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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Federstriche

Es geht los! Man hat den Spardiktator weit
Und breit bisher verlacht.
Doch jetzt wird mit der Sparsamkeit
Mal wirklich Ernst gemacht.
Die üpp'ge Geldbewilligung
Hört auf! Denn, kurz gesagt,
Der "Ausschuß für Vertnlligung",
Jawoll, der hat getagt!
Jawoll, die Sparsamkeit im Reich
Wirft macht'ge Wellen jetzt.
Ein Unter-Ausschuß ward sogleich
Vom Ausschuß eingesetzt.
Die große Denkschrift -- wußt' ich's doch! --
Hält Doktor Carl bereit.
Selbst der Herr Reichsminister Koch
Ist sehr für Sparsamkeit.
Wenn sie auch nicht schon heut beginnt,
So steht sie vor der Tür.
Die zustand'gen Behörden sind,
Sind allesamt dafür.
Versprechungen, schön aufgereiht,
Und Bücher, hochgelahrt,
Und Reden über Sparsamkeit! --
Uns bleibt doch nichts erspart!
Federstriche
parteiamtliche Wissenschaft

Die Universität Frankfurt wird seit diesem Jahr aus staatlichen Mitteln
am Leben erhalten. Die Bedingung dafür bildete die Bereitwilligkeit des Lehr¬
körpers zur Teilnahme an einer neu zu gründenden Akademie der Arbeit.
Kürzlich hat nun in Frankfurt durch Minister Hänisch die Gründung dieser
Akademie in enger Verbindung mit der Universität stattgefunden. In dieser
Akademie sollen die künftigen politischen und wirtschaftlichen Führer der Arbeit
aus dem Arbeiterstande selbst unter staatlicher Pflege herausgebildet werden. An
Stelle der ursprünglich vorgesehenen vier Semester hat man sich schließlich daraus
geeinigt, zwei Semester als genügend anzusehen. Es braucht also, um einen
staatlich geprüften Volksführer hochzuzüchten, nur etwa den vierten Teil der Zeit,
die es zur Ausbrütung eines Arztes oder Oberlehrers bedarf, wobei von den
kleinen Unterschieden der Schulvorbildung natürlich überhaupt abzusehen ist. Als
Ersatz für das gestrichene dritte und vierte Semester soll nun aber im zweiten
(Schluß) Semester, wie es in der Pressenotiz hübsch heißt, "die Weltauffassung
der Arbeiter" berücksichtigt werden. "Die Arbeiter stünden größtenteils auf
marxistischen Boden und verlangten für diesen Unterricht Lehrer ihrer Auffassung.
Diese Bedingung sollte vertraglich festgelegt werden, damit die Rechtsnachfolger
des Portefeuilles sich danach richten müßten. Kultusminister Hänisch erklärte,
die Regierung sei grundsätzlich bereit, den Unterricht im zweiten Semester durch
Männer des Vertrauens der Arbeiter erteilen zu lassen, die in Fragen der Welt¬
anschauung ihren Ansichten entsprechen....."

Auch ist der Universität Frankfurt aus Staatsmitteln ein besonderer Fonds
"Ewige Walze" überwiesen worden, um die vertraglich festgelegte Weltanschauung
des si. Marx auch nach dem Aussterben des letzten Marxisten mindestens
bis zur völligen Erkaltung der Erdrinde vom dortigen Katheder herab spielen
v. s. zu lassen.


