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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Aus türkischen Derwischklöstern

gegenan durch die enge Felsenstraße und trübe Regenstimmung verhüllt die Berge.
Wir hatten uns. auf sehr schweres Wetter gefaßt gemacht. Aber merkwürdigerweise
wurde es nicht so Schwinn. Es wehte draußen noch recht frisch mit Stärke 5--S
gegenan, aber der Seegang und die Dünung waren dafür erstaunlich gering, das
Schiff nahm beides mit Leichtigkeit, ohne viel Wasser zu nehmen.

Am nächsten Morgen staute der Wind sehr ab und jetzt stand nur noch eine
lange, allerdings ziemlich hohe Dünung etwas achterlicher als quer.

Das Schiff lag dabei ausgezeichnet. Der Kamm der Dünung stand oft ein gut
Teil höher wie die Schanze. Aber das Schiff hob sich langsam herüber und parierte
den Anlauf der See mit einer Leichtigkeit, daß kein Tropfen Wasser an Deck kam.




Aus türkischen Derwischklöstern
Professor Georg Jacob Mitteilungen und Betrachtungen von

ter den Geist des Urchristentums im modernen Orient sucht, der
wird schwerlich viel von ihm in dem äußerlichen Kult orientalischer
Kirchen und in der an Manichäertum gemahnenden Lichtverehrung
der griechischen Kirche entdecken, erstaunt aber wird er sein, wie
oft- neutestamentliche Parallelen ihm im Leben der Derwische unter
der Maske des Islam entgegentreten. Da findet er neben manchen Auswüchsen
noch bisweilen fromme Jünger, deren transparente Haut und Schwärmerblick von
Fasten und Neigung zu Visionen zeugt, demütig geschaart um verehrte Meister
von achtungsgebietendem Auftreten, die irdisches Gut gering achten, weil sie die
Liebe zur Gottheit ganz erfüllt und sie bereits hienieden die Gemeinschaft mit
ihr erstreben. Der Heilige, der dieses Mysteriums teilhaftig wird, gilt für begabt
mit überirdischen Kräften j er vermag Kranke zu heilen, Vermehrungswunder zu
verrichten, auf dem Wasser zu wandeln ^) und besitzt vorschauendes Wissen, das
sich besonders auch in der Vorhersage seines Todes kundgibt. Schon Buddha
sagte voraus, daß er in 3 Monaten ins Nirwana eingehen werde) Erdbeben und
Donner begleiteten diese seine Worte wie sein Hinscheiden^). Der Kosmograph
Qazwwt (13. Jahrh.) erzählt von einem Heiligen seiner Vaterstadt eine ähnliche
Todesankündigung"), auch bei diesem geraten die Elemente in Aufruhr. Die Beispiele
aus der islamischen Literatur ließen sich leicht vermehren/die Todesankündigung
erfolgt meist im Kreise der Jünger/ man könnte zunächst wohl an einen Nachklang





") Symbolisch umgedeutet: Hafis ed. Brockhaus Ur. 610, 7.
") OldenbergS Buddha, 2. Aufl., S. 214-9.
--) II., S. 269, Z. 20 ff.
Is-
Aus türkischen Derwischklöstern

gegenan durch die enge Felsenstraße und trübe Regenstimmung verhüllt die Berge.
Wir hatten uns. auf sehr schweres Wetter gefaßt gemacht. Aber merkwürdigerweise
wurde es nicht so Schwinn. Es wehte draußen noch recht frisch mit Stärke 5—S
gegenan, aber der Seegang und die Dünung waren dafür erstaunlich gering, das
Schiff nahm beides mit Leichtigkeit, ohne viel Wasser zu nehmen.

Am nächsten Morgen staute der Wind sehr ab und jetzt stand nur noch eine
lange, allerdings ziemlich hohe Dünung etwas achterlicher als quer.

Das Schiff lag dabei ausgezeichnet. Der Kamm der Dünung stand oft ein gut
Teil höher wie die Schanze. Aber das Schiff hob sich langsam herüber und parierte
den Anlauf der See mit einer Leichtigkeit, daß kein Tropfen Wasser an Deck kam.




