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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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IVeltspiegel

Weltspiegel

Die Genfer Völkcrbundsoersammlung. "Hinter dem letzten Berg," heißt
es von dem Helden eines kaukasischen Märchens, "traf er einen Greis mit schnee¬
weißem Bart, der saß da und nähte die Spalten im Wege zusammen, die sich
von der Hitze gebildet hatten. "Sei gegrüßt, Alter,' möge dir dein Werk nicht
gelingen," sagte der Reiter. "Sei auch du gegrüßt, mein Sohn, möge auch
dein Werk nicht gelingen," antwortete der Greis "

So etwa sprechen auch ein großer Teil von Deutschlands öffentlicher
Meinung und die Voirämpfer' des Völkerbundes miteinander. 'Aber ein noch
größerer Teil dieser öffentlichen Meinung weiß überhaupt nicht, was er sagen
soll. Und doch ist notwendig, daß jeder einzelne sich über die ideelle und politische
Bedeutung des Völkerbundproblems klar werde. Es genügt nicht, einfach zu
sagen, der Völkerbund ist eine Utopie. Auch Utopien haben Wirkungen. Es
genügt nicht zu sagen,! er ist ein Feindbund, mit dem wir nichts zu tun haben
wollen, Vogelstraußpolitik ist von jeher die schlimmste gewesen. Es genügt auch
nicht, darauf hinzuweisen, daß die Genfer Verhandlungen wenig oder gar keine
praktischen Ergebnisse gezeitigt hätten und daher gleichgültig wären. Wo
bedeutende Staatsmänner aus aller Welt wochenlang zusammenkommen, sind
irgendwelche Ergebnisse unvermeidlich -- schon das gegenseitige offizielle und
inoffizielle Kennenlernen ist wichtig --, und auf alle Fälle bieten derartige Ver¬
handlungen, selbst wenn sie wie in Genf unter Aufbietung vieler diplomatischer
Geschicklichkeit sorgfältig für die Öffentlichkeit arrangiert sind, einen sehr beachtens¬
werten Gradmesser der derzeitigen politischen Machmerhältnisse.

Um jeder Mißdeutung von feiten vorschnell Urteilender auszuweichen, muß
ich die persönliche Bemerkung vorausschicken, daß ich für meinen Teil weder an
die Möglichkeit eines Völkerfriedens im allgemeinen, noch an die ideale Beschaffen¬
heit des bestehenden Völkerbundes glaube oder jemals geglaubt habe. Ich halte
den Völkerbund nicht einmal für wünschenswert und glaube nicht, daß ein auf¬
stehendes Volk ihn überhaupt für wünschenswert halten kann, da er, in seiner
jetzigen Form sicher, in irgendeiner Form, falls er wirklich alle Völker umfaßt,
wohl immer, den sea,tus "juo verewigt. Dennoch halte ich die eingangs gekenn¬
zeichnete Stellungnahme zum Problem für unrichtig, da es eine unpolitische
Stellungnahme ist und da sie auf Deutschland ein zweideutiges Licht wirft.

Zunächst ist zu scheiden zwischen der idealen Konzeption und der politischen
Verwirklichung. Daß ein wahrer Völkerbund eine große und erhabene Idee ist,
wer wollte das leugnen? Daß er sich nicht verwirklichen läßt, würde an sich
nicht gegen ihn sprechen, das liegt in der Natur aller Ideale. Auch das
Christentum ist bespöttelt und angezweifelt worden, auch das Christentum ist in
seinen letzten Konsequenzen auf Erden restlos vielleicht nicht durchführbar, auch
christliche Tendenzen haben nachweislich Kräfte, die von andern für lebenswichtig
und notwendig gehalten werden, zersetzt und geschwächt, auch die Form, in der
das Christentum sich, in der Kirche, realisiert hat, weist Mängel auf. Dennoch
hat die Idee des Christentums die Welt umgestaltet. Warum nicht auch die
des Völkerbundes? Nichts ist würdeloser als das grundsätzlich voreingenommene
Kleinkrämermißtrauen, das in jeder neuen Idee nur eine Finte, übers Ohr
gehauen zu werden, wittert. Es ist Unsinn leugnen zu wollen, daß es in neu¬
tralen sowohl wie feindlichen Ländern eine ganze Anzahl Idealisten gibt, die
ehrlich an die Möglichkeit eines wahren und reinen Völkerbundes glauben.
Warum sollten nicht ebenso ehrlich überzeugte Deutsche, womit ich natürlich nicht
gerade alle diejenigen meine, die bei uns öffentlich für diese Idee eingetreten sind,
mit jenen zusammen erörtern, wie ihre Idee, ihr Glaube verwirklicht werden
kann. Es ist sogar höchste Zeit, daß das geschieht, wenn nicht die ganze Idee
wieder unter den Trümmern Europas endgültig begraben werden soll.