Das parlamentarische Sorgenkind

Seit Weihnachten sind die Väter und Paten des parlamentarisch regierten
Staates immer heftiger mit öffentlichen Klagen über die Arbeitsweise des Reichs¬
tags hervorgetreten. Gegen die viele Rederei hat der sozialdemokratische Reichs¬
tagspräsident Lobe die Flucht in die Öffentlichkeit ergriffen. Die "Frankfurter
Zeitung" schrieb im Dezember mehrfach über "parlamentarische Mißstände",
"unhaltbare Zustände" im Reichstag, der mit dem "Brandmal der Beschlu߬
unfähigkeit" in die Weihnachtsferien ging, der den Etat in einem Augenblick noch
nicht fertiggestellt hat, wo bereits Dreiviertel des Etatsjahres vorüber sind.
"Weitaus der größere Teil des ganzen Haushalts muß erst noch den Hauptausschuß
durchlaufen, und man kann sich deutlich vorstellen, daß das Parlament die Etats¬
beratung im günstigsten Falle gerade beenden wird, wenn das Etatsjahr im
März zu Ende geht. So können die Dinge unmöglich weitergehen." Um die
durch parteipolitische Tiraden vor leeren Bänken vergeudete Zeit wieder herein¬
zuholen, wurden wichtigste Gesetze zuletzt in atemraubendem Tempo aufs ober¬
flächlichste durchgepeitscht. Allgemein wird geklagt, daß ein Abgeordneter, der der
Debatte wirklich folgen wollte, geistig verblöden müßte. Die Besserungsvorschläge,
die von den Freunden des, Parlamentarismus vorgebracht werden, gehen aber
alle darauf aus, die sachliche Aushöhlung der Plenarberatungen, die heute einen
kaum mehr übersteiglichen Grad erreicht hat, noch weiter zu fördern und die
eigentliche Arbeitsleistung noch mehr in die Ausschüsse zu verlegen. Gerade das
Gegenteil ist in dem klassischen Land des Parlamentarismus der Fall. England
kennt geschlossene Ausschußsitzungen überhaupt nicht. Dafür hat das englische


Federstriche

Es geht los! Man hat den Spardiktator weit
Und breit bisher verlacht.
Doch jetzt wird mit der Sparsamkeit
Mal wirklich Ernst gemacht.
Die üpp'ge Geldbewilligung
Hört auf! Denn, kurz gesagt,
Der „Ausschuß für Vertnlligung",
Jawoll, der hat getagt!
Jawoll, die Sparsamkeit im Reich
Wirft macht'ge Wellen jetzt.
Ein Unter-Ausschuß ward sogleich
Vom Ausschuß eingesetzt.
Die große Denkschrift — wußt' ich's doch! —
Hält Doktor Carl bereit.
Selbst der Herr Reichsminister Koch
Ist sehr für Sparsamkeit.
Wenn sie auch nicht schon heut beginnt,
So steht sie vor der Tür.
Die zustand'gen Behörden sind,
Sind allesamt dafür.
Versprechungen, schön aufgereiht,
Und Bücher, hochgelahrt,
Und Reden über Sparsamkeit! —
Uns bleibt doch nichts erspart!
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Die Universität Frankfurt wird seit diesem Jahr aus staatlichen Mitteln
am Leben erhalten. Die Bedingung dafür bildete die Bereitwilligkeit des Lehr¬
körpers zur Teilnahme an einer neu zu gründenden Akademie der Arbeit.
Kürzlich hat nun in Frankfurt durch Minister Hänisch die Gründung dieser
Akademie in enger Verbindung mit der Universität stattgefunden. In dieser
Akademie sollen die künftigen politischen und wirtschaftlichen Führer der Arbeit
aus dem Arbeiterstande selbst unter staatlicher Pflege herausgebildet werden. An
Stelle der ursprünglich vorgesehenen vier Semester hat man sich schließlich daraus
geeinigt, zwei Semester als genügend anzusehen. Es braucht also, um einen
staatlich geprüften Volksführer hochzuzüchten, nur etwa den vierten Teil der Zeit,
die es zur Ausbrütung eines Arztes oder Oberlehrers bedarf, wobei von den
kleinen Unterschieden der Schulvorbildung natürlich überhaupt abzusehen ist. Als
Ersatz für das gestrichene dritte und vierte Semester soll nun aber im zweiten
(Schluß) Semester, wie es in der Pressenotiz hübsch heißt, „die Weltauffassung
der Arbeiter" berücksichtigt werden. „Die Arbeiter stünden größtenteils auf
marxistischen Boden und verlangten für diesen Unterricht Lehrer ihrer Auffassung.
Diese Bedingung sollte vertraglich festgelegt werden, damit die Rechtsnachfolger
des Portefeuilles sich danach richten müßten. Kultusminister Hänisch erklärte,
die Regierung sei grundsätzlich bereit, den Unterricht im zweiten Semester durch
Männer des Vertrauens der Arbeiter erteilen zu lassen, die in Fragen der Welt¬
anschauung ihren Ansichten entsprechen....."

