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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr.

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Der Ausländsdeutsche

Nordaustralien und Britisch-Papua erwiesen --, ein stiller, unaufhörlich fort¬
schreitender innerer Zersetzungsprozeß durch das ganze Südseeschutzgebiet, dem
eine Stagnation folgen wird, wie sie im unter der Regierung von Queensland
stehenden englischen Teil von Neuguinea schon seit einigen Jahren tatsächlich ein¬
getreten ist.

Wenn irgend jemand, so glaube ich zu wissen, was wir an dem Südseeschutzgebiet,
vor allem an seinem Hauptteil, Kaiser-Wilhelmsland, verloren haben mit seiner
die früheren Schätzungen weit überschreitenden Bevölkerungsziffer, mit seinen
mineralischen, der Erschließung harrenden Bodenschätzen, mit seinen Fett und Ol
in ungezählter Menge liefernden Kokos- und bisher unbekannten Bergpandcmus-
palmen, mit seinen bereits aufgefundenen Petroleumstätten und Kohlenlagern,
mit seinen noch unverwertet daliegenden, ausgedehnten, für den Anbau großzügiger
Zuckerrohrplantagen besser als Queensland geeigneten, alluvialen, küstennahen
Ebenen, mit seinen unschätzbaren Viehzuchtmöglichkeiten im Großen wie als Ein¬
geborenenkultur und anderem mehr. Und nicht nur die Aussicht, dieses für die
Nohstoffzufuhr unseres Vaterlandes im Verein mit den afrikanischen Kolonien so
wichtige Jnselgebiet dauernd zu verlieren, sondern auch die zu einer sittlichen
Verpflichtung gewordene, uns Deutschen verliehene, durch das treue, trotz der
schwierigsten Verhältnisse nicht zu erschütternde Zuunsstehen der Farbigen so
glänzend erwiesene Gabe, den schwarzen und braunen Naturvölkern nicht nur
äußere, sondern auch innere Werte bringen zu können, muß uns Deutsche immer
mehr zur Tat anspornen, die schönen Kolonien möglichst bald wieder unter unserem
Schutz zu vereinigen, deren Bevölkerung ebenso sehnsüchtig wie in Ostafrika, im
Ovamboland, in Togo und in Kamerun uns in Neuguinea zurückerwartet.




T>er Auslandsdeutsche
Moeller van den Brück von

as deutsche Volk steht noch immer vor einem unverstandenen Kriege.
So sehr ist die Nation gewöhnt, ein Binnendasein zu führen, daß
es ihr schwer fällt, die Ereignisse, die über sie hingingen, aus
Gründen zu verstehen, die außer ihr liegen. Dieselbe Nation, deren
" geistigen Blick für große Zusammenhänge man zu rühmen pflegt,
scheint für Außenpolitik wie verdorben zu sein. Auch der Krieg war für sie nur
eme Unterbrechung des unbekümmerten, des äußerst betriebsamen aber politisch
billig teilnahmlosen Lebens, in dem sie sich wohl fühlte. Sie brach ihn ab,
^eil sie in Gutgläubigkeit annahm, wenn nur Friede sei, dann werde sich dieses
^-eben wieder aufnehmen lassen. Zwar hat die Revolution sie aus ihrer politischen
Leidenschaftslosigkeit aufgerissen. Aber wieder wird alle Kraft in einer Innen¬
politik vertan, die vor allem gegen sich selbst rast. Das Volk hat den Krieg
beinahe vergessen. Es lebt an seinen Folgen möglichst vorbei. Es hat das Be¬
dürfnis, sich immer noch ungetroffen zu fühlen. Und erst in dem Maße, wie


Grenzboten II 1S20 6
Der Ausländsdeutsche

Nordaustralien und Britisch-Papua erwiesen —, ein stiller, unaufhörlich fort¬
schreitender innerer Zersetzungsprozeß durch das ganze Südseeschutzgebiet, dem
eine Stagnation folgen wird, wie sie im unter der Regierung von Queensland
stehenden englischen Teil von Neuguinea schon seit einigen Jahren tatsächlich ein¬
getreten ist.

Wenn irgend jemand, so glaube ich zu wissen, was wir an dem Südseeschutzgebiet,
vor allem an seinem Hauptteil, Kaiser-Wilhelmsland, verloren haben mit seiner
die früheren Schätzungen weit überschreitenden Bevölkerungsziffer, mit seinen
mineralischen, der Erschließung harrenden Bodenschätzen, mit seinen Fett und Ol
in ungezählter Menge liefernden Kokos- und bisher unbekannten Bergpandcmus-
palmen, mit seinen bereits aufgefundenen Petroleumstätten und Kohlenlagern,
mit seinen noch unverwertet daliegenden, ausgedehnten, für den Anbau großzügiger
Zuckerrohrplantagen besser als Queensland geeigneten, alluvialen, küstennahen
Ebenen, mit seinen unschätzbaren Viehzuchtmöglichkeiten im Großen wie als Ein¬
geborenenkultur und anderem mehr. Und nicht nur die Aussicht, dieses für die
Nohstoffzufuhr unseres Vaterlandes im Verein mit den afrikanischen Kolonien so
wichtige Jnselgebiet dauernd zu verlieren, sondern auch die zu einer sittlichen
Verpflichtung gewordene, uns Deutschen verliehene, durch das treue, trotz der
schwierigsten Verhältnisse nicht zu erschütternde Zuunsstehen der Farbigen so
glänzend erwiesene Gabe, den schwarzen und braunen Naturvölkern nicht nur
äußere, sondern auch innere Werte bringen zu können, muß uns Deutsche immer
mehr zur Tat anspornen, die schönen Kolonien möglichst bald wieder unter unserem
Schutz zu vereinigen, deren Bevölkerung ebenso sehnsüchtig wie in Ostafrika, im
Ovamboland, in Togo und in Kamerun uns in Neuguinea zurückerwartet.




