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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Die Marine eine Notwendigkeit für das Deutsche Reich

Die Marine eine Notwendigkeit für das Deutsche Reich
Admiral z. D. Bachmann von

WM
MMein an der See gelegener Staat kann ohne eine der Ausdehnung
seiner Küsten und seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechende
Seemacht auskommen. Das wird durch die Geschichte aller in
Frage kommenden Staaten bewiesen. In dein politisch zerstückelten
und nur mit seinen nördlichsten Ländern an das Meer grenzenden
Deutschland hat seit Jahrhunderten eine kontinentale Auffassung vorherrschen und
der Irrglaube aufkommen können, der Deutsche vermöge ohne Kriegsflotte, nur
gesichert durch ein tüchtiges Heer, in Ruhe zu leben. Dieser Glaube hat sich immer
wieder verhängnisvoll erwiesen, wie unsere Geschichte zeigt. Stets von neuem ergab
sich unter dem Zwang der Verhältnisse die Notwendigkeit, eins Flotte zu bauen. Es
braucht nur an die Schaffung der Kriegsflotte des Großen Kurfürsten, an die deutsche
Bundesmarine, die Preußische und Schleswig-Holsteinische Marine, die Marine des
Norddeutschen Bundes (seit 1866) und schließlich an die Kaiserlich Deutsche Marine
(seit 1871) erinnert zu werden. Alle diese Schöpfungen waren keine künstlichen,
etwa der Liebhaberei eines Herrschers oder der vorübergehenden Laune der öffent¬
lichen Meinung entsprungenen Gebilde, sondern sie sind zwangsläufig entstanden,
um dem Staat die seinen Lebensbedürfnissen entsprechende militärische Macht zur
See zu verschaffen. Wollte man diese historische Erfahrung unbeachtet lassen und
die uns aus der letzten großen Flottenentwicklung noch gebliebenen Marinewerte
(Schiffe, Personal, Marincanlagen, Erfahrungen) preisgeben, so wäre das, ebenso
wie ein etwaiges Abreißenlassen der kostbaren Tradition, nicht zu verantworten-
Früher oder später würde sicherlich die zwingende Notwendigkeit eintreten, alles von
neuem aufzubauen, und dann einen weit höheren Preis zu zahlen, als die Erhaltung
des Vorhandenen jetzt kostet.

Man hört hin und wieder die Ansicht, für die Marine, wie sie uns durch den
Friedensvertrag gelassen worden ist, lägen keine ihrer Größe entsprechenden
wichtigen Aufgaben vor, ja es wird bisweilen behauptet, wir könnten unter den
jetzigen Verhältnissen ganz ohne Marine auskommen. Die letztere Ansicht wird
schon durch das in der Einleitung Gesagte widerlegt. Was die der Marine jetzt und
später zufallenden Aufgaben anlangt, so sollen sie nachfolgend in Mrze behandelt
werden.

Selbstverständlich ist unsere jetzige kleine Marine nicht imstande, Seekriege
gegen flottenstarke Staaten zu führen. Das haben unsere Feinde durch das uns
zugebilligte enge Ausmaß unserer Seerüstung wohlweislich unmöglich gemacht-
Trotzdem bleiben aber noch mannigfache wichtige Aufgaben übrig, die für unsere
jetzige Marine erfüllbar sind und die ohne sie gar nicht geleistet werden können.

Sieht man ab von der noch in Gang befindlichen umfangreichen und zeit¬
raubenden Arbeit des Minenräumens, die bei der beträchtlichen Ausdehnung der
von uns zu reinigenden Seegebiete sicher noch ein Jahr in Anspruch nehmen wird,
so sind von der Marine dauernd die folgenden Aufgaben zu erfüllen:


Die Marine eine Notwendigkeit für das Deutsche Reich

Die Marine eine Notwendigkeit für das Deutsche Reich
Admiral z. D. Bachmann von

WM
MMein an der See gelegener Staat kann ohne eine der Ausdehnung
seiner Küsten und seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechende
Seemacht auskommen. Das wird durch die Geschichte aller in
Frage kommenden Staaten bewiesen. In dein politisch zerstückelten
und nur mit seinen nördlichsten Ländern an das Meer grenzenden
Deutschland hat seit Jahrhunderten eine kontinentale Auffassung vorherrschen und
der Irrglaube aufkommen können, der Deutsche vermöge ohne Kriegsflotte, nur
gesichert durch ein tüchtiges Heer, in Ruhe zu leben. Dieser Glaube hat sich immer
wieder verhängnisvoll erwiesen, wie unsere Geschichte zeigt. Stets von neuem ergab
sich unter dem Zwang der Verhältnisse die Notwendigkeit, eins Flotte zu bauen. Es
braucht nur an die Schaffung der Kriegsflotte des Großen Kurfürsten, an die deutsche
Bundesmarine, die Preußische und Schleswig-Holsteinische Marine, die Marine des
Norddeutschen Bundes (seit 1866) und schließlich an die Kaiserlich Deutsche Marine
(seit 1871) erinnert zu werden. Alle diese Schöpfungen waren keine künstlichen,
etwa der Liebhaberei eines Herrschers oder der vorübergehenden Laune der öffent¬
lichen Meinung entsprungenen Gebilde, sondern sie sind zwangsläufig entstanden,
um dem Staat die seinen Lebensbedürfnissen entsprechende militärische Macht zur
See zu verschaffen. Wollte man diese historische Erfahrung unbeachtet lassen und
die uns aus der letzten großen Flottenentwicklung noch gebliebenen Marinewerte
(Schiffe, Personal, Marincanlagen, Erfahrungen) preisgeben, so wäre das, ebenso
wie ein etwaiges Abreißenlassen der kostbaren Tradition, nicht zu verantworten-
Früher oder später würde sicherlich die zwingende Notwendigkeit eintreten, alles von
neuem aufzubauen, und dann einen weit höheren Preis zu zahlen, als die Erhaltung
des Vorhandenen jetzt kostet.

Man hört hin und wieder die Ansicht, für die Marine, wie sie uns durch den
Friedensvertrag gelassen worden ist, lägen keine ihrer Größe entsprechenden
wichtigen Aufgaben vor, ja es wird bisweilen behauptet, wir könnten unter den
jetzigen Verhältnissen ganz ohne Marine auskommen. Die letztere Ansicht wird
schon durch das in der Einleitung Gesagte widerlegt. Was die der Marine jetzt und
später zufallenden Aufgaben anlangt, so sollen sie nachfolgend in Mrze behandelt
werden.

Selbstverständlich ist unsere jetzige kleine Marine nicht imstande, Seekriege
gegen flottenstarke Staaten zu führen. Das haben unsere Feinde durch das uns
zugebilligte enge Ausmaß unserer Seerüstung wohlweislich unmöglich gemacht-
Trotzdem bleiben aber noch mannigfache wichtige Aufgaben übrig, die für unsere
jetzige Marine erfüllbar sind und die ohne sie gar nicht geleistet werden können.

Sieht man ab von der noch in Gang befindlichen umfangreichen und zeit¬
raubenden Arbeit des Minenräumens, die bei der beträchtlichen Ausdehnung der
von uns zu reinigenden Seegebiete sicher noch ein Jahr in Anspruch nehmen wird,
so sind von der Marine dauernd die folgenden Aufgaben zu erfüllen:


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[0316] Die Marine eine Notwendigkeit für das Deutsche Reich Die Marine eine Notwendigkeit für das Deutsche Reich Admiral z. D. Bachmann von WM MMein an der See gelegener Staat kann ohne eine der Ausdehnung seiner Küsten und seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechende Seemacht auskommen. Das wird durch die Geschichte aller in Frage kommenden Staaten bewiesen. In dein politisch zerstückelten und nur mit seinen nördlichsten Ländern an das Meer grenzenden Deutschland hat seit Jahrhunderten eine kontinentale Auffassung vorherrschen und der Irrglaube aufkommen können, der Deutsche vermöge ohne Kriegsflotte, nur gesichert durch ein tüchtiges Heer, in Ruhe zu leben. Dieser Glaube hat sich immer wieder verhängnisvoll erwiesen, wie unsere Geschichte zeigt. Stets von neuem ergab sich unter dem Zwang der Verhältnisse die Notwendigkeit, eins Flotte zu bauen. Es braucht nur an die Schaffung der Kriegsflotte des Großen Kurfürsten, an die deutsche Bundesmarine, die Preußische und Schleswig-Holsteinische Marine, die Marine des Norddeutschen Bundes (seit 1866) und schließlich an die Kaiserlich Deutsche Marine (seit 1871) erinnert zu werden. Alle diese Schöpfungen waren keine künstlichen, etwa der Liebhaberei eines Herrschers oder der vorübergehenden Laune der öffent¬ lichen Meinung entsprungenen Gebilde, sondern sie sind zwangsläufig entstanden, um dem Staat die seinen Lebensbedürfnissen entsprechende militärische Macht zur See zu verschaffen. Wollte man diese historische Erfahrung unbeachtet lassen und die uns aus der letzten großen Flottenentwicklung noch gebliebenen Marinewerte (Schiffe, Personal, Marincanlagen, Erfahrungen) preisgeben, so wäre das, ebenso wie ein etwaiges Abreißenlassen der kostbaren Tradition, nicht zu verantworten- Früher oder später würde sicherlich die zwingende Notwendigkeit eintreten, alles von neuem aufzubauen, und dann einen weit höheren Preis zu zahlen, als die Erhaltung des Vorhandenen jetzt kostet. Man hört hin und wieder die Ansicht, für die Marine, wie sie uns durch den Friedensvertrag gelassen worden ist, lägen keine ihrer Größe entsprechenden wichtigen Aufgaben vor, ja es wird bisweilen behauptet, wir könnten unter den jetzigen Verhältnissen ganz ohne Marine auskommen. Die letztere Ansicht wird schon durch das in der Einleitung Gesagte widerlegt. Was die der Marine jetzt und später zufallenden Aufgaben anlangt, so sollen sie nachfolgend in Mrze behandelt werden. Selbstverständlich ist unsere jetzige kleine Marine nicht imstande, Seekriege gegen flottenstarke Staaten zu führen. Das haben unsere Feinde durch das uns zugebilligte enge Ausmaß unserer Seerüstung wohlweislich unmöglich gemacht- Trotzdem bleiben aber noch mannigfache wichtige Aufgaben übrig, die für unsere jetzige Marine erfüllbar sind und die ohne sie gar nicht geleistet werden können. Sieht man ab von der noch in Gang befindlichen umfangreichen und zeit¬ raubenden Arbeit des Minenräumens, die bei der beträchtlichen Ausdehnung der von uns zu reinigenden Seegebiete sicher noch ein Jahr in Anspruch nehmen wird, so sind von der Marine dauernd die folgenden Aufgaben zu erfüllen:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/316>, abgerufen am 29.06.2024.