Auch ist der Universität Frankfurt aus Staatsmitteln ein besonderer Fonds
„Ewige Walze" überwiesen worden, um die vertraglich festgelegte Weltanschauung
des si. Marx auch nach dem Aussterben des letzten Marxisten mindestens
bis zur völligen Erkaltung der Erdrinde vom dortigen Katheder herab spielen
v. s. zu lassen.


Das parlamentarische Sorgenkind

Seit Weihnachten sind die Väter und Paten des parlamentarisch regierten
Staates immer heftiger mit öffentlichen Klagen über die Arbeitsweise des Reichs¬
tags hervorgetreten. Gegen die viele Rederei hat der sozialdemokratische Reichs¬
tagspräsident Lobe die Flucht in die Öffentlichkeit ergriffen. Die „Frankfurter
Zeitung" schrieb im Dezember mehrfach über „parlamentarische Mißstände",
„unhaltbare Zustände" im Reichstag, der mit dem „Brandmal der Beschlu߬
unfähigkeit" in die Weihnachtsferien ging, der den Etat in einem Augenblick noch
nicht fertiggestellt hat, wo bereits Dreiviertel des Etatsjahres vorüber sind.
„Weitaus der größere Teil des ganzen Haushalts muß erst noch den Hauptausschuß
durchlaufen, und man kann sich deutlich vorstellen, daß das Parlament die Etats¬
beratung im günstigsten Falle gerade beenden wird, wenn das Etatsjahr im
März zu Ende geht. So können die Dinge unmöglich weitergehen." Um die
durch parteipolitische Tiraden vor leeren Bänken vergeudete Zeit wieder herein¬
zuholen, wurden wichtigste Gesetze zuletzt in atemraubendem Tempo aufs ober¬
flächlichste durchgepeitscht. Allgemein wird geklagt, daß ein Abgeordneter, der der
Debatte wirklich folgen wollte, geistig verblöden müßte. Die Besserungsvorschläge,
die von den Freunden des, Parlamentarismus vorgebracht werden, gehen aber
alle darauf aus, die sachliche Aushöhlung der Plenarberatungen, die heute einen
kaum mehr übersteiglichen Grad erreicht hat, noch weiter zu fördern und die
eigentliche Arbeitsleistung noch mehr in die Ausschüsse zu verlegen. Gerade das
Gegenteil ist in dem klassischen Land des Parlamentarismus der Fall. England
kennt geschlossene Ausschußsitzungen überhaupt nicht. Dafür hat das englische


