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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

hast als "Erläuterung" bezeichnet, in Wirk¬
lichkeit keine Erläuterung, sondern ein offen¬
barer Rückzug. Denn wenn der ursprüng¬
liche Sinn der Eidesformel wirklich kein
anderer gewesen wäre, als der, daß die
Beamten im Dienste die Verfassung beobachten
sollten, so wäre es doch sinnlos gewesen,
-diese selbstverständliche Pflicht, die jedem
Gesetze gegenüber besteht, mit dem Ausdruck
"Treue" zu bezeichnen, um so sinnloser, als
doch die alte preußische Eidesformel das
bequeme Muster "die Verfassung gewissenhaft
beobachten" darbot. Vielmehr war der Sinn
des Eides vor dieser Auslegung für jeden,
der ihn unbefangen Prüfte, ein weiter¬
gehender: der Eid band den Beamten
mit dem Bande der Persönlichen
Treue an die Reichsverfassung und damit
"n zahlreiche darin verankerte "Errungen¬
schaften" der Revolution und erst als man
las, daß man sich damit auf einen recht
gefährlichen Weg begeben hatte, hat man
den Rückzug angetreten und ihm nach außen
hin das Feigenblatt der "Erläuterung" um¬
gehängt, statt einfach den Eid abzuändern.
Wahrscheinlich hielt man es für notwendig,
auf diese Weise die früher so heftig an¬
gefeindete Autorität des Vorgesetzten zu
wahren.

Das ist die Geschichte dieser Eidesleistung.
Sie ist wieder einmal ein Beweis für die
sorgfältige und durchdachte Art, mit der wir
gegenwärtig regiert werden und die es mit
sich bringt, daß man wichtige Staatsakte
vornimmt, ohne sich vorher über ihre Be¬
deutung und Folgen genügend klar zu
werden, und sie infolgedessen nach kurzer Zeit
revidieren muß. Auch wird es gerade im
gegenwärtigen Augenblicke nützlich sein, Wenn

Beamtenschaft aus diesem Falle das
lernt, daß die Negierung gegenüber einer
wirklich entschlossenen Haltung der Beamten
und deren berechtigten Wünschen es nicht
auf ei . R-r. nen Konflikt ankommen läßt

Die Abstimmn",, in Eupen - Malmedy.

Die Vereinigten Landsmannschaften Eupen-
Malmedv richteten an den Bevollmächtigten
der belgischen Regierung in Aachen die nach¬
folgende Eingabe, die wir wegen des her¬
vorragenden sachlichen Interesses im Wortlaut
wiedergeben:

[Spaltenumbruch]

Herr Senator I Aus den Zeitungen
haben wir erfahren, daß Euer Hochwohl-
geboren als Bevollmächtigter der Königlichen
Belgischen Regierung mit den Vertretern
der Deutschen Regierung in Aachen Ver¬
handlungen über die Kreise Eupen und
Malmedy führen. In der Annahme, daß
bei diesen Verhandlungen auch die im Ar¬
tikel 34 des Friedensvertrages für diese
Gebiete vorgesehene Volksabstimmung er¬
örtert werden wird, nehmen wir, die Inter¬
essenvertretung der Eupener und Malmedyer
im Deutschen Reich, uns die Freiheit, Ihnen
folgendes zu unterbreiten:

Von unseren Mitgliedern erhalten wir
dauernd Anfragen, ob sie sich an der Ab¬
stimmung beteiligen können, wann diese
stattfindet, welche Paßformalitäten zu er¬
füllen sind usw. Wir sind nicht in der Lage,
diese Fragen zu beantworten, da unseres
Wissens noch keinerlei Anordnungen erlassen
worden sind, aus denen die näheren Einzel¬
heiten der Abstimmung ersichtlich wären.
Insbesondere ist, soweit uns bekannt, noch
nicht bestimmt, wer sich an der Abstimmung
beteiligen darf. Im Artikel Se wird von
den "Bewohnern" der beiden Kreise ge¬
sprochen. Wir können nicht glauben, daß
damit lediglich die gemeint sind, die gegen¬
wärtig in den Gebieten ansässig sind, denn
bei den anderen Abstimmungsgebieten --
Schleswig, Ost- und Westpreußen, Over-
schlesten ^- ist das Stimmrecht außer den
Ansässigen auch denen zuerkannt, die
ans den Gebieten stammen. Dies entspricht
dem sich mit Naturnotwendigkeit aufdrängen¬
den Grundsatze, daß an der Entscheidung
über das Schicksal eines Landes alle Per¬
sonen beteiligt werden müssen, die zu dem
Lande in besonders engen Beziehungen
stehen.

