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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

voller zu sein Pflegt als inländische Amts¬
gemeinden. Darum wurde die Auswahl der
Konsularbeamten seitens des Auswärtigen
Amtes von jeher mit besonderer Sorgfalt
gehandhabt. Um das recht beurteilen zu
können, musz man wissen, wie im Auswärtigen
Amt vor der Annahme eines Bewerbers für
den höheren Konsulardienst seine Persönlich¬
keit nach Herkunft, Begabung, Leistung,
Gesundheit, Charakter und Austreten geprüft
wurde; die Anwärter hatten sodann als
Assessoren im Auswärtigen Amt eine strenge
Lehrzeit durchzumachen, bei der noch mancher,
der sich in Gerichts- oder Verwaltungspraxis
schon bewährt hatte, versagte und wieder
abgegeben wurde; auch bei der Auslands¬
praxis als Vizekonsul ist noch mancher, der
bis dahin die Probezeit bestanden hatte, an
den eigenartigen Verhältnissen des Auslandes,
die ihm nicht behagten oder denen er nicht
gewachsen war, in der Laufbahn gescheitert.
Diese Vorzüge des alten Konsulardicnstes
sollten neben seinen Mängeln, von dem neuen
Konsulatsdienst, wie er sich jetzt entwickelt,
nicht vergessen werden.

Daß sich im alten Konsulardienst auch
Versager zeigten, soll nicht geleugnet werden,
war aber keine Eigentümlichkeit weder dieses
Berufs noch unseres Volkes. Die Klagen
der Kaufmannschaft oder Industrie, daß sie
von den Konsularbehörden zu wenig Nutzen
hätten, verkennen häufig die Aufgabe der
Konsularbehörden, die nicht die Agenten
einzelner deutscher Geschäfte, nicht die Ver¬
treter einzelner deutscher Firmen oder Einzel-
Vcrsonen, sondern Vertreter des Deutschen
Reiches und Agenten für die Interessen des
gesamten deutschen Volkes sein sollen; sie
werden auch von der englischen Geschäftswelt
immer wieder gegen die englischen Konsular-
vertretungcn — denen dabei vor dem Kriege
die deutschen Vertretungen als Muster vor¬
gehalten wurden — in ganz > ähnlicher Weise
erhoben. Die Hauptfehler, die unserer alten
Diplomatie vielfach mit Recht vorgeworfen
werden konnten: Auswahl der Beförderung
"ach Rücksichten persönlicher Beziehungen, statt
"ach Befähigung, sühlungslose Abschließung
gegenüber dem fremden Volke und gegenüber
den eigenen Landsleuten im Auslande, das

[Spaltenumbruch]

sind Fehler, vor denen die Konsuln — denen
solche Diplomaten ja auch meist fremd
gegenüberstanden — im allgemeinen bewahrt
waren. Ganz unverständlich ist mir aber
nach meinen 15jährigen Auslandserfahrungen
die Behauptung jenes oben angeführten Ar¬
tikels, baß, wo sich im Auslande ein
Deutscher mit den schlechten natio¬
nalen Gewohnheiten der Auslands¬
nachahmung breit machte, er am ehesten
den Konsülarvertretungen angehörte.

Ich weiß nicht, ob der Verfasser dabei
vielleicht an Wahlkonsuln gedacht hat, die
früher einmal deutsche Reichsangchörige waren
und später die Staatsangehörigkeit des Lan¬
des, in dem sie sich niedergelassen hatten,
angenommen hatten. Unter den Berufskonsuln
sind mir solche Erscheinungen nicht begegnet,
und ich kenne ganz gut den deutschen Kon¬
sulardienst in Nußland und in Asien. Wohl
aber weiß ich von Konsuln, die in Fragen der
nationalen Haltung in Gegensatz ,u anderen
Auslandsdeutschen geraten sind, insbesondere
auch zu kaufmännischen Angehörigen ihrer
Kolonie; zu Kaufleuten, die nicht verstehen
konnten, wozu deutsche Zeitungen nötig seien
(da sie mit ihrer Kundschaft doch englisch
verkehrten), zu Kaufleuten, die ihren Familien¬
namen ins Englische übersetzten, zu Kauf¬
leuten, die ihren eigenen deutschen Landsleuten
Rechnungen und Briefe in englischer Sprache
schrieben, zu Kaufleuten, die nicht mehr „nein"
statt „ne>" zu sagen vermochten, zu Kauf¬
leuten, die den englischen oder internationalen
Klubs den Vorzug vor den kleineren deutschen
gaben, und so könnte ich noch viele Beispiele
aufzählen, aber ich will nicht angreifen, und
ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als
wüßte ich den Wert des deutschen Übersee¬
kaufmanns, seinen Weitblick und Scharfblick,
seine Tatkraft, seine Großzügigkeit nicht zu
würdigen, oder als wüßte ich nicht, welchen
Wandel in der nationalen Haltung das letzte
Jahrzehnt vor dem Kriege gerade in der
jüngeren deutschen Kaufmannschaft des Aus¬
landes gebracht hat, mit wie anderen, von
der älteren Kaufmannschaft häufig sehr ver¬
schiedenen Auffassungen vom Deutschtum die
jüngeren Jahrgänge schon hinauskamen und
eine wie verschiedene Stellung dieses junge

[Ende Spaltensatz]
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/375>, abgerufen am 23.01.2025.