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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Natur aus unteilbare Einheit, deren südliche
Grenzlinien im kartographischen wie im
wirklichen Landschaftsbilde vor jedem Auge
klar daliegen.'

Ethnographisch ist es im SinneHes
durchaus landsmannschaftlichen Zusammen¬
gehörigkeitsgefühls aller Kärntner, der
Deutschen wie der "Windischen", eine Einheit,
weil auch der mehr als einem Jahrtausend
innerhalb der Kärntner Landesgrenzen ein¬
gesprengte slawische Zweig der "Windischen"
sich nur als Kärntner fühlt und, durch Ge¬
schichte, Wirtschaft und kulturelles Leben seit
jeher mit dem Deutschen in Frieden und Ein¬
tracht verbunden mit den "Bruderstämmen"
jenseits der Karawanken in Krain und am
Balkan nichts zu tun haben will.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse aber
weisen auch diesen windischen Teil Kärntens
mit zwingender Notwendigkeit nach Norden,
da ihm die Felsenmauer der schwer gehbaren
Karawanken Handel und Verkehr mit dem
Süden erschwert, während ihm nach Norden
hin das ebene Becken Klagenfurts alle Wege
für Ein- und Ausfuhr öffnet. Für Ober¬
tarnten mit Klagenfurt aber bedeutet das
Ausscheiden des Südens und des Südost¬
winkels seines Landes den Wegfall seiner er¬
giebigsten Kornkammer, ohne deren Einfuhr
jene Gebiete nicht leben könnten.

Die kulturelle, geschichtliche und politische
Einheit des Landes aber ist darin begründet
und in beiden Volksstämmen Kärntens da¬
durch seelisch verankert, daß sie auf ein mehr
als tausendjähriges, in Not und Gefahr
(Türkenkriege! Franzosen- und Jtalienkriege!
Slawennot!), in Glück und Frieden gemein¬
sames völkisches und staatliches Erleben zurück¬
sehen, in dem Bewußtsein einer unzerreißbaren,
geistigen und natürlichen Landsmannschaft,
die sich bisher für alle Teile vorteilhaft be-
währt hat, während ein Anfall an den Süden
"inen Wechsel der westeuropäischen altöster¬
reichischen Kultur und Gesittung mit der des
Balkans, ein Aufgeben wohlbegründeter Sicher¬
heit gegen die Ungewißheit eines neuen staat¬
lichen Gebildes, eine Umstellung aus der
deutsch-christlichen in die serbisch-orthodoxe
Gedankenwelt bedeuten würde.

Die Volksabstimmung in Körnten wird
demnach eine Probe auf die Kraft solcher,

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nach Maß und Gewicht unwägbarer Momente
abgeben, die in die Wagschale der vollen Ver¬
hältnisse noch sittlich-geistige Werte legen.

"Auslandsdeutsche."

In Nummer 16/1?
der "Grenzboten" wurde von Moeller van
den Brück in ernster und wohlwollender
Weise eine Schilderung des "Auslands¬
deutschen" gegeben, die jeden Auslands¬
deutschen, der sich in dem dort geschilderten
Typus wiedererkennt, mit Stolz erfüllen
muß. Leider kann das nicht für jeden
Auslandsdeutschen gelten, namentlich nicht
für diejenigen, die der Verfasser durch be¬
sondere Bemerkungen in seiner Schilderung
.(S. 88) selbst ausscheidet: die Konsular-
vertretungen, die Kunstgelehrten und die
Vergnügungsreisenden.

Es ist nicht mein Berus und meine Ab¬
sicht, die deutschen Vergnügungsreisenden im
Auslande, die dem Verfasser durch lärmendes
Wesen unangenehm auffielen, in Schutz zu
nehmen. Wer nach solcher Art Reisender
das deutsche Volk beurteilt, begeht denselben
Fehler, den man in Deutschland beging,
wenn man das englische Volk nur nach dein
Benehmen gewisser "Globetrotter", die wir
am Rhein oder in der Schweiz sahen, be¬
urteilt.