Dieser Grundsatz ist, wie wir glauben,
so allgemein gültig und mit dem Wesen
jeder Volksabstimmung so eng verknüpft,
daß es uns ganz unverständlich-wäre, wenn
er für Eupen und Malmedy nicht ebenso
Anwendung finden würde wie für die an¬
deren Abstimmungsgebiete. Darauf, daß
Artikel 34 die aus Eupen und Malmedy
stammenden Personen nicht ausdrücklich er¬
wähnt, kann unmöglich Gewicht gelegt

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Drinnen und draußen

[Beginn Spaltensatz]

hast als „Erläuterung" bezeichnet, in Wirk¬
lichkeit keine Erläuterung, sondern ein offen¬
barer Rückzug. Denn wenn der ursprüng¬
liche Sinn der Eidesformel wirklich kein
anderer gewesen wäre, als der, daß die
Beamten im Dienste die Verfassung beobachten
sollten, so wäre es doch sinnlos gewesen,
-diese selbstverständliche Pflicht, die jedem
Gesetze gegenüber besteht, mit dem Ausdruck
„Treue" zu bezeichnen, um so sinnloser, als
doch die alte preußische Eidesformel das
bequeme Muster „die Verfassung gewissenhaft
beobachten" darbot. Vielmehr war der Sinn
des Eides vor dieser Auslegung für jeden,
der ihn unbefangen Prüfte, ein weiter¬
gehender: der Eid band den Beamten
mit dem Bande der Persönlichen
Treue an die Reichsverfassung und damit
«n zahlreiche darin verankerte „Errungen¬
schaften" der Revolution und erst als man
las, daß man sich damit auf einen recht
gefährlichen Weg begeben hatte, hat man
den Rückzug angetreten und ihm nach außen
hin das Feigenblatt der „Erläuterung" um¬
gehängt, statt einfach den Eid abzuändern.
Wahrscheinlich hielt man es für notwendig,
auf diese Weise die früher so heftig an¬
gefeindete Autorität des Vorgesetzten zu
wahren.

Das ist die Geschichte dieser Eidesleistung.
Sie ist wieder einmal ein Beweis für die
sorgfältige und durchdachte Art, mit der wir
gegenwärtig regiert werden und die es mit
sich bringt, daß man wichtige Staatsakte
vornimmt, ohne sich vorher über ihre Be¬
deutung und Folgen genügend klar zu
werden, und sie infolgedessen nach kurzer Zeit
revidieren muß. Auch wird es gerade im
gegenwärtigen Augenblicke nützlich sein, Wenn

Beamtenschaft aus diesem Falle das
lernt, daß die Negierung gegenüber einer
wirklich entschlossenen Haltung der Beamten
und deren berechtigten Wünschen es nicht
auf ei . R-r. nen Konflikt ankommen läßt

Die Abstimmn»,, in Eupen - Malmedy.

Die Vereinigten Landsmannschaften Eupen-
Malmedv richteten an den Bevollmächtigten
der belgischen Regierung in Aachen die nach¬
folgende Eingabe, die wir wegen des her¬
vorragenden sachlichen Interesses im Wortlaut
wiedergeben:

[Spaltenumbruch]

Herr Senator I Aus den Zeitungen
haben wir erfahren, daß Euer Hochwohl-
geboren als Bevollmächtigter der Königlichen
Belgischen Regierung mit den Vertretern
der Deutschen Regierung in Aachen Ver¬
handlungen über die Kreise Eupen und
Malmedy führen. In der Annahme, daß
bei diesen Verhandlungen auch die im Ar¬
tikel 34 des Friedensvertrages für diese
Gebiete vorgesehene Volksabstimmung er¬
örtert werden wird, nehmen wir, die Inter¬
essenvertretung der Eupener und Malmedyer
im Deutschen Reich, uns die Freiheit, Ihnen
folgendes zu unterbreiten:

