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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr.

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Die "konservative" Swatsidce

Den Anfang müßte Wohl im geschichtlichen Verlauf einer solchen Neubildung das
Auftreten und die Anerkennung einer wirklichen Autorität sein. Wo ist es denk
licher als in der Politik, daß der Geist sich den Körper, die Gesinnung die Ein-
richtungen schafft und nicht umgekehrt? Der Kreislauf der Enttäuschungen, die
unser Volk durchlebt hat, dürfte an sich die Vorbedingungen für die Anerkennung
starker, schöpferischer Autorität zurechtgelegt haben, wenn sie zu ihrer Stunde
in unsere Mitte tritt. . ,


> 4.

Blicken wir von hier aus zu den sechs Ideologien des Menenius zurück,
so werden wir kaum mehr zweifeln, daß die von uns umrissene siebente Ideologie,
trotzdem sie als Machtgebilde heute noch ungreifbar erscheint, doch als Samenkorn
der Zukunft, wenigstens in Deutschland, starke Vitalität zeigt. Die organische
Staatsidee hatte vor hundert Jahren in Deutschland das Unglück, zur ideologischen
Verschanzung des ideenarmen Polizeistaates gegenüber dem damals den Fortschritt
verkörpernden Liberalismus zu erstarren. Bismarck aber konnte bei den besonderen
Aufgaben seines Lebens, lind bei der Verflachung des politischen Jdeenkampfes in
einem Zeitalter nicht zum Restaurator der organischen Staatsidee, sondern im
wesentlichen nur zum Lehrmeister der Realpolitik werden. Heute dagegen liegt in
der organischen Staatsidee der kürzeste Weg sowohl zur.Realpolitik wie zum'
Fortschritt, zum nationalen Gedanken wie zu einer gesunden, d. h. unseren Lebens-
bedingungen gemäßen Wirtschaftspolitik. Auch der Gedanke der ausgleichenden
Gerechtigkeit, richtig verstanden, findet in der organischen Staatsidee die am
wenigsten utopische Bahn zu seiner annähernden Verwirklichung.

Die ideenmäßige Wiedergeburt der organischen Staatsidee steckt noch in den
Anfängen. Das Zurückgreifen auf die GvtteSgnadenlehrc Stahls entspricht nicht
den realen Bedürfnissen, die Mcderanfnahme der dialektischen Staatslehre Hegels
nicht den geistigen Neigungen unseres Zeitalters. Drei andere Ausgangspunkte
für einen Wiederaufbau der organischen Staatslehre glauben wir zu bemerken:
der eine, bisher am weitesten entwickelte, dürfte die Besinnung auf die freilich fast
immer bruchstückhaften Ausprägungen organischer Staatsbildung in unserer deutschen
Geschichte sein, gipfelnd in dem Politischen Klassiker unserer klassischen Periode, in
Stein. Ein zweiter Ausgangspunkt liegt in dem noch gärenden, aber nicht mehr
wegdenkbaren Suchen unserer Zeit nach neuen Gemeinschaftsformen aus religiöser
und nationaler Schöpferkraft. Den dritten Ausgangspunkt, der für die zukünftige
theoretische Klarheit dieser die Jugend bewegenden Staatslehre maßgebend sein
dürfte, erblicken wir in den Zielen, zu denen heute Biologie wie Geisteswissenschaft
konvergieren. Die Wissenschaft vom Leben und seiner souveränen Funktion, dem
Geist, verspricht auch das staatliche Denken und Wollen der Gebildeten und damit
den Staat selbst, zunächst einmal in der Theorie, im Sinne eiw-^ organischen Auf¬
fassung neu zu gliedern. .




Die „konservative" Swatsidce

Den Anfang müßte Wohl im geschichtlichen Verlauf einer solchen Neubildung das
Auftreten und die Anerkennung einer wirklichen Autorität sein. Wo ist es denk
licher als in der Politik, daß der Geist sich den Körper, die Gesinnung die Ein-
richtungen schafft und nicht umgekehrt? Der Kreislauf der Enttäuschungen, die
unser Volk durchlebt hat, dürfte an sich die Vorbedingungen für die Anerkennung
starker, schöpferischer Autorität zurechtgelegt haben, wenn sie zu ihrer Stunde
in unsere Mitte tritt. . ,


> 4.

Blicken wir von hier aus zu den sechs Ideologien des Menenius zurück,
so werden wir kaum mehr zweifeln, daß die von uns umrissene siebente Ideologie,
trotzdem sie als Machtgebilde heute noch ungreifbar erscheint, doch als Samenkorn
der Zukunft, wenigstens in Deutschland, starke Vitalität zeigt. Die organische
Staatsidee hatte vor hundert Jahren in Deutschland das Unglück, zur ideologischen
Verschanzung des ideenarmen Polizeistaates gegenüber dem damals den Fortschritt
verkörpernden Liberalismus zu erstarren. Bismarck aber konnte bei den besonderen
Aufgaben seines Lebens, lind bei der Verflachung des politischen Jdeenkampfes in
einem Zeitalter nicht zum Restaurator der organischen Staatsidee, sondern im
wesentlichen nur zum Lehrmeister der Realpolitik werden. Heute dagegen liegt in
der organischen Staatsidee der kürzeste Weg sowohl zur.Realpolitik wie zum'
Fortschritt, zum nationalen Gedanken wie zu einer gesunden, d. h. unseren Lebens-
bedingungen gemäßen Wirtschaftspolitik. Auch der Gedanke der ausgleichenden
Gerechtigkeit, richtig verstanden, findet in der organischen Staatsidee die am
wenigsten utopische Bahn zu seiner annähernden Verwirklichung.

Die ideenmäßige Wiedergeburt der organischen Staatsidee steckt noch in den
Anfängen. Das Zurückgreifen auf die GvtteSgnadenlehrc Stahls entspricht nicht
den realen Bedürfnissen, die Mcderanfnahme der dialektischen Staatslehre Hegels
nicht den geistigen Neigungen unseres Zeitalters. Drei andere Ausgangspunkte
für einen Wiederaufbau der organischen Staatslehre glauben wir zu bemerken:
der eine, bisher am weitesten entwickelte, dürfte die Besinnung auf die freilich fast
immer bruchstückhaften Ausprägungen organischer Staatsbildung in unserer deutschen
Geschichte sein, gipfelnd in dem Politischen Klassiker unserer klassischen Periode, in
Stein. Ein zweiter Ausgangspunkt liegt in dem noch gärenden, aber nicht mehr
wegdenkbaren Suchen unserer Zeit nach neuen Gemeinschaftsformen aus religiöser
und nationaler Schöpferkraft. Den dritten Ausgangspunkt, der für die zukünftige
theoretische Klarheit dieser die Jugend bewegenden Staatslehre maßgebend sein
dürfte, erblicken wir in den Zielen, zu denen heute Biologie wie Geisteswissenschaft
konvergieren. Die Wissenschaft vom Leben und seiner souveränen Funktion, dem
Geist, verspricht auch das staatliche Denken und Wollen der Gebildeten und damit
den Staat selbst, zunächst einmal in der Theorie, im Sinne eiw-^ organischen Auf¬
fassung neu zu gliedern. .




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_338432/100>, abgerufen am 27.12.2024.