Denn der Völkerbund, wie er jetzt ist, ist mit den Mängeln seines real¬
politischen, sozusagen irdischen Ursprungs allzu schwer belastet, um auf die Dauer


IVeltspiegel

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Die Genfer Völkcrbundsoersammlung. „Hinter dem letzten Berg," heißt
es von dem Helden eines kaukasischen Märchens, „traf er einen Greis mit schnee¬
weißem Bart, der saß da und nähte die Spalten im Wege zusammen, die sich
von der Hitze gebildet hatten. „Sei gegrüßt, Alter,' möge dir dein Werk nicht
gelingen," sagte der Reiter. „Sei auch du gegrüßt, mein Sohn, möge auch
dein Werk nicht gelingen," antwortete der Greis "

So etwa sprechen auch ein großer Teil von Deutschlands öffentlicher
Meinung und die Voirämpfer' des Völkerbundes miteinander. 'Aber ein noch
größerer Teil dieser öffentlichen Meinung weiß überhaupt nicht, was er sagen
soll. Und doch ist notwendig, daß jeder einzelne sich über die ideelle und politische
Bedeutung des Völkerbundproblems klar werde. Es genügt nicht, einfach zu
sagen, der Völkerbund ist eine Utopie. Auch Utopien haben Wirkungen. Es
genügt nicht zu sagen,! er ist ein Feindbund, mit dem wir nichts zu tun haben
wollen, Vogelstraußpolitik ist von jeher die schlimmste gewesen. Es genügt auch
nicht, darauf hinzuweisen, daß die Genfer Verhandlungen wenig oder gar keine
praktischen Ergebnisse gezeitigt hätten und daher gleichgültig wären. Wo
bedeutende Staatsmänner aus aller Welt wochenlang zusammenkommen, sind
irgendwelche Ergebnisse unvermeidlich — schon das gegenseitige offizielle und
inoffizielle Kennenlernen ist wichtig —, und auf alle Fälle bieten derartige Ver¬
handlungen, selbst wenn sie wie in Genf unter Aufbietung vieler diplomatischer
Geschicklichkeit sorgfältig für die Öffentlichkeit arrangiert sind, einen sehr beachtens¬
werten Gradmesser der derzeitigen politischen Machmerhältnisse.

Um jeder Mißdeutung von feiten vorschnell Urteilender auszuweichen, muß
ich die persönliche Bemerkung vorausschicken, daß ich für meinen Teil weder an
die Möglichkeit eines Völkerfriedens im allgemeinen, noch an die ideale Beschaffen¬
heit des bestehenden Völkerbundes glaube oder jemals geglaubt habe. Ich halte
den Völkerbund nicht einmal für wünschenswert und glaube nicht, daß ein auf¬
stehendes Volk ihn überhaupt für wünschenswert halten kann, da er, in seiner
jetzigen Form sicher, in irgendeiner Form, falls er wirklich alle Völker umfaßt,
wohl immer, den sea,tus «juo verewigt. Dennoch halte ich die eingangs gekenn¬
zeichnete Stellungnahme zum Problem für unrichtig, da es eine unpolitische
Stellungnahme ist und da sie auf Deutschland ein zweideutiges Licht wirft.

Zunächst ist zu scheiden zwischen der idealen Konzeption und der politischen
Verwirklichung. Daß ein wahrer Völkerbund eine große und erhabene Idee ist,
wer wollte das leugnen? Daß er sich nicht verwirklichen läßt, würde an sich
nicht gegen ihn sprechen, das liegt in der Natur aller Ideale. Auch das
Christentum ist bespöttelt und angezweifelt worden, auch das Christentum ist in
seinen letzten Konsequenzen auf Erden restlos vielleicht nicht durchführbar, auch
christliche Tendenzen haben nachweislich Kräfte, die von andern für lebenswichtig
und notwendig gehalten werden, zersetzt und geschwächt, auch die Form, in der
das Christentum sich, in der Kirche, realisiert hat, weist Mängel auf. Dennoch
hat die Idee des Christentums die Welt umgestaltet. Warum nicht auch die
des Völkerbundes? Nichts ist würdeloser als das grundsätzlich voreingenommene
Kleinkrämermißtrauen, das in jeder neuen Idee nur eine Finte, übers Ohr
gehauen zu werden, wittert. Es ist Unsinn leugnen zu wollen, daß es in neu¬
tralen sowohl wie feindlichen Ländern eine ganze Anzahl Idealisten gibt, die
ehrlich an die Möglichkeit eines wahren und reinen Völkerbundes glauben.
Warum sollten nicht ebenso ehrlich überzeugte Deutsche, womit ich natürlich nicht
gerade alle diejenigen meine, die bei uns öffentlich für diese Idee eingetreten sind,
mit jenen zusammen erörtern, wie ihre Idee, ihr Glaube verwirklicht werden
kann. Es ist sogar höchste Zeit, daß das geschieht, wenn nicht die ganze Idee
wieder unter den Trümmern Europas endgültig begraben werden soll.