Von unseren Mitgliedern erhalten wir
dauernd Anfragen, ob sie sich an der Ab¬
stimmung beteiligen können, wann diese
stattfindet, welche Paßformalitäten zu er¬
füllen sind usw. Wir sind nicht in der Lage,
diese Fragen zu beantworten, da unseres
Wissens noch keinerlei Anordnungen erlassen
worden sind, aus denen die näheren Einzel¬
heiten der Abstimmung ersichtlich wären.
Insbesondere ist, soweit uns bekannt, noch
nicht bestimmt, wer sich an der Abstimmung
beteiligen darf. Im Artikel Se wird von
den „Bewohnern" der beiden Kreise ge¬
sprochen. Wir können nicht glauben, daß
damit lediglich die gemeint sind, die gegen¬
wärtig in den Gebieten ansässig sind, denn
bei den anderen Abstimmungsgebieten —
Schleswig, Ost- und Westpreußen, Over-
schlesten ^- ist das Stimmrecht außer den
Ansässigen auch denen zuerkannt, die
ans den Gebieten stammen. Dies entspricht
dem sich mit Naturnotwendigkeit aufdrängen¬
den Grundsatze, daß an der Entscheidung
über das Schicksal eines Landes alle Per¬
sonen beteiligt werden müssen, die zu dem
Lande in besonders engen Beziehungen
stehen.

Dieser Grundsatz ist, wie wir glauben,
so allgemein gültig und mit dem Wesen
jeder Volksabstimmung so eng verknüpft,
daß es uns ganz unverständlich-wäre, wenn
er für Eupen und Malmedy nicht ebenso
Anwendung finden würde wie für die an¬
deren Abstimmungsgebiete. Darauf, daß
Artikel 34 die aus Eupen und Malmedy
stammenden Personen nicht ausdrücklich er¬
wähnt, kann unmöglich Gewicht gelegt

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[0319] Drinnen und draußen hast als „Erläuterung" bezeichnet, in Wirk¬ lichkeit keine Erläuterung, sondern ein offen¬ barer Rückzug. Denn wenn der ursprüng¬ liche Sinn der Eidesformel wirklich kein anderer gewesen wäre, als der, daß die Beamten im Dienste die Verfassung beobachten sollten, so wäre es doch sinnlos gewesen, -diese selbstverständliche Pflicht, die jedem Gesetze gegenüber besteht, mit dem Ausdruck „Treue" zu bezeichnen, um so sinnloser, als doch die alte preußische Eidesformel das bequeme Muster „die Verfassung gewissenhaft beobachten" darbot. Vielmehr war der Sinn des Eides vor dieser Auslegung für jeden, der ihn unbefangen Prüfte, ein weiter¬ gehender: der Eid band den Beamten mit dem Bande der Persönlichen Treue an die Reichsverfassung und damit «n zahlreiche darin verankerte „Errungen¬ schaften" der Revolution und erst als man las, daß man sich damit auf einen recht gefährlichen Weg begeben hatte, hat man den Rückzug angetreten und ihm nach außen hin das Feigenblatt der „Erläuterung" um¬ gehängt, statt einfach den Eid abzuändern. Wahrscheinlich hielt man es für notwendig, auf diese Weise die früher so heftig an¬ gefeindete Autorität des Vorgesetzten zu wahren. Das ist die Geschichte dieser Eidesleistung. Sie ist wieder einmal ein Beweis für die sorgfältige und durchdachte Art, mit der wir gegenwärtig regiert werden und die es mit sich bringt, daß man wichtige Staatsakte vornimmt, ohne sich vorher über ihre Be¬ deutung und Folgen genügend klar zu werden, und sie infolgedessen nach kurzer Zeit revidieren muß. Auch wird es gerade im gegenwärtigen Augenblicke nützlich sein, Wenn Beamtenschaft aus diesem Falle das lernt, daß