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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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preise mehr zu zahlen, also freiwillig den füllen Tod durch gesteigerte Unter¬
ernährung zu erleiden? Sobald wir erst einmal diesen Führerund diese Volks¬
bewegung haben, wird es ein leichtes sein, das Galgevholz für die Großen zu
besorgen. Darf man hierbei doch auf besonders günstige Preisangebote von
Karl Gerhardt. .Kleinwaldbesitzern rechnen.




Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling
(1,915--^?)
Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Neichsfinanzmiiiistcrinm von V.

Genf, den 1.7. Februar 1916.

Es ist nicht gerade der stärkste Augenblick seines voraussichtlich nur sehr kurzen
Ministcrdaseins, in dem Herr Bricmd sich nach Rom begeben hat. Es ist nicht an¬
zunehmen, daß Herr Tittoni, Italiens Botschafter in Paris, nicht darum gewußt
habe, daß es im Ministerium Briand knistert. Herr Tittoni ist zwar seiner politischen
Richtung nach konservativ und klerikal, was ihn aber als Italiener und Diplomaten,
der im Interesse seines Landes mit allen, im Notfall auch mit dem Teufel zu leben
weiß, selbstverständlich nicht hindern wird, zum Großorient Paris vertrauliche Be¬
ziehungen zu unterhalten. Diese Schwäche der inncrpolitischen Stellung des
Kabinetts Briand erklärt auch die nicht zu leugnende Kühle des Empfanges, den
Briand bei der italienischen Regierung gefunden hat und der auch durch die von einem
so gewiegten Regisseur, wie Herrn Bnrröre, inszenierten Straßenkundgebungen der
römischen Teppa nicht vergessen gemacht werden konnte. Die Farblosigkeit der
Trinksprüche, die bei diesem Anlaß zwischen den französischen und italienischen
Staatsmännern gewechselt worden sind, trägt dazu bei, den Eindruck des Mi߬
erfolges der Reise Briands noch klarer zu gestalten. Er hat das eigentliche Ziel
seiner Wünsche nicht erreicht, das dahin ging, Italien zu aktiven Eingreifen aus
einem auswärtigen Kriegsschauplatz an Seite des Vicrvcrbandes zu bestimmen.

In diesem Zusammenhange darf ich Euer Exzellenz gehorsamst melden, daß
nach den mir aus Wien zugehenden Nachrichten Österreich-Ungarn seine Kräfte mehr
und mehr auf den dort ungemein populären italienischen Krieg konzentriert. Die
wenig glückliche Aktivität, die die österreichisch-ungarischen Flieger derzeit in Ober-
Italien entwickeln und die bei der Erregbarkeit des italienischen Temperaments nur
eine Wirkung haben kann, nämlich die, die erschlafften Geister wieder aufzurütteln,
bietet für diese Ausfassung ein nicht zu verkennendes Anzeichen. Wie ein neutraler
Diplomat mir vor einigen Tagen sagte, wirken die Bomben, die auf Mailand und
nun inzwischen auch noch auf andere Städte abgeworfen wurden, wie die Kampfcr-
spritz". Es soll ganz davon abgesehen werden, daß durch die verschiedenen, gewiß
nicht beabsichtigten, aber nichtsdestoweniger sehr bedauerlichen Beschädigungen, die
mehrere wertvolle Kirchen bereits wieder erlitten haben, der Papst in eine einiger¬
maßen peinliche Lage gerät und ganz naturgemäß in das Lager der Gegner getrieben
Ivird. Es wird österreichischerseits behauptet, man folge mit diesen Fliegerraids


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preise mehr zu zahlen, also freiwillig den füllen Tod durch gesteigerte Unter¬
ernährung zu erleiden? Sobald wir erst einmal diesen Führerund diese Volks¬
bewegung haben, wird es ein leichtes sein, das Galgevholz für die Großen zu
besorgen. Darf man hierbei doch auf besonders günstige Preisangebote von
Karl Gerhardt. .Kleinwaldbesitzern rechnen.




Aus Geheimberichten an den Grafen Hertling
(1,915—^?)
Franz von Stockhammern, Ministerialdirektor im Neichsfinanzmiiiistcrinm von V.

Genf, den 1.7. Februar 1916.

Es ist nicht gerade der stärkste Augenblick seines voraussichtlich nur sehr kurzen
Ministcrdaseins, in dem Herr Bricmd sich nach Rom begeben hat. Es ist nicht an¬
zunehmen, daß Herr Tittoni, Italiens Botschafter in Paris, nicht darum gewußt
habe, daß es im Ministerium Briand knistert. Herr Tittoni ist zwar seiner politischen
Richtung nach konservativ und klerikal, was ihn aber als Italiener und Diplomaten,
der im Interesse seines Landes mit allen, im Notfall auch mit dem Teufel zu leben
weiß, selbstverständlich nicht hindern wird, zum Großorient Paris vertrauliche Be¬
ziehungen zu unterhalten. Diese Schwäche der inncrpolitischen Stellung des
Kabinetts Briand erklärt auch die nicht zu leugnende Kühle des Empfanges, den
Briand bei der italienischen Regierung gefunden hat und der auch durch die von einem
so gewiegten Regisseur, wie Herrn Bnrröre, inszenierten Straßenkundgebungen der
römischen Teppa nicht vergessen gemacht werden konnte. Die Farblosigkeit der
Trinksprüche, die bei diesem Anlaß zwischen den französischen und italienischen
Staatsmännern gewechselt worden sind, trägt dazu bei, den Eindruck des Mi߬
erfolges der Reise Briands noch klarer zu gestalten. Er hat das eigentliche Ziel
seiner Wünsche nicht erreicht, das dahin ging, Italien zu aktiven Eingreifen aus
einem auswärtigen Kriegsschauplatz an Seite des Vicrvcrbandes zu bestimmen.

In diesem Zusammenhange darf ich Euer Exzellenz gehorsamst melden, daß
nach den mir aus Wien zugehenden Nachrichten Österreich-Ungarn seine Kräfte mehr
und mehr auf den dort ungemein populären italienischen Krieg konzentriert. Die
wenig glückliche Aktivität, die die österreichisch-ungarischen Flieger derzeit in Ober-
Italien entwickeln und die bei der Erregbarkeit des italienischen Temperaments nur
eine Wirkung haben kann, nämlich die, die erschlafften Geister wieder aufzurütteln,
bietet für diese Ausfassung ein nicht zu verkennendes Anzeichen. Wie ein neutraler
Diplomat mir vor einigen Tagen sagte, wirken die Bomben, die auf Mailand und
nun inzwischen auch noch auf andere Städte abgeworfen wurden, wie die Kampfcr-
spritz«. Es soll ganz davon abgesehen werden, daß durch die verschiedenen, gewiß
nicht beabsichtigten, aber nichtsdestoweniger sehr bedauerlichen Beschädigungen, die
mehrere wertvolle Kirchen bereits wieder erlitten haben, der Papst in eine einiger¬
maßen peinliche Lage gerät und ganz naturgemäß in das Lager der Gegner getrieben
Ivird. Es wird österreichischerseits behauptet, man folge mit diesen Fliegerraids


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/58>, abgerufen am 22.07.2024.