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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr.

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Worte der Ermutigung usw. --von der preußischen Wallouei

Worte der Ermutigung falls man in Spaa
vernünftiger ist als in Versailles.
n Friedrich List vo

Ein Individuum kann arm sein, wenn es aber die Kraft besitzt, eine größere Summe
von wertvollen Gegenständen zu schaffen, als es konsumiert, so wird es reich.

Die Kraft, Reichtümer zu schaffen, ist demnach unendlich wichtiger als der Reichtum
selbst; sie verbürgt nicht nur den Besitz und die Vermehrung des Erworbenen, sondern auch
den Ersatz des Verlorenen. Dies ist noch vielmehr der Fall bei ganzen Nationen, die nicht
von Renten leben können, als bei Privaten. Deutschland ist in jedem Jahrhundert durch
Pest, durch Hungersnot oder durch innere und äußere Kriege verheert worden; immer hat es
aber einen großen Teil seiner Produktiven Kräfte gerettet, und so gelangte es schnell wieder
zu einige", Wohlstand, während das reiche und mächtige, aber despotm- und pfaffengerittene
Spanien, im vollen Besitz des innern Friedens, immer tiefer in Armut und Elend versank.
Noch scheint den Spanien, dieselbe Sonne, noch besitzen sie denselben Grund und Boden, noch
sind ihre Bergwerke so reich, noch sind sie'dasselbe Volk wie vor der Entdeckung von Amerika
und vor Einführung der Inquisition: aber dieses Volk hat nach und nach seine produktive
Kraft verloren, darum ist es arm und elend geworden. Der nordamerikanische Befreiungs¬
krieg hat die Ration Hunderte von Millionen gekostet, aber ihre produktive Kraft ward durch
die Erwerbung der Nativnalselbstündigkeit unermeßlich gestärkt, darum konnte sie im Laufe
weniger Jahre nach dem Frieden ungleich größere Reichtümer erwerben, als sie je zuvor
besessen hatte. Man vergleiche den Zustand von Frankreich im Jahre 1809 mit dem vom
Jahre 1339; welch ein Unterschied! Und doch hat Frankreich seitdem seine Herrschaft über
einen großen Teil des europäischen Kontinents verloren, zwei verheerende Invasionen erlitten
und Milliarden an Kriegskontributionen und Entschädigungen entrichtet.




Von der preußischen Wallonei
Prof. Dr. Oswald Deuerling von

erner verzichtet Deutschland zugunsten Belgiens auf
alle Rechte und Ansprüche auf die Gesamtheit der Kreise von
Eupen und Malmed y." Äußerlich verschwindet dieser Ab¬
schnitt 34 des Friedensvertrages fast unter den 440 Bestimmungen
und doch schließt er so viel Wehschreie guter Deutscher ein. Also
auch hier Landabtretung, und zwar an Belgien. Was ist aber Belgien? Es war
einst das Gebiet des deutschen Herzogtums Niederlothringen, dann der spanischen
und österreichischen Niederlande, bis es durch Englands Einfluß 1330 als selb¬
ständiger, angeblich neutraler Staat, aber mit Haut und Haaren den Briten und
Franzosen verkauft, erstand. Obwohl drei Fünftel der Bevölkerung Vlamen, ger¬
manische niederdeutsche, sind, haben doch die zwei Fünftel wallonischer, französisch
gesinnter Bewohner die Herrschaft an sich gerissen. Was fragen diese Französlinge
und ihre fremden Auftraggeber danach, ob sich die Vlamen oder Deutschen ihre Ver¬
waltung selber bestimmen wollen! Nein, wie im sogenannten Belgien, so wird


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Worte der Ermutigung usw. —von der preußischen Wallouei

Worte der Ermutigung falls man in Spaa
vernünftiger ist als in Versailles.
n Friedrich List vo

Ein Individuum kann arm sein, wenn es aber die Kraft besitzt, eine größere Summe
von wertvollen Gegenständen zu schaffen, als es konsumiert, so wird es reich.

Die Kraft, Reichtümer zu schaffen, ist demnach unendlich wichtiger als der Reichtum
selbst; sie verbürgt nicht nur den Besitz und die Vermehrung des Erworbenen, sondern auch
den Ersatz des Verlorenen. Dies ist noch vielmehr der Fall bei ganzen Nationen, die nicht
von Renten leben können, als bei Privaten. Deutschland ist in jedem Jahrhundert durch
Pest, durch Hungersnot oder durch innere und äußere Kriege verheert worden; immer hat es
aber einen großen Teil seiner Produktiven Kräfte gerettet, und so gelangte es schnell wieder
zu einige», Wohlstand, während das reiche und mächtige, aber despotm- und pfaffengerittene
Spanien, im vollen Besitz des innern Friedens, immer tiefer in Armut und Elend versank.
Noch scheint den Spanien, dieselbe Sonne, noch besitzen sie denselben Grund und Boden, noch
sind ihre Bergwerke so reich, noch sind sie'dasselbe Volk wie vor der Entdeckung von Amerika
und vor Einführung der Inquisition: aber dieses Volk hat nach und nach seine produktive
Kraft verloren, darum ist es arm und elend geworden. Der nordamerikanische Befreiungs¬
krieg hat die Ration Hunderte von Millionen gekostet, aber ihre produktive Kraft ward durch
die Erwerbung der Nativnalselbstündigkeit unermeßlich gestärkt, darum konnte sie im Laufe
weniger Jahre nach dem Frieden ungleich größere Reichtümer erwerben, als sie je zuvor
besessen hatte. Man vergleiche den Zustand von Frankreich im Jahre 1809 mit dem vom
Jahre 1339; welch ein Unterschied! Und doch hat Frankreich seitdem seine Herrschaft über
einen großen Teil des europäischen Kontinents verloren, zwei verheerende Invasionen erlitten
und Milliarden an Kriegskontributionen und Entschädigungen entrichtet.




Von der preußischen Wallonei
Prof. Dr. Oswald Deuerling von

erner verzichtet Deutschland zugunsten Belgiens auf
alle Rechte und Ansprüche auf die Gesamtheit der Kreise von
Eupen und Malmed y." Äußerlich verschwindet dieser Ab¬
schnitt 34 des Friedensvertrages fast unter den 440 Bestimmungen
und doch schließt er so viel Wehschreie guter Deutscher ein. Also
auch hier Landabtretung, und zwar an Belgien. Was ist aber Belgien? Es war
einst das Gebiet des deutschen Herzogtums Niederlothringen, dann der spanischen
und österreichischen Niederlande, bis es durch Englands Einfluß 1330 als selb¬
ständiger, angeblich neutraler Staat, aber mit Haut und Haaren den Briten und
Franzosen verkauft, erstand. Obwohl drei Fünftel der Bevölkerung Vlamen, ger¬
manische niederdeutsche, sind, haben doch die zwei Fünftel wallonischer, französisch
gesinnter Bewohner die Herrschaft an sich gerissen. Was fragen diese Französlinge
und ihre fremden Auftraggeber danach, ob sich die Vlamen oder Deutschen ihre Ver¬
waltung selber bestimmen wollen! Nein, wie im sogenannten Belgien, so wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337640/15>, abgerufen am 29.06.2024.