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[0172] Federstriche Es geht los! Man hat den Spardiktator weit Und breit bisher verlacht. Doch jetzt wird mit der Sparsamkeit Mal wirklich Ernst gemacht. Die üpp'ge Geldbewilligung Hört auf! Denn, kurz gesagt, Der „Ausschuß für Vertnlligung", Jawoll, der hat getagt! Jawoll, die Sparsamkeit im Reich Wirft macht'ge Wellen jetzt. Ein Unter-Ausschuß ward sogleich Vom Ausschuß eingesetzt. Die große Denkschrift — wußt' ich's doch! — Hält Doktor Carl bereit. Selbst der Herr Reichsminister Koch Ist sehr für Sparsamkeit. Wenn sie auch nicht schon heut beginnt, So steht sie vor der Tür. Die zustand'gen Behörden sind, Sind allesamt dafür. Versprechungen, schön aufgereiht, Und Bücher, hochgelahrt, Und Reden über Sparsamkeit! — Uns bleibt doch nichts erspart! Federstriche parteiamtliche Wissenschaft Die Universität Frankfurt wird seit diesem Jahr aus staatlichen Mitteln am Leben erhalten. Die Bedingung dafür bildete die Bereitwilligkeit des Lehr¬ körpers zur Teilnahme an einer neu zu gründenden Akademie der Arbeit. Kürzlich hat nun in Frankfurt durch Minister Hänisch die Gründung dieser Akademie in enger Verbindung mit der Universität stattgefunden. In dieser Akademie sollen die künftigen politischen und wirtschaftlichen Führer der Arbeit aus dem Arbeiterstande selbst unter staatlicher Pflege herausgebildet werden. An Stelle der ursprünglich vorgesehenen vier Semester hat man sich schließlich daraus geeinigt, zwei Semester als genügend anzusehen. Es braucht also, um einen staatlich geprüften Volksführer hochzuzüchten, nur etwa den vierten Teil der Zeit, die es zur Ausbrütung eines Arztes oder Oberlehrers bedarf, wobei von den kleinen Unterschieden der Schulvorbildung natürlich überhaupt abzusehen ist. Als Ersatz für das gestrichene dritte und vierte Semester soll nun aber im zweiten (Schluß) Semester, wie es in der Pressenotiz hübsch heißt, „die Weltauffassung der Arbeiter" berücksichtigt werden. „Die Arbeiter stünden größtenteils auf marxistischen Boden und verlangten für diesen Unterricht Lehrer ihrer Auffassung. Diese Bedingung sollte vertraglich festgelegt werden, damit die Rechtsnachfolger des Portefeuilles sich danach richten müßten. Kultusminister Hänisch erklärte, die Regierung sei grundsätzlich bereit, den Unterricht im zweiten Semester durch Männer des Vertrauens der Arbeiter erteilen zu lassen, die in Fragen der Welt¬ anschauung ihren Ansichten entsprechen....." Auch ist der Universität Frankfurt aus Staatsmitteln ein besonderer Fonds „Ewige Walze" überwiesen worden, um die vertraglich festgelegte Weltanschauung des si. Marx auch nach dem Aussterben des letzten Marxisten mindestens bis zur völligen Erkaltung der Erdrinde vom dortigen Katheder herab spielen v. s. zu lassen. Das parlamentarische Sorgenkind Seit Weihnachten sind die Väter und Paten des parlamentarisch regierten Staates immer heftiger mit öffentlichen Klagen über die Arbeitsweise des Reichs¬ tags hervorgetreten. Gegen die viele Rederei hat der sozialdemokratische Reichs¬ tagspräsident Lobe die Flucht in die Öffentlichkeit ergriffen. Die „Frankfurter Zeitung" schrieb im Dezember mehrfach über „parlamentarische Mißstände", „unhaltbare Zustände" im Reichstag, der mit dem „Brandmal der Beschlu߬ unfähigkeit" in die Weihnachtsferien ging, der den Etat in einem Augenblick noch nicht fertiggestellt hat, wo bereits Dreiviertel des Etatsjahres vorüber sind. „Weitaus der größere Teil des ganzen Haushalts muß erst noch den Hauptausschuß durchlaufen, und man kann sich deutlich vorstellen, daß das Parlament die Etats¬ beratung im günstigsten Falle gerade beenden wird, wenn das Etatsjahr im März zu Ende geht. So können die Dinge unmöglich weitergehen." Um die durch parteipolitische Tiraden vor leeren Bänken vergeudete Zeit wieder herein¬ zuholen, wurden wichtigste Gesetze zuletzt in atemraubendem Tempo aufs ober¬ flächlichste durchgepeitscht. Allgemein wird geklagt, daß ein Abgeordneter, der der Debatte wirklich folgen wollte, geistig verblöden müßte. Die Besserungsvorschläge, die von den Freunden des, Parlamentarismus vorgebracht werden, gehen aber alle darauf aus, die sachliche Aushöhlung der Plenarberatungen, die heute einen kaum mehr übersteiglichen Grad erreicht hat, noch weiter zu fördern und die eigentliche Arbeitsleistung noch mehr in die Ausschüsse zu verlegen. Gerade das Gegenteil ist in dem klassischen Land des Parlamentarismus der Fall. England kennt geschlossene Ausschußsitzungen überhaupt nicht. Dafür hat das englische

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/172>, abgerufen am 27.06.2024.