Nicht so offenbar ist die Unrichtigkeit und
Ungerechtigkeit, die in der Ausnahmebehand¬
lung der Konsularvcrtretungen liegt.

Die amtlichen Vertretungen des Deutschen
Reiches im Ausland sind ja gewöhnt, daß
der mit ihrer Amtsführung irgendwie un¬
zufriedene Landsmann seine Unzufriedenheit
in die Öffentlichkeit hinaufruft und ihnen
dabei auch manche Unzufriedenheit anhängt,
die mit ihrer Amtsführung nichts zu tun
hat, -- übrigens eine Erscheinung, unter der
auch Englands und anderer Länder Konsuln
zu leiden haben. So war es schon immer-

Die Konsularvertrctung des Deutschen
Reiches ist keine leichte Aufgabe. Ein Amt
von ähnlicher Bedeutung im Inlands ist bei
weitem nicht so allgemeiner Beachtung, An¬
forderung und Kritik ausgesetzt wie ein
Konsularamt, das weit und breit die einzige
und höchste deutsche Amtsstelle darstellt und
der Kritik einer Gemeinde ausgesetzt ist, die
weit selbständiger, unterrichteter und cmspruchs-

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Natur aus unteilbare Einheit, deren südliche
Grenzlinien im kartographischen wie im
wirklichen Landschaftsbilde vor jedem Auge
klar daliegen.'

Ethnographisch ist es im SinneHes
durchaus landsmannschaftlichen Zusammen¬
gehörigkeitsgefühls aller Kärntner, der
Deutschen wie der „Windischen", eine Einheit,
weil auch der mehr als einem Jahrtausend
innerhalb der Kärntner Landesgrenzen ein¬
gesprengte slawische Zweig der „Windischen"
sich nur als Kärntner fühlt und, durch Ge¬
schichte, Wirtschaft und kulturelles Leben seit
jeher mit dem Deutschen in Frieden und Ein¬
tracht verbunden mit den „Bruderstämmen"
jenseits der Karawanken in Krain und am
Balkan nichts zu tun haben will.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse aber
weisen auch diesen windischen Teil Kärntens
mit zwingender Notwendigkeit nach Norden,
da ihm die Felsenmauer der schwer gehbaren
Karawanken Handel und Verkehr mit dem
Süden erschwert, während ihm nach Norden
hin das ebene Becken Klagenfurts alle Wege
für Ein- und Ausfuhr öffnet. Für Ober¬
tarnten mit Klagenfurt aber bedeutet das
Ausscheiden des Südens und des Südost¬
winkels seines Landes den Wegfall seiner er¬
giebigsten Kornkammer, ohne deren Einfuhr
jene Gebiete nicht leben könnten.

Die kulturelle, geschichtliche und politische
Einheit des Landes aber ist darin begründet
und in beiden Volksstämmen Kärntens da¬
durch seelisch verankert, daß sie auf ein mehr
als tausendjähriges, in Not und Gefahr
(Türkenkriege! Franzosen- und Jtalienkriege!
Slawennot!), in Glück und Frieden gemein¬
sames völkisches und staatliches Erleben zurück¬
sehen, in dem Bewußtsein einer unzerreißbaren,
geistigen und natürlichen Landsmannschaft,
die sich bisher für alle Teile vorteilhaft be-
währt hat, während ein Anfall an den Süden
«inen Wechsel der westeuropäischen altöster¬
reichischen Kultur und Gesittung mit der des
Balkans, ein Aufgeben wohlbegründeter Sicher¬
heit gegen die Ungewißheit eines neuen staat¬
lichen Gebildes, eine Umstellung aus der
deutsch-christlichen in die serbisch-orthodoxe
Gedankenwelt bedeuten würde.

