, kurz folgende: Die von Korfanty geleitete, mit französischem Gelde unterstützte Agitation in Oberschlesien hat nach Ansicht der Regierungskreise fast alle polnisch sprechenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/56>, abgerufen am 27.06.2024.