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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Paula Modersohn

Die eingehenden Summen sollten ursprünglich zur raschen Abtragung der Reichs¬
schulden dienen, werden aber aller Voraussicht nach durch laufende und einmalige
Ausgaben, für die keine andere Deckung vorhanden ist, aufgebraucht werden. Die
Betriebe aber, denen so hohe Anteile des Betriebsvermögens entzogen werden,
erfahren dadurch eine solche Schwächung, daß das künftige Betriebsergebnis und
damit die Steuerkraft nicht nur um den verhältnismäßigen Betrag, sondern weit
darüber hinaus vermindert werden wird. Mit anderen Worten, die deutsche
Volkswirtschaft wird durch das Reichsnotopfer, wenn es voll erlegt würde, um
S0 bis 40 Milliarden Mark geschwächt, ohne daß die eingehenden Summen vom
Reich werbend angelegt werden. Der Ertrag dieser Summe wird also aus der
Volkswirtschaft verschwinden. Die Sinnlosigkeit dieser Bestimmung ist durch die
Zulassung einer Tilgungsrente zwar einigermaßen gemildert. Aber damit wird
der Denkfehler, der in diesem ganzen Steuerplan liegt, nicht korrigiert. Denn
diese Besitzsteuer ist rein fiskalisch gedacht, volkswirtschaftlich aber ein völliger
Fehlgriff. Wenn das Reich zur Abtragung seiner Schulden den Zugriff auf den
Besitz nicht entbehren zu können glaubt, dann müßte das in einer Form geschehen,
die nicht den Ertrag der Volkswirtschaft schädigt. Das Reich konnte sich
als Eigentümer des betreffenden Anteils des Betriebsvermögens erklären und in
dieser Höhe am Ertrag teilnehmen. Dann war keine Einschränkung der Betriebe
erforderlich und die dauernden Einnahmen des Reiches viel höher als die Zinsen
der Steuersumme. Gewiß läßt sich dieses System nur für größere Betriebe
durchführen und bedarf der Überwindung vieler Schwierigkeiten. Aber die dürfen
nicht abhalten, einen Weg zu beschreiten, der allein hoffen läßt, ohne Lähmung
der Betriebe den hohen Bedarf des Reiches dauernd aufzubringen. Es ist der
Weg, der allein die Möglichkeit für eine Gemeinwirtschaft bietet, die den ge¬
sunden Gedanken des Sozialismus verwirklicht, ohne zum Niedergang zu führen.




Paula Modersohn
Elisabeth von Orth von

er ist Paula Modersohn? Paula Modersohn wurde als drittes Kind
des Buurats Becker, der als Ingenieur in der Eisenbahuverwaltung
tätig war, am 8. Februar 1876 in Dresden geboren. Ein reichliches
Jahrzehnt später siedelte die Familie nach Bremen über, und hier
. blieb Paula bis zu ihrem zwanzigsten Jahr, dem ersten Wendepunkt
Mes Lebens. Bis dahin mag sie sich über den Umfang ihrer Begabung und Be¬
stimmung zur Kunst selbst nicht recht klar gewesen sein. Der gelegentliche Zeichen¬
unterricht, den sie bis 1896 genoß, kann ihr kaum mehr als Elementarkenntnisse
^ermittelt haben. Aber nun schien sich plötzlich die junge Kraft zu regen und ihrer
selbst bewußt zu werden. Die Ellen schickten sie nach Berlin, damit sie dort eine
Kindliche Ausbildung empfange.

Die nächsten Jahre verlebt sie teils in Berlin, wo Hausmann, Störing, Dett-
l"ann und Jeanne Bauet ihre Lehrer sind, teils in Worpstvede, dem "Wunder- und


Paula Modersohn

Die eingehenden Summen sollten ursprünglich zur raschen Abtragung der Reichs¬
schulden dienen, werden aber aller Voraussicht nach durch laufende und einmalige
Ausgaben, für die keine andere Deckung vorhanden ist, aufgebraucht werden. Die
Betriebe aber, denen so hohe Anteile des Betriebsvermögens entzogen werden,
erfahren dadurch eine solche Schwächung, daß das künftige Betriebsergebnis und
damit die Steuerkraft nicht nur um den verhältnismäßigen Betrag, sondern weit
darüber hinaus vermindert werden wird. Mit anderen Worten, die deutsche
Volkswirtschaft wird durch das Reichsnotopfer, wenn es voll erlegt würde, um
S0 bis 40 Milliarden Mark geschwächt, ohne daß die eingehenden Summen vom
Reich werbend angelegt werden. Der Ertrag dieser Summe wird also aus der
Volkswirtschaft verschwinden. Die Sinnlosigkeit dieser Bestimmung ist durch die
Zulassung einer Tilgungsrente zwar einigermaßen gemildert. Aber damit wird
der Denkfehler, der in diesem ganzen Steuerplan liegt, nicht korrigiert. Denn
diese Besitzsteuer ist rein fiskalisch gedacht, volkswirtschaftlich aber ein völliger
Fehlgriff. Wenn das Reich zur Abtragung seiner Schulden den Zugriff auf den
Besitz nicht entbehren zu können glaubt, dann müßte das in einer Form geschehen,
die nicht den Ertrag der Volkswirtschaft schädigt. Das Reich konnte sich
als Eigentümer des betreffenden Anteils des Betriebsvermögens erklären und in
dieser Höhe am Ertrag teilnehmen. Dann war keine Einschränkung der Betriebe
erforderlich und die dauernden Einnahmen des Reiches viel höher als die Zinsen
der Steuersumme. Gewiß läßt sich dieses System nur für größere Betriebe
durchführen und bedarf der Überwindung vieler Schwierigkeiten. Aber die dürfen
nicht abhalten, einen Weg zu beschreiten, der allein hoffen läßt, ohne Lähmung
der Betriebe den hohen Bedarf des Reiches dauernd aufzubringen. Es ist der
Weg, der allein die Möglichkeit für eine Gemeinwirtschaft bietet, die den ge¬
sunden Gedanken des Sozialismus verwirklicht, ohne zum Niedergang zu führen.