Denn der Völkerbund, wie er jetzt ist, ist mit den Mängeln seines real¬
politischen, sozusagen irdischen Ursprungs allzu schwer belastet, um auf die Dauer


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[0038] IVeltspiegel Weltspiegel Die Genfer Völkcrbundsoersammlung. „Hinter dem letzten Berg," heißt es von dem Helden eines kaukasischen Märchens, „traf er einen Greis mit schnee¬ weißem Bart, der saß da und nähte die Spalten im Wege zusammen, die sich von der Hitze gebildet hatten. „Sei gegrüßt, Alter,' möge dir dein Werk nicht gelingen," sagte der Reiter. „Sei auch du gegrüßt, mein Sohn, möge auch dein Werk nicht gelingen," antwortete der Greis " So etwa sprechen auch ein großer Teil von Deutschlands öffentlicher Meinung und die Voirämpfer' des Völkerbundes miteinander. 'Aber ein noch größerer Teil dieser öffentlichen Meinung weiß überhaupt nicht, was er sagen soll. Und doch ist notwendig, daß jeder einzelne sich über die ideelle und politische Bedeutung des Völkerbundproblems klar werde. Es genügt nicht, einfach zu sagen, der Völkerbund ist eine Utopie. Auch Utopien haben Wirkungen. Es genügt nicht zu sagen,! er ist ein Feindbund, mit dem wir nichts zu tun haben wollen, Vogelstraußpolitik ist von jeher die schlimmste gewesen. Es genügt auch nicht, darauf hinzuweisen, daß die Genfer Verhandlungen wenig oder gar keine praktischen Ergebnisse gezeitigt hätten und daher gleichgültig wären. Wo bedeutende Staatsmänner aus aller Welt wochenlang zusammenkommen, sind irgendwelche Ergebnisse unvermeidlich — schon das gegenseitige offizielle und inoffizielle Kennenlernen ist wichtig —, und auf alle Fälle bieten derartige Ver¬ handlungen, selbst wenn sie wie in Genf unter Aufbietung vieler diplomatischer Geschicklichkeit sorgfältig für die Öffentlichkeit arrangiert sind, einen sehr beachtens¬ werten Gradmesser der derzeitigen politischen Machmerhältnisse. Um jeder Mißdeutung von feiten vorschnell Urteilender auszuweichen, muß ich die persönliche Bemerkung vorausschicken, daß ich für meinen Teil weder an die Möglichkeit eines Völkerfriedens im allgemeinen, noch an die ideale Beschaffen¬ heit des bestehenden Völkerbundes glaube oder jemals geglaubt habe. Ich halte den Völkerbund nicht einmal für wünschenswert und glaube nicht, daß ein auf¬ stehendes Volk ihn überhaupt für wünschenswert halten kann, da er, in seiner jetzigen Form sicher, in irgendeiner Form, falls er wirklich alle Völker umfaßt, wohl immer, den sea,tus «juo verewigt. Dennoch halte ich die eingangs gekenn¬ zeichnete Stellungnahme zum Problem für unrichtig, da es eine unpolitische Stellungnahme ist und da sie auf Deutschland ein zweideutiges Licht wirft. Zunächst ist zu scheiden zwischen der idealen Konzeption und der politischen Verwirklichung. Daß ein wahrer Völkerbund eine große und erhabene Idee ist, wer wollte das leugnen? Daß er sich nicht verwirklichen läßt, würde an sich nicht gegen ihn sprechen, das liegt in der Natur aller Ideale. Auch das Christentum ist bespöttelt und angezweifelt worden, auch das Christentum ist in seinen letzten Konsequenzen auf Erden restlos vielleicht nicht durchführbar, auch christliche Tendenzen haben nachweislich Kräfte, die von andern für lebenswichtig und notwendig gehalten werden, zersetzt und geschwächt, auch die Form, in der das Christentum sich, in der Kirche, realisiert hat, weist Mängel auf. Dennoch hat die Idee des Christentums die Welt umgestaltet. Warum nicht auch die des Völkerbundes? Nichts ist würdeloser als das grundsätzlich voreingenommene Kleinkrämermißtrauen, das in jeder neuen Idee nur eine Finte, übers Ohr gehauen zu werden, wittert. Es ist Unsinn leugnen zu wollen, daß es in neu¬ tralen sowohl wie feindlichen Ländern eine ganze Anzahl Idealisten gibt, die ehrlich an die Möglichkeit eines wahren und reinen Völkerbundes glauben. Warum sollten nicht ebenso ehrlich überzeugte Deutsche, womit ich natürlich nicht gerade alle diejenigen meine, die bei uns öffentlich für diese Idee eingetreten sind, mit jenen zusammen erörtern, wie ihre Idee, ihr Glaube verwirklicht werden kann. Es ist sogar höchste Zeit, daß das geschieht, wenn nicht die ganze Idee wieder unter den Trümmern Europas endgültig begraben werden soll. Denn der Völkerbund, wie er jetzt ist, ist mit den Mängeln seines real¬ politischen, sozusagen irdischen Ursprungs allzu schwer belastet, um auf die Dauer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/38>, abgerufen am 27.06.2024.