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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Bücherschau

Vücherschau

[Beginn Spaltensatz]

Hans Delbriick, Geschichte der Kriegskunst
im Rahmen der politischen Geschichte.
Vierter Teil. Neuzeit. Berlin 1920,
Verlag von Georg Stille.

Dem im Jahre 1907 erschienenen dritten
Teil des bedeutsamen Werkes ist damit ein
letzter Band gefolgt, mit dem der Forscher
nach seiner Erläuterung im Vorwort nicht
abschließt, sondern abbricht, indem er seine
Studien nicht über Napoleon den Ersten
und dessen Zeitgenossen 'hinausführt. Man
hat also nicht mehr neue Erkenntnisse auf
diesem seinem besonderen Forschungsgebiete
von ihm zu erwarten noch mit einer Weiter¬
entwicklung seiner Anschauungen zu rechnen.
Die Kritik wird vielmehr das vorliegende
Fertige zur Grundlage ihrer Wertungen
nehmen müssen. Delbrück erwähnt selbst,
daß seine Auffassung nicht in allen Punkten
sich durchzusetzen vermocht habe. JnSbeson-
, dere gilt dies von der durch ihn erstrebten
allgemeinen Einführung des Begriffs einer
Ermattungsstrategie, welche sich an die Be¬
trachtung der Kriegsführung König Friedrichs
des Großen knüpft. Die Erinnerung an
den einst jahrelang geführten Strategie-
Streit durchzieht daher als wesentlicher In¬

[Spaltenumbruch]

halt viele Kapitel dieses vierten Teiles der
Geschichte der Kriegskunst. Auf den Versuch
einer neuen Widerlegung der Delbrückschen
Auffassung muß, wenigstens im Rahmen
dieser Anzeige, verzichtet werden; doch ver¬
mögen für den Fachmann die Ansichten des
Historikers, der seinerseits glaubt, eine Lücke
in dem kriegsphilosophischen Gebäude Karl
von Clausewitz' ausgefüllt zu haben, auch
heute noch nicht überzeugend zu wirken. Im
übrigen hat der Verfasser bei der Bearbei¬
tung dieses Bandes, die sich auf zahlreiche
Borarbeiten seiner Schüler, namentlich auch
Martin Hobohms, stützt, von gleicher Breite
und tiefgründiger Ausführlichkeit der früheren
Teile abgesehen. Fast feuilletonistisch lesen
sich die ersten drei Bücher, die das Kriegs¬
wesen der Renaissance, das Zeitalter der
Religionskriege und die Epoche der stehenden
Heere behandeln, soweit eS sich um die Ge¬
schichte der Bewaffnung und der taktischen
Formen handelt. Aber es ist ja auch dies
ein Vorzug, wenn der Leser mit Leichtigkeit
zu den Früchten der Arbeit hingeführt wird,
ohne dem Gelehrten auf allen dornigen
Wegen mühsamer Forschung folgen zu müssen.
Die Entwicklung der stehenden Heere wird

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Bücherschau

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Hans Delbriick, Geschichte der Kriegskunst
im Rahmen der politischen Geschichte.
Vierter Teil. Neuzeit. Berlin 1920,
Verlag von Georg Stille.

Dem im Jahre 1907 erschienenen dritten
Teil des bedeutsamen Werkes ist damit ein
letzter Band gefolgt, mit dem der Forscher
nach seiner Erläuterung im Vorwort nicht
abschließt, sondern abbricht, indem er seine
Studien nicht über Napoleon den Ersten
und dessen Zeitgenossen 'hinausführt. Man
hat also nicht mehr neue Erkenntnisse auf
diesem seinem besonderen Forschungsgebiete
von ihm zu erwarten noch mit einer Weiter¬
entwicklung seiner Anschauungen zu rechnen.
Die Kritik wird vielmehr das vorliegende
Fertige zur Grundlage ihrer Wertungen
nehmen müssen. Delbrück erwähnt selbst,
daß seine Auffassung nicht in allen Punkten
sich durchzusetzen vermocht habe. JnSbeson-
, dere gilt dies von der durch ihn erstrebten
allgemeinen Einführung des Begriffs einer
Ermattungsstrategie, welche sich an die Be¬
trachtung der Kriegsführung König Friedrichs
des Großen knüpft. Die Erinnerung an
den einst jahrelang geführten Strategie-
Streit durchzieht daher als wesentlicher In¬