Aus türkischen Derwischklöstern
Professor Georg Jacob Mitteilungen und Betrachtungen von

ter den Geist des Urchristentums im modernen Orient sucht, der
wird schwerlich viel von ihm in dem äußerlichen Kult orientalischer
Kirchen und in der an Manichäertum gemahnenden Lichtverehrung
der griechischen Kirche entdecken, erstaunt aber wird er sein, wie
oft- neutestamentliche Parallelen ihm im Leben der Derwische unter
der Maske des Islam entgegentreten. Da findet er neben manchen Auswüchsen
noch bisweilen fromme Jünger, deren transparente Haut und Schwärmerblick von
Fasten und Neigung zu Visionen zeugt, demütig geschaart um verehrte Meister
von achtungsgebietendem Auftreten, die irdisches Gut gering achten, weil sie die
Liebe zur Gottheit ganz erfüllt und sie bereits hienieden die Gemeinschaft mit
ihr erstreben. Der Heilige, der dieses Mysteriums teilhaftig wird, gilt für begabt
mit überirdischen Kräften j er vermag Kranke zu heilen, Vermehrungswunder zu
verrichten, auf dem Wasser zu wandeln ^) und besitzt vorschauendes Wissen, das
sich besonders auch in der Vorhersage seines Todes kundgibt. Schon Buddha
sagte voraus, daß er in 3 Monaten ins Nirwana eingehen werde) Erdbeben und
Donner begleiteten diese seine Worte wie sein Hinscheiden^). Der Kosmograph
Qazwwt (13. Jahrh.) erzählt von einem Heiligen seiner Vaterstadt eine ähnliche
Todesankündigung"), auch bei diesem geraten die Elemente in Aufruhr. Die Beispiele
aus der islamischen Literatur ließen sich leicht vermehren/die Todesankündigung
erfolgt meist im Kreise der Jünger/ man könnte zunächst wohl an einen Nachklang





») Symbolisch umgedeutet: Hafis ed. Brockhaus Ur. 610, 7.
») OldenbergS Buddha, 2. Aufl., S. 214-9.
--) II., S. 269, Z. 20 ff.
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[0241] Aus türkischen Derwischklöstern gegenan durch die enge Felsenstraße und trübe Regenstimmung verhüllt die Berge. Wir hatten uns. auf sehr schweres Wetter gefaßt gemacht. Aber merkwürdigerweise wurde es nicht so Schwinn. Es wehte draußen noch recht frisch mit Stärke 5—S gegenan, aber der Seegang und die Dünung waren dafür erstaunlich gering, das Schiff nahm beides mit Leichtigkeit, ohne viel Wasser zu nehmen. Am nächsten Morgen staute der Wind sehr ab und jetzt stand nur noch eine lange, allerdings ziemlich hohe Dünung etwas achterlicher als quer. Das Schiff lag dabei ausgezeichnet. Der Kamm der Dünung stand oft ein gut Teil höher wie die Schanze. Aber das Schiff hob sich langsam herüber und parierte den Anlauf der See mit einer Leichtigkeit, daß kein Tropfen Wasser an Deck kam. Aus türkischen Derwischklöstern Professor Georg Jacob Mitteilungen und Betrachtungen von ter den Geist des Urchristentums im modernen Orient sucht, der wird schwerlich viel von ihm in dem äußerlichen Kult orientalischer Kirchen und in der an Manichäertum gemahnenden Lichtverehrung der griechischen Kirche entdecken, erstaunt aber wird er sein, wie oft- neutestamentliche Parallelen ihm im Leben der Derwische unter der Maske des Islam entgegentreten. Da findet er neben manchen Auswüchsen noch bisweilen fromme Jünger, deren transparente Haut und Schwärmerblick von Fasten und Neigung zu Visionen zeugt, demütig geschaart um verehrte Meister von achtungsgebietendem Auftreten, die irdisches Gut gering achten, weil sie die Liebe zur Gottheit ganz erfüllt und sie bereits hienieden die Gemeinschaft mit ihr erstreben. Der Heilige, der dieses Mysteriums teilhaftig wird, gilt für begabt mit überirdischen Kräften j er vermag Kranke zu heilen, Vermehrungswunder zu verrichten, auf dem Wasser zu wandeln ^) und besitzt vorschauendes Wissen, das sich besonders auch in der Vorhersage seines Todes kundgibt. Schon Buddha sagte voraus, daß er in 3 Monaten ins Nirwana eingehen werde) Erdbeben und Donner begleiteten diese seine Worte wie sein Hinscheiden^). Der Kosmograph Qazwwt (13. Jahrh.) erzählt von einem Heiligen seiner Vaterstadt eine ähnliche Todesankündigung"), auch bei diesem geraten die Elemente in Aufruhr. Die Beispiele aus der islamischen Literatur ließen sich leicht vermehren/die Todesankündigung erfolgt meist im Kreise der Jünger/ man könnte zunächst wohl an einen Nachklang ») Symbolisch umgedeutet: Hafis ed. Brockhaus Ur. 610, 7. ») OldenbergS Buddha, 2. Aufl., S. 214-9. --) II., S. 269, Z. 20 ff. Is-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/241>, abgerufen am 27.06.2024.