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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

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jenen äußerlichen, künstlich und fälschlich
darüber gelegten Schein zerstören, der im
Drange gewaltsamer Aneignung fremden
Staatsgutes die landfremden Politiker in
Paris und Umgebung zu täuschen bestimmt war.

Schon der Gedanke, Lurch die Stimme des
Volkes selbst die Entscheidung über das
Schicksal eines Landes herbeizuführen, ist kein
bon Hause aus in einer Friedenskonferenz
liegendes Prinzip/ keine primäre Lösung einer
einfach nach dem Willen des Siegers zu be¬
stimmenden Frage, sondern er ist selbst schon
ein Kompromiß zwischen Anspruch und Gegen¬
spruch, eine sekundäre Maßregel zur Schlichtung
von Dingen, die eben nicht eindeutig klar,
sondern von zwei Parteien bestritten sind.

Man weiß, wie es zur Bewilligung der
Volksabstimmung in Körnten kam. Sie ist
nur die Folge des entschlossenen Abwehr¬
kampfes der Kärntner, die zur Umsturzzeit
den widerrechtlich das Land überfallenden
Südslawen mit den Waffen in der Hand ent¬
gegentraten. Schon der erste feindliche Ein¬
bruch im Herbst 1918 wurde durch den Sieg
der deutschen Waffen Kärntens bei Grafenstein
niedergeschlagen. Das um seine Existenz
ringende Land -- denn jede politische Aus¬
einandersetzung Kärntens hebt den bisherigen
Begriff des Landes Kärnten überhaupt auf --
erregte die Aufmerksamkeit der sich bereits
getäuscht sehenden und von den Südslawcn
irregeführten Entente; die Amerikaner ver¬
mittelten den Waffenstillstand vom Januar 1919,
schufen nach dem damaligen Besetzungsstand
eine vorläufige Abgrenzungslinie und bereisten,
um zu eigener Anschauung der Verhältnisse
Zu gelangen, kommissionell das Land. Eine
damals probeweise durchgeführte Volks¬
abstimmung ergab, daß 84,6 Prozent der
Wählerschaft, das sind 81451 Personen, für
ein ungeteiltes Kärnten und nicht einmal
1 Prozent, das sind 771 Wähler, für den
Anschluß an Südslawien stimmte. >

Um der Gefahr, ihre Sache in Paris zu
verlieren, durch einen tatsächlichen Besttztitel
Zu begegnen, versuchten die Jugoslawen am
S9. April 1919 unter Bruch des Waffen¬
stillstandabkommens einen Überfall an der
Grenzlinie.

Neuerdings trat Kärnten in den Kampf
um die Heimat, wiederum warf es den Feind,

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diesmal sogar über die Landesgrenze, zurück,
in dem benachbarten, ebenfalls besetzten Süd-
steiermark wurde Windisch-Graz besetzt, CM
und Marburg bereits von den Jugoslawen
geräumt, als Plötzlich die Wiener Negierung
den Kärntner Vormarsch ins steirische Unter¬
land und den gelungenen Anstoß zur Er¬
schütterung des LW-Staates aufhielt. Die
Unterhandlungen aber zerschlugen sich, die
Südslawen, besonders Serben, rückten aufs
neue und diesmal mit Übermacht an, drängten
die Kärntner zurück, bedrohten Vliland, das
nur der italienische General Segrö rettete,
und zogen am 6. Juni 1919 in der Landes¬
hauptstadt Klagenfurt ein, die sie -- während
über 16000 Kärntner aus den besetzten Ge¬
bieten im eigenen Lande als Flüchtlinge hcr-
umirrten -- bis Ende Juli 1919 besetzt hielten.

Auf Grund dieser Erfolge arbeiteten
nun die Jugoslawen mit neuem Hochdruck
beim Viererrat in Paris. Sie erreichten eine
Änderung des bereits Ende Mai 1919 fertig¬
gestellten Friedensvertrages, der Kärnten bis
zu den Karawanken (mit Ausnahme des
Mießtalcs) den Kärntnern zusprach. Die Ver¬
handlungen wurden mit Wilson selbst ge¬
führt und ihnen das neue Prinzip der Teilung
des Klagenfurter Beckens zugrunde gelegt.

So erhielt der Friedensvertrag die heutige
Gestalt, in der er das Klagenfurter Becken
in zwei Zonen ^ und L teilt, über die ge¬
trennt eine Volksabstimmung abzuhalten ist.
Die südlichere Zone ^ stimmt zuerst; fällt
ihr Spruch für den Anschluß an Südslawien
aus, so stimmt 3 Wochen später die nörd¬
lichere Zone L, die Klagenfurt, Se. Veit und
Umgebung umfaßt; erklärt sich die Zone ^
für den Verbleib bei Osterreich, dann entfällt
die Abstimmung in der Zone L von selbst.

Bis zu diesem Ziel sind die Südslawen
durch ungerechten Waffenkampf und diplomati¬
schen Krieg gekommen. Nun aber, bei der
Abstimmung, soll die innere Wahrheit der
Dinge, die Macht der tatsächlichen Verhält¬
nisse sprechen. In Wahrheit steht es so, daß
die Ansprüche der Südslawen auf das Gebiet
der beidenstrittigcnZonenKärntens geographisch,
ethnographisch, wirtschaftlich, kulturell uni>
politisch nicht nur anmaßend ungerecht, sondern
auch haltlos sind.

Denn geographisch ist Kärnten eine von

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Drinnen und draußen

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jenen äußerlichen, künstlich und fälschlich
darüber gelegten Schein zerstören, der im
Drange gewaltsamer Aneignung fremden
Staatsgutes die landfremden Politiker in
Paris und Umgebung zu täuschen bestimmt war.

Schon der Gedanke, Lurch die Stimme des
Volkes selbst die Entscheidung über das
Schicksal eines Landes herbeizuführen, ist kein
bon Hause aus in einer Friedenskonferenz
liegendes Prinzip/ keine primäre Lösung einer
einfach nach dem Willen des Siegers zu be¬
stimmenden Frage, sondern er ist selbst schon
ein Kompromiß zwischen Anspruch und Gegen¬
spruch, eine sekundäre Maßregel zur Schlichtung
von Dingen, die eben nicht eindeutig klar,
sondern von zwei Parteien bestritten sind.

Man weiß, wie es zur Bewilligung der
Volksabstimmung in Körnten kam. Sie ist
nur die Folge des entschlossenen Abwehr¬
kampfes der Kärntner, die zur Umsturzzeit
den widerrechtlich das Land überfallenden
Südslawen mit den Waffen in der Hand ent¬
gegentraten. Schon der erste feindliche Ein¬
bruch im Herbst 1918 wurde durch den Sieg
der deutschen Waffen Kärntens bei Grafenstein
niedergeschlagen. Das um seine Existenz
ringende Land — denn jede politische Aus¬
einandersetzung Kärntens hebt den bisherigen
Begriff des Landes Kärnten überhaupt auf —
erregte die Aufmerksamkeit der sich bereits
getäuscht sehenden und von den Südslawcn
irregeführten Entente; die Amerikaner ver¬
mittelten den Waffenstillstand vom Januar 1919,
schufen nach dem damaligen Besetzungsstand
eine vorläufige Abgrenzungslinie und bereisten,
um zu eigener Anschauung der Verhältnisse
Zu gelangen, kommissionell das Land. Eine
damals probeweise durchgeführte Volks¬
abstimmung ergab, daß 84,6 Prozent der
Wählerschaft, das sind 81451 Personen, für
ein ungeteiltes Kärnten und nicht einmal
1 Prozent, das sind 771 Wähler, für den
Anschluß an Südslawien stimmte. >

Um der Gefahr, ihre Sache in Paris zu
verlieren, durch einen tatsächlichen Besttztitel
Zu begegnen, versuchten die Jugoslawen am
S9. April 1919 unter Bruch des Waffen¬
stillstandabkommens einen Überfall an der
Grenzlinie.

Neuerdings trat Kärnten in den Kampf
um die Heimat, wiederum warf es den Feind,

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diesmal sogar über die Landesgrenze, zurück,
in dem benachbarten, ebenfalls besetzten Süd-
steiermark wurde Windisch-Graz besetzt, CM
und Marburg bereits von den Jugoslawen
geräumt, als Plötzlich die Wiener Negierung
den Kärntner Vormarsch ins steirische Unter¬
land und den gelungenen Anstoß zur Er¬
schütterung des LW-Staates aufhielt. Die
Unterhandlungen aber zerschlugen sich, die
Südslawen, besonders Serben, rückten aufs
neue und diesmal mit Übermacht an, drängten
die Kärntner zurück, bedrohten Vliland, das
nur der italienische General Segrö rettete,
und zogen am 6. Juni 1919 in der Landes¬
hauptstadt Klagenfurt ein, die sie — während
über 16000 Kärntner aus den besetzten Ge¬
bieten im eigenen Lande als Flüchtlinge hcr-
umirrten — bis Ende Juli 1919 besetzt hielten.

Auf Grund dieser Erfolge arbeiteten
nun die Jugoslawen mit neuem Hochdruck
beim Viererrat in Paris. Sie erreichten eine
Änderung des bereits Ende Mai 1919 fertig¬
gestellten Friedensvertrages, der Kärnten bis
zu den Karawanken (mit Ausnahme des
Mießtalcs) den Kärntnern zusprach. Die Ver¬
handlungen wurden mit Wilson selbst ge¬
führt und ihnen das neue Prinzip der Teilung
des Klagenfurter Beckens zugrunde gelegt.

So erhielt der Friedensvertrag die heutige
Gestalt, in der er das Klagenfurter Becken
in zwei Zonen ^ und L teilt, über die ge¬
trennt eine Volksabstimmung abzuhalten ist.
Die südlichere Zone ^ stimmt zuerst; fällt
ihr Spruch für den Anschluß an Südslawien
aus, so stimmt 3 Wochen später die nörd¬
lichere Zone L, die Klagenfurt, Se. Veit und
Umgebung umfaßt; erklärt sich die Zone ^
für den Verbleib bei Osterreich, dann entfällt
die Abstimmung in der Zone L von selbst.

Bis zu diesem Ziel sind die Südslawen
durch ungerechten Waffenkampf und diplomati¬
schen Krieg gekommen. Nun aber, bei der
Abstimmung, soll die innere Wahrheit der
Dinge, die Macht der tatsächlichen Verhält¬
nisse sprechen. In Wahrheit steht es so, daß
die Ansprüche der Südslawen auf das Gebiet
der beidenstrittigcnZonenKärntens geographisch,
ethnographisch, wirtschaftlich, kulturell uni>
politisch nicht nur anmaßend ungerecht, sondern
auch haltlos sind.

Denn geographisch ist Kärnten eine von

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[0373] Drinnen und draußen jenen äußerlichen, künstlich und fälschlich darüber gelegten Schein zerstören, der im Drange gewaltsamer Aneignung fremden Staatsgutes die landfremden Politiker in Paris und Umgebung zu täuschen bestimmt war. Schon der Gedanke, Lurch die Stimme des Volkes selbst die Entscheidung über das Schicksal eines Landes herbeizuführen, ist kein bon Hause aus in einer Friedenskonferenz liegendes Prinzip/ keine primäre Lösung einer einfach nach dem Willen des Siegers zu be¬ stimmenden Frage, sondern er ist selbst schon ein Kompromiß zwischen Anspruch und Gegen¬ spruch, eine sekundäre Maßregel zur Schlichtung von Dingen, die eben nicht eindeutig klar, sondern von zwei Parteien bestritten sind. Man weiß, wie es zur Bewilligung der Volksabstimmung in Körnten kam. Sie ist nur die Folge des entschlossenen Abwehr¬ kampfes der Kärntner, die zur Umsturzzeit den widerrechtlich das Land überfallenden Südslawen mit den Waffen in der Hand ent¬ gegentraten. Schon der erste feindliche Ein¬ bruch im Herbst 1918 wurde durch den Sieg der deutschen Waffen Kärntens bei Grafenstein niedergeschlagen. Das um seine Existenz ringende Land — denn jede politische Aus¬ einandersetzung Kärntens hebt den bisherigen Begriff des Landes Kärnten überhaupt auf — erregte die Aufmerksamkeit der sich bereits getäuscht sehenden und von den Südslawcn irregeführten Entente; die Amerikaner ver¬ mittelten den Waffenstillstand vom Januar 1919, schufen nach dem damaligen Besetzungsstand eine vorläufige Abgrenzungslinie und bereisten, um zu eigener Anschauung der Verhältnisse Zu gelangen, kommissionell das Land. Eine damals probeweise durchgeführte Volks¬ abstimmung ergab, daß 84,6 Prozent der Wählerschaft, das sind 81451 Personen, für ein ungeteiltes Kärnten und nicht einmal 1 Prozent, das sind 771 Wähler, für den Anschluß an Südslawien stimmte. > Um der Gefahr, ihre Sache in Paris zu verlieren, durch einen tatsächlichen Besttztitel Zu begegnen, versuchten die Jugoslawen am S9. April 1919 unter Bruch des Waffen¬ stillstandabkommens einen Überfall an der Grenzlinie. Neuerdings trat Kärnten in den Kampf um die Heimat, wiederum warf es den Feind, diesmal sogar über die Landesgrenze, zurück, in dem benachbarten, ebenfalls besetzten Süd- steiermark wurde Windisch-Graz besetzt, CM und Marburg bereits von den Jugoslawen geräumt, als Plötzlich die Wiener Negierung den Kärntner Vormarsch ins steirische Unter¬ land und den gelungenen Anstoß zur Er¬ schütterung des LW-Staates aufhielt. Die Unterhandlungen aber zerschlugen sich, die Südslawen, besonders Serben, rückten aufs neue und diesmal mit Übermacht an, drängten die Kärntner zurück, bedrohten Vliland, das nur der italienische General Segrö rettete, und zogen am 6. Juni 1919 in der Landes¬ hauptstadt Klagenfurt ein, die sie — während über 16000 Kärntner aus den besetzten Ge¬ bieten im eigenen Lande als Flüchtlinge hcr- umirrten — bis Ende Juli 1919 besetzt hielten. Auf Grund dieser Erfolge arbeiteten nun die Jugoslawen mit neuem Hochdruck beim Viererrat in Paris. Sie erreichten eine Änderung des bereits Ende Mai 1919 fertig¬ gestellten Friedensvertrages, der Kärnten bis zu den Karawanken (mit Ausnahme des Mießtalcs) den Kärntnern zusprach. Die Ver¬ handlungen wurden mit Wilson selbst ge¬ führt und ihnen das neue Prinzip der Teilung des Klagenfurter Beckens zugrunde gelegt. So erhielt der Friedensvertrag die heutige Gestalt, in der er das Klagenfurter Becken in zwei Zonen ^ und L teilt, über die ge¬ trennt eine Volksabstimmung abzuhalten ist. Die südlichere Zone ^ stimmt zuerst; fällt ihr Spruch für den Anschluß an Südslawien aus, so stimmt 3 Wochen später die nörd¬ lichere Zone L, die Klagenfurt, Se. Veit und Umgebung umfaßt; erklärt sich die Zone ^ für den Verbleib bei Osterreich, dann entfällt die Abstimmung in der Zone L von selbst. Bis zu diesem Ziel sind die Südslawen durch ungerechten Waffenkampf und diplomati¬ schen Krieg gekommen. Nun aber, bei der Abstimmung, soll die innere Wahrheit der Dinge, die Macht der tatsächlichen Verhält¬ nisse sprechen. In Wahrheit steht es so, daß die Ansprüche der Südslawen auf das Gebiet der beidenstrittigcnZonenKärntens geographisch, ethnographisch, wirtschaftlich, kulturell uni> politisch nicht nur anmaßend ungerecht, sondern auch haltlos sind. Denn geographisch ist Kärnten eine von Grenzboten IN 1020Se

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/373>, abgerufen am 22.07.2024.