Die Volksabstimmung in Körnten wird
demnach eine Probe auf die Kraft solcher,

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nach Maß und Gewicht unwägbarer Momente
abgeben, die in die Wagschale der vollen Ver¬
hältnisse noch sittlich-geistige Werte legen.

„Auslandsdeutsche."

In Nummer 16/1?
der „Grenzboten" wurde von Moeller van
den Brück in ernster und wohlwollender
Weise eine Schilderung des „Auslands¬
deutschen" gegeben, die jeden Auslands¬
deutschen, der sich in dem dort geschilderten
Typus wiedererkennt, mit Stolz erfüllen
muß. Leider kann das nicht für jeden
Auslandsdeutschen gelten, namentlich nicht
für diejenigen, die der Verfasser durch be¬
sondere Bemerkungen in seiner Schilderung
.(S. 88) selbst ausscheidet: die Konsular-
vertretungen, die Kunstgelehrten und die
Vergnügungsreisenden.

Es ist nicht mein Berus und meine Ab¬
sicht, die deutschen Vergnügungsreisenden im
Auslande, die dem Verfasser durch lärmendes
Wesen unangenehm auffielen, in Schutz zu
nehmen. Wer nach solcher Art Reisender
das deutsche Volk beurteilt, begeht denselben
Fehler, den man in Deutschland beging,
wenn man das englische Volk nur nach dein
Benehmen gewisser „Globetrotter", die wir
am Rhein oder in der Schweiz sahen, be¬
urteilt.

Nicht so offenbar ist die Unrichtigkeit und
Ungerechtigkeit, die in der Ausnahmebehand¬
lung der Konsularvcrtretungen liegt.

Die amtlichen Vertretungen des Deutschen
Reiches im Ausland sind ja gewöhnt, daß
der mit ihrer Amtsführung irgendwie un¬
zufriedene Landsmann seine Unzufriedenheit
in die Öffentlichkeit hinaufruft und ihnen
dabei auch manche Unzufriedenheit anhängt,
die mit ihrer Amtsführung nichts zu tun
hat, — übrigens eine Erscheinung, unter der
auch Englands und anderer Länder Konsuln
zu leiden haben. So war es schon immer-

Die Konsularvertrctung des Deutschen
Reiches ist keine leichte Aufgabe. Ein Amt
von ähnlicher Bedeutung im Inlands ist bei
weitem nicht so allgemeiner Beachtung, An¬
forderung und Kritik ausgesetzt wie ein
Konsularamt, das weit und breit die einzige
und höchste deutsche Amtsstelle darstellt und
der Kritik einer Gemeinde ausgesetzt ist, die
weit selbständiger, unterrichteter und cmspruchs-