[Spaltenumbruch]

halt viele Kapitel dieses vierten Teiles der
Geschichte der Kriegskunst. Auf den Versuch
einer neuen Widerlegung der Delbrückschen
Auffassung muß, wenigstens im Rahmen
dieser Anzeige, verzichtet werden; doch ver¬
mögen für den Fachmann die Ansichten des
Historikers, der seinerseits glaubt, eine Lücke
in dem kriegsphilosophischen Gebäude Karl
von Clausewitz' ausgefüllt zu haben, auch
heute noch nicht überzeugend zu wirken. Im
übrigen hat der Verfasser bei der Bearbei¬
tung dieses Bandes, die sich auf zahlreiche
Borarbeiten seiner Schüler, namentlich auch
Martin Hobohms, stützt, von gleicher Breite
und tiefgründiger Ausführlichkeit der früheren
Teile abgesehen. Fast feuilletonistisch lesen
sich die ersten drei Bücher, die das Kriegs¬
wesen der Renaissance, das Zeitalter der
Religionskriege und die Epoche der stehenden
Heere behandeln, soweit eS sich um die Ge¬
schichte der Bewaffnung und der taktischen
Formen handelt. Aber es ist ja auch dies
ein Vorzug, wenn der Leser mit Leichtigkeit
zu den Früchten der Arbeit hingeführt wird,
ohne dem Gelehrten auf allen dornigen
Wegen mühsamer Forschung folgen zu müssen.
Die Entwicklung der stehenden Heere wird

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[0088] Bücherschau Vücherschau Hans Delbriick, Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte. Vierter Teil. Neuzeit. Berlin 1920, Verlag von Georg Stille. Dem im Jahre 1907 erschienenen dritten Teil des bedeutsamen Werkes ist damit ein letzter Band gefolgt, mit dem der Forscher nach seiner Erläuterung im Vorwort nicht abschließt, sondern abbricht, indem er seine Studien nicht über Napoleon den Ersten und dessen Zeitgenossen 'hinausführt. Man hat also nicht mehr neue Erkenntnisse auf diesem seinem besonderen Forschungsgebiete von ihm zu erwarten noch mit einer Weiter¬ entwicklung seiner Anschauungen zu rechnen. Die Kritik wird vielmehr das vorliegende Fertige zur Grundlage ihrer Wertungen nehmen müssen. Delbrück erwähnt selbst, daß seine Auffassung nicht in allen Punkten sich durchzusetzen vermocht habe. JnSbeson- , dere gilt dies von der durch ihn erstrebten allgemeinen Einführung des Begriffs einer Ermattungsstrategie, welche sich an die Be¬ trachtung der Kriegsführung König Friedrichs des Großen knüpft. Die Erinnerung an den einst jahrelang geführten Strategie- Streit durchzieht daher als wesentlicher In¬ halt viele Kapitel dieses vierten Teiles der Geschichte der Kriegskunst. Auf den Versuch einer neuen Widerlegung der Delbrückschen Auffassung muß, wenigstens im Rahmen dieser Anzeige, verzichtet werden; doch ver¬ mögen für den Fachmann die Ansichten des Historikers, der seinerseits glaubt, eine Lücke in dem kriegsphilosophischen Gebäude Karl von Clausewitz' ausgefüllt zu haben, auch heute noch nicht überzeugend zu wirken. Im übrigen hat der Verfasser bei der Bearbei¬ tung dieses Bandes, die sich auf zahlreiche Borarbeiten seiner Schüler, namentlich auch Martin Hobohms, stützt, von gleicher Breite und tiefgründiger Ausführlichkeit der früheren Teile abgesehen. Fast feuilletonistisch lesen sich die ersten drei Bücher, die das Kriegs¬ wesen der Renaissance, das Zeitalter der Religionskriege und die Epoche der stehenden Heere behandeln, soweit eS sich um die Ge¬ schichte der Bewaffnung und der taktischen Formen handelt. Aber es ist ja auch dies ein Vorzug, wenn der Leser mit Leichtigkeit zu den Früchten der Arbeit hingeführt wird, ohne dem Gelehrten auf allen dornigen Wegen mühsamer Forschung folgen zu müssen. Die Entwicklung der stehenden Heere wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/88>, abgerufen am 29.06.2024.