T>er Auslandsdeutsche
Moeller van den Brück von

as deutsche Volk steht noch immer vor einem unverstandenen Kriege.
So sehr ist die Nation gewöhnt, ein Binnendasein zu führen, daß
es ihr schwer fällt, die Ereignisse, die über sie hingingen, aus
Gründen zu verstehen, die außer ihr liegen. Dieselbe Nation, deren
„ geistigen Blick für große Zusammenhänge man zu rühmen pflegt,
scheint für Außenpolitik wie verdorben zu sein. Auch der Krieg war für sie nur
eme Unterbrechung des unbekümmerten, des äußerst betriebsamen aber politisch
billig teilnahmlosen Lebens, in dem sie sich wohl fühlte. Sie brach ihn ab,
^eil sie in Gutgläubigkeit annahm, wenn nur Friede sei, dann werde sich dieses
^-eben wieder aufnehmen lassen. Zwar hat die Revolution sie aus ihrer politischen
Leidenschaftslosigkeit aufgerissen. Aber wieder wird alle Kraft in einer Innen¬
politik vertan, die vor allem gegen sich selbst rast. Das Volk hat den Krieg
beinahe vergessen. Es lebt an seinen Folgen möglichst vorbei. Es hat das Be¬
dürfnis, sich immer noch ungetroffen zu fühlen. Und erst in dem Maße, wie


Grenzboten II 1S20 6
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[0087] Der Ausländsdeutsche Nordaustralien und Britisch-Papua erwiesen —, ein stiller, unaufhörlich fort¬ schreitender innerer Zersetzungsprozeß durch das ganze Südseeschutzgebiet, dem eine Stagnation folgen wird, wie sie im unter der Regierung von Queensland stehenden englischen Teil von Neuguinea schon seit einigen Jahren tatsächlich ein¬ getreten ist. Wenn irgend jemand, so glaube ich zu wissen, was wir an dem Südseeschutzgebiet, vor allem an seinem Hauptteil, Kaiser-Wilhelmsland, verloren haben mit seiner die früheren Schätzungen weit überschreitenden Bevölkerungsziffer, mit seinen mineralischen, der Erschließung harrenden Bodenschätzen, mit seinen Fett und Ol in ungezählter Menge liefernden Kokos- und bisher unbekannten Bergpandcmus- palmen, mit seinen bereits aufgefundenen Petroleumstätten und Kohlenlagern, mit seinen noch unverwertet daliegenden, ausgedehnten, für den Anbau großzügiger Zuckerrohrplantagen besser als Queensland geeigneten, alluvialen, küstennahen Ebenen, mit seinen unschätzbaren Viehzuchtmöglichkeiten im Großen wie als Ein¬ geborenenkultur und anderem mehr. Und nicht nur die Aussicht, dieses für die Nohstoffzufuhr unseres Vaterlandes im Verein mit den afrikanischen Kolonien so wichtige Jnselgebiet dauernd zu verlieren, sondern auch die zu einer sittlichen Verpflichtung gewordene, uns Deutschen verliehene, durch das treue, trotz der schwierigsten Verhältnisse nicht zu erschütternde Zuunsstehen der Farbigen so glänzend erwiesene Gabe, den schwarzen und braunen Naturvölkern nicht nur äußere, sondern auch innere Werte bringen zu können, muß uns Deutsche immer mehr zur Tat anspornen, die schönen Kolonien möglichst bald wieder unter unserem Schutz zu vereinigen, deren Bevölkerung ebenso sehnsüchtig wie in Ostafrika, im Ovamboland, in Togo und in Kamerun uns in Neuguinea zurückerwartet. T>er Auslandsdeutsche Moeller van den Brück von as deutsche Volk steht noch immer vor einem unverstandenen Kriege. So sehr ist die Nation gewöhnt, ein Binnendasein zu führen, daß es ihr schwer fällt, die Ereignisse, die über sie hingingen, aus Gründen zu verstehen, die außer ihr liegen. Dieselbe Nation, deren „ geistigen Blick für große Zusammenhänge man zu rühmen pflegt, scheint für Außenpolitik wie verdorben zu sein. Auch der Krieg war für sie nur eme Unterbrechung des unbekümmerten, des äußerst betriebsamen aber politisch billig teilnahmlosen Lebens, in dem sie sich wohl fühlte. Sie brach ihn ab, ^eil sie in Gutgläubigkeit annahm, wenn nur Friede sei, dann werde sich dieses ^-eben wieder aufnehmen lassen. Zwar hat die Revolution sie aus ihrer politischen Leidenschaftslosigkeit aufgerissen. Aber wieder wird alle Kraft in einer Innen¬ politik vertan, die vor allem gegen sich selbst rast. Das Volk hat den Krieg beinahe vergessen. Es lebt an seinen Folgen möglichst vorbei. Es hat das Be¬ dürfnis, sich immer noch ungetroffen zu fühlen. Und erst in dem Maße, wie Grenzboten II 1S20 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_337236/87>, abgerufen am 28.06.2024.