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[0374] Drinnen und draußen Natur aus unteilbare Einheit, deren südliche Grenzlinien im kartographischen wie im wirklichen Landschaftsbilde vor jedem Auge klar daliegen.' Ethnographisch ist es im SinneHes durchaus landsmannschaftlichen Zusammen¬ gehörigkeitsgefühls aller Kärntner, der Deutschen wie der „Windischen", eine Einheit, weil auch der mehr als einem Jahrtausend innerhalb der Kärntner Landesgrenzen ein¬ gesprengte slawische Zweig der „Windischen" sich nur als Kärntner fühlt und, durch Ge¬ schichte, Wirtschaft und kulturelles Leben seit jeher mit dem Deutschen in Frieden und Ein¬ tracht verbunden mit den „Bruderstämmen" jenseits der Karawanken in Krain und am Balkan nichts zu tun haben will. Die wirtschaftlichen Verhältnisse aber weisen auch diesen windischen Teil Kärntens mit zwingender Notwendigkeit nach Norden, da ihm die Felsenmauer der schwer gehbaren Karawanken Handel und Verkehr mit dem Süden erschwert, während ihm nach Norden hin das ebene Becken Klagenfurts alle Wege für Ein- und Ausfuhr öffnet. Für Ober¬ tarnten mit Klagenfurt aber bedeutet das Ausscheiden des Südens und des Südost¬ winkels seines Landes den Wegfall seiner er¬ giebigsten Kornkammer, ohne deren Einfuhr jene Gebiete nicht leben könnten. Die kulturelle, geschichtliche und politische Einheit des Landes aber ist darin begründet und in beiden Volksstämmen Kärntens da¬ durch seelisch verankert, daß sie auf ein mehr als tausendjähriges, in Not und Gefahr (Türkenkriege! Franzosen- und Jtalienkriege! Slawennot!), in Glück und Frieden gemein¬ sames völkisches und staatliches Erleben zurück¬ sehen, in dem Bewußtsein einer unzerreißbaren, geistigen und natürlichen Landsmannschaft, die sich bisher für alle Teile vorteilhaft be- währt hat, während ein Anfall an den Süden «inen Wechsel der westeuropäischen altöster¬ reichischen Kultur und Gesittung mit der des Balkans, ein Aufgeben wohlbegründeter Sicher¬ heit gegen die Ungewißheit eines neuen staat¬ lichen Gebildes, eine Umstellung aus der deutsch-christlichen in die serbisch-orthodoxe Gedankenwelt bedeuten würde. Die Volksabstimmung in Körnten wird demnach eine Probe auf die Kraft solcher, nach Maß und Gewicht unwägbarer Momente abgeben, die in die Wagschale der vollen Ver¬ hältnisse noch sittlich-geistige Werte legen. „Auslandsdeutsche." In Nummer 16/1? der „Grenzboten" wurde von Moeller van den Brück in ernster und wohlwollender Weise eine Schilderung des „Auslands¬ deutschen" gegeben, die jeden Auslands¬ deutschen, der sich in dem dort geschilderten Typus wiedererkennt, mit Stolz erfüllen muß. Leider kann das nicht für jeden Auslandsdeutschen gelten, namentlich nicht für diejenigen, die der Verfasser durch be¬ sondere Bemerkungen in seiner Schilderung .(S. 88) selbst ausscheidet: die Konsular- vertretungen, die Kunstgelehrten und die Vergnügungsreisenden. Es ist nicht mein Berus und meine Ab¬ sicht, die deutschen Vergnügungsreisenden im Auslande, die dem Verfasser durch lärmendes Wesen unangenehm auffielen, in Schutz zu nehmen. Wer nach solcher Art Reisender das deutsche Volk beurteilt, begeht denselben Fehler, den man in Deutschland beging, wenn man das englische Volk nur nach dein Benehmen gewisser „Globetrotter", die wir am Rhein oder in der Schweiz sahen, be¬ urteilt. Nicht so offenbar ist die Unrichtigkeit und Ungerechtigkeit, die in der Ausnahmebehand¬ lung der Konsularvcrtretungen liegt. Die amtlichen Vertretungen des Deutschen Reiches im Ausland sind ja gewöhnt, daß der mit ihrer Amtsführung irgendwie un¬ zufriedene Landsmann seine Unzufriedenheit in die Öffentlichkeit hinaufruft und ihnen dabei auch manche Unzufriedenheit anhängt, die mit ihrer Amtsführung nichts zu tun hat, — übrigens eine Erscheinung, unter der auch Englands und anderer Länder Konsuln zu leiden haben. So war es schon immer- Die Konsularvertrctung des Deutschen Reiches ist keine leichte Aufgabe. Ein Amt von ähnlicher Bedeutung im Inlands ist bei weitem nicht so allgemeiner Beachtung, An¬ forderung und Kritik ausgesetzt wie ein Konsularamt, das weit und breit die einzige und höchste deutsche Amtsstelle darstellt und der Kritik einer Gemeinde ausgesetzt ist, die weit selbständiger, unterrichteter und cmspruchs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/374>, abgerufen am 22.07.2024.