Paula Modersohn
Elisabeth von Orth von

er ist Paula Modersohn? Paula Modersohn wurde als drittes Kind
des Buurats Becker, der als Ingenieur in der Eisenbahuverwaltung
tätig war, am 8. Februar 1876 in Dresden geboren. Ein reichliches
Jahrzehnt später siedelte die Familie nach Bremen über, und hier
. blieb Paula bis zu ihrem zwanzigsten Jahr, dem ersten Wendepunkt
Mes Lebens. Bis dahin mag sie sich über den Umfang ihrer Begabung und Be¬
stimmung zur Kunst selbst nicht recht klar gewesen sein. Der gelegentliche Zeichen¬
unterricht, den sie bis 1896 genoß, kann ihr kaum mehr als Elementarkenntnisse
^ermittelt haben. Aber nun schien sich plötzlich die junge Kraft zu regen und ihrer
selbst bewußt zu werden. Die Ellen schickten sie nach Berlin, damit sie dort eine
Kindliche Ausbildung empfange.

Die nächsten Jahre verlebt sie teils in Berlin, wo Hausmann, Störing, Dett-
l"ann und Jeanne Bauet ihre Lehrer sind, teils in Worpstvede, dem „Wunder- und


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[0281] Paula Modersohn Die eingehenden Summen sollten ursprünglich zur raschen Abtragung der Reichs¬ schulden dienen, werden aber aller Voraussicht nach durch laufende und einmalige Ausgaben, für die keine andere Deckung vorhanden ist, aufgebraucht werden. Die Betriebe aber, denen so hohe Anteile des Betriebsvermögens entzogen werden, erfahren dadurch eine solche Schwächung, daß das künftige Betriebsergebnis und damit die Steuerkraft nicht nur um den verhältnismäßigen Betrag, sondern weit darüber hinaus vermindert werden wird. Mit anderen Worten, die deutsche Volkswirtschaft wird durch das Reichsnotopfer, wenn es voll erlegt würde, um S0 bis 40 Milliarden Mark geschwächt, ohne daß die eingehenden Summen vom Reich werbend angelegt werden. Der Ertrag dieser Summe wird also aus der Volkswirtschaft verschwinden. Die Sinnlosigkeit dieser Bestimmung ist durch die Zulassung einer Tilgungsrente zwar einigermaßen gemildert. Aber damit wird der Denkfehler, der in diesem ganzen Steuerplan liegt, nicht korrigiert. Denn diese Besitzsteuer ist rein fiskalisch gedacht, volkswirtschaftlich aber ein völliger Fehlgriff. Wenn das Reich zur Abtragung seiner Schulden den Zugriff auf den Besitz nicht entbehren zu können glaubt, dann müßte das in einer Form geschehen, die nicht den Ertrag der Volkswirtschaft schädigt. Das Reich konnte sich als Eigentümer des betreffenden Anteils des Betriebsvermögens erklären und in dieser Höhe am Ertrag teilnehmen. Dann war keine Einschränkung der Betriebe erforderlich und die dauernden Einnahmen des Reiches viel höher als die Zinsen der Steuersumme. Gewiß läßt sich dieses System nur für größere Betriebe durchführen und bedarf der Überwindung vieler Schwierigkeiten. Aber die dürfen nicht abhalten, einen Weg zu beschreiten, der allein hoffen läßt, ohne Lähmung der Betriebe den hohen Bedarf des Reiches dauernd aufzubringen. Es ist der Weg, der allein die Möglichkeit für eine Gemeinwirtschaft bietet, die den ge¬ sunden Gedanken des Sozialismus verwirklicht, ohne zum Niedergang zu führen. Paula Modersohn Elisabeth von Orth von er ist Paula Modersohn? Paula Modersohn wurde als drittes Kind des Buurats Becker, der als Ingenieur in der Eisenbahuverwaltung tätig war, am 8. Februar 1876 in Dresden geboren. Ein reichliches Jahrzehnt später siedelte die Familie nach Bremen über, und hier . blieb Paula bis zu ihrem zwanzigsten Jahr, dem ersten Wendepunkt Mes Lebens. Bis dahin mag sie sich über den Umfang ihrer Begabung und Be¬ stimmung zur Kunst selbst nicht recht klar gewesen sein. Der gelegentliche Zeichen¬ unterricht, den sie bis 1896 genoß, kann ihr kaum mehr als Elementarkenntnisse ^ermittelt haben. Aber nun schien sich plötzlich die junge Kraft zu regen und ihrer selbst bewußt zu werden. Die Ellen schickten sie nach Berlin, damit sie dort eine Kindliche Ausbildung empfange. Die nächsten Jahre verlebt sie teils in Berlin, wo Hausmann, Störing, Dett- l"ann und Jeanne Bauet ihre Lehrer sind, teils in Worpstvede, dem „Wunder- und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/281>, abgerufen am 29.06.2024.