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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Zur Verteidigung der geschichtlichen Betrachtung

durch die deutsche Kolonialgesellschaft herausgegeben worden ist, auch nur für
Spezialgebiete sich eine erschöpfende Erkenntnis zu verschaffen. Es ist daher mit
großer Freude zu begrüßen, daß Dr. Heinrich Schnee in dem vor wenigen
Monaten von ihm herausgegebenen, drei Bände umfassenden deutschen Kolonial¬
lexikon uns ein Werk geschenkt hat, durch das wir mit einem Schlage aus dieser
Notlage befreit worden sind. Wir haben unseren Dank auch auf den Verlag von
Quelle et Meyer auszudehnen, der unter den schwierigen Verhältnissen der Gegen¬
wart die Drucklegung zu Ende geführt und dem Werk eine vornehme Aus¬
stattung mit reichem künstlerischen Schmuck gegeben hat.

Ist schon das Buch von Schnee "Deutsch-Ostafrika im Weltkriege", das
neben dem von Lettow-Vorbeck wohl das wertvollste Stück der kolonialen Kriegs¬
literatur darstellt -- ich erinnere dabei an die von seiner Gemahlin schon 1918
veröffentlichten "Erlebnisse während der Kriegszeit in Deutsch-Ostafrika" --, eine
bedeutende Leistung, so wird es doch durch Umfang, Inhalt und allgemeine Be¬
deutung durch das Koloniallexikon übertroffen. Dieses Lexikon ist eine große
Inventur des deutschen Kolonialwesens, das nach jahrelanger Vorbereitung vor
dem Kriege den Stand unserer Arbeit vor dessen Ausbruch wiedergibt. Aber
indem es die gesamte deutsche Kolonialgeschichte umspannt, faßt es zugleich unser
ganzes Wissen von unseren Kolonien zusammen. Alle Seiten der kolonialen
Arbeit, alle Gebiete, die sür sie in Betracht kommen, alle Phasen der Entwicklung
gelangen zur Darstellung und die Mitarbeit von 80 Fachmännern verbürgt die
Zuverlässigkeit des Dargebotenen. Im Blick auf den inzwischen eingetretenen
Verlust unserer Kolonien wirkt dieses Lexikon wie ein großer Rechenschaftsbericht
über die gesamte deutsche Kolonialarbeit und ist ein Vermächtnis für künftige
große, glückliche Zeiten. Mit Genugtuung stellen wir auch fest, daß kein anderes
Kolonialvolk ein ähnliches Werk auszuweisen hat.

Es fehlt uns fortan nicht an dem geistigen Rüstzeug, um den kolonialen
Gedanken zu pflegen.




Zur Verteidigung der geschichtlichen Betrachtung
Prof. Dr. G. v. Below, von

le geschichtliche Betrachtung ist schon wiederholt zum Gegenstand
der Kritik gemacht worden. Man hat in dieser Kritik wohl zwischen
Historismus und gesunder geschichtlicher Auffassung unter¬
schieden, aber doch auch die geschichtliche Betrachtung schlechthin
bekämpft. Allgegenwärtig sind uns Nietzsches Angriffe. Die
jüngste Zeit hat noch einiges Derbere hinzugefügt. Vor knapp zwei Jahren,
als noch manche ehrlich glaubten, die neue Demokratie werde uns zu neuer
Hohe hinaufführen, sprach ein Demokratenhäuptling das Wort, wir müßten
die aufgefahrenen Geleise der Geschichte verlassen, um vorwärts zu kommen.

Im folgenden möchte ich mich mit der Auffassung eines Autors aus¬
einandersetzen, der an andere, so namentlich auch an Nietzsche, anknüpft, aber


Zur Verteidigung der geschichtlichen Betrachtung

durch die deutsche Kolonialgesellschaft herausgegeben worden ist, auch nur für
Spezialgebiete sich eine erschöpfende Erkenntnis zu verschaffen. Es ist daher mit
großer Freude zu begrüßen, daß Dr. Heinrich Schnee in dem vor wenigen
Monaten von ihm herausgegebenen, drei Bände umfassenden deutschen Kolonial¬
lexikon uns ein Werk geschenkt hat, durch das wir mit einem Schlage aus dieser
Notlage befreit worden sind. Wir haben unseren Dank auch auf den Verlag von
Quelle et Meyer auszudehnen, der unter den schwierigen Verhältnissen der Gegen¬
wart die Drucklegung zu Ende geführt und dem Werk eine vornehme Aus¬
stattung mit reichem künstlerischen Schmuck gegeben hat.

Ist schon das Buch von Schnee „Deutsch-Ostafrika im Weltkriege", das
neben dem von Lettow-Vorbeck wohl das wertvollste Stück der kolonialen Kriegs¬
literatur darstellt — ich erinnere dabei an die von seiner Gemahlin schon 1918
veröffentlichten „Erlebnisse während der Kriegszeit in Deutsch-Ostafrika" —, eine
bedeutende Leistung, so wird es doch durch Umfang, Inhalt und allgemeine Be¬
deutung durch das Koloniallexikon übertroffen. Dieses Lexikon ist eine große
Inventur des deutschen Kolonialwesens, das nach jahrelanger Vorbereitung vor
dem Kriege den Stand unserer Arbeit vor dessen Ausbruch wiedergibt. Aber
indem es die gesamte deutsche Kolonialgeschichte umspannt, faßt es zugleich unser
ganzes Wissen von unseren Kolonien zusammen. Alle Seiten der kolonialen
Arbeit, alle Gebiete, die sür sie in Betracht kommen, alle Phasen der Entwicklung
gelangen zur Darstellung und die Mitarbeit von 80 Fachmännern verbürgt die
Zuverlässigkeit des Dargebotenen. Im Blick auf den inzwischen eingetretenen
Verlust unserer Kolonien wirkt dieses Lexikon wie ein großer Rechenschaftsbericht
über die gesamte deutsche Kolonialarbeit und ist ein Vermächtnis für künftige
große, glückliche Zeiten. Mit Genugtuung stellen wir auch fest, daß kein anderes
Kolonialvolk ein ähnliches Werk auszuweisen hat.

Es fehlt uns fortan nicht an dem geistigen Rüstzeug, um den kolonialen
Gedanken zu pflegen.




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le geschichtliche Betrachtung ist schon wiederholt zum Gegenstand
der Kritik gemacht worden. Man hat in dieser Kritik wohl zwischen
Historismus und gesunder geschichtlicher Auffassung unter¬
schieden, aber doch auch die geschichtliche Betrachtung schlechthin
bekämpft. Allgegenwärtig sind uns Nietzsches Angriffe. Die
jüngste Zeit hat noch einiges Derbere hinzugefügt. Vor knapp zwei Jahren,
als noch manche ehrlich glaubten, die neue Demokratie werde uns zu neuer
Hohe hinaufführen, sprach ein Demokratenhäuptling das Wort, wir müßten
die aufgefahrenen Geleise der Geschichte verlassen, um vorwärts zu kommen.

Im folgenden möchte ich mich mit der Auffassung eines Autors aus¬
einandersetzen, der an andere, so namentlich auch an Nietzsche, anknüpft, aber


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[0148] Zur Verteidigung der geschichtlichen Betrachtung durch die deutsche Kolonialgesellschaft herausgegeben worden ist, auch nur für Spezialgebiete sich eine erschöpfende Erkenntnis zu verschaffen. Es ist daher mit großer Freude zu begrüßen, daß Dr. Heinrich Schnee in dem vor wenigen Monaten von ihm herausgegebenen, drei Bände umfassenden deutschen Kolonial¬ lexikon uns ein Werk geschenkt hat, durch das wir mit einem Schlage aus dieser Notlage befreit worden sind. Wir haben unseren Dank auch auf den Verlag von Quelle et Meyer auszudehnen, der unter den schwierigen Verhältnissen der Gegen¬ wart die Drucklegung zu Ende geführt und dem Werk eine vornehme Aus¬ stattung mit reichem künstlerischen Schmuck gegeben hat. Ist schon das Buch von Schnee „Deutsch-Ostafrika im Weltkriege", das neben dem von Lettow-Vorbeck wohl das wertvollste Stück der kolonialen Kriegs¬ literatur darstellt — ich erinnere dabei an die von seiner Gemahlin schon 1918 veröffentlichten „Erlebnisse während der Kriegszeit in Deutsch-Ostafrika" —, eine bedeutende Leistung, so wird es doch durch Umfang, Inhalt und allgemeine Be¬ deutung durch das Koloniallexikon übertroffen. Dieses Lexikon ist eine große Inventur des deutschen Kolonialwesens, das nach jahrelanger Vorbereitung vor dem Kriege den Stand unserer Arbeit vor dessen Ausbruch wiedergibt. Aber indem es die gesamte deutsche Kolonialgeschichte umspannt, faßt es zugleich unser ganzes Wissen von unseren Kolonien zusammen. Alle Seiten der kolonialen Arbeit, alle Gebiete, die sür sie in Betracht kommen, alle Phasen der Entwicklung gelangen zur Darstellung und die Mitarbeit von 80 Fachmännern verbürgt die Zuverlässigkeit des Dargebotenen. Im Blick auf den inzwischen eingetretenen Verlust unserer Kolonien wirkt dieses Lexikon wie ein großer Rechenschaftsbericht über die gesamte deutsche Kolonialarbeit und ist ein Vermächtnis für künftige große, glückliche Zeiten. Mit Genugtuung stellen wir auch fest, daß kein anderes Kolonialvolk ein ähnliches Werk auszuweisen hat. Es fehlt uns fortan nicht an dem geistigen Rüstzeug, um den kolonialen Gedanken zu pflegen. Zur Verteidigung der geschichtlichen Betrachtung Prof. Dr. G. v. Below, von le geschichtliche Betrachtung ist schon wiederholt zum Gegenstand der Kritik gemacht worden. Man hat in dieser Kritik wohl zwischen Historismus und gesunder geschichtlicher Auffassung unter¬ schieden, aber doch auch die geschichtliche Betrachtung schlechthin bekämpft. Allgegenwärtig sind uns Nietzsches Angriffe. Die jüngste Zeit hat noch einiges Derbere hinzugefügt. Vor knapp zwei Jahren, als noch manche ehrlich glaubten, die neue Demokratie werde uns zu neuer Hohe hinaufführen, sprach ein Demokratenhäuptling das Wort, wir müßten die aufgefahrenen Geleise der Geschichte verlassen, um vorwärts zu kommen. Im folgenden möchte ich mich mit der Auffassung eines Autors aus¬ einandersetzen, der an andere, so namentlich auch an Nietzsche, anknüpft, aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/148>, abgerufen am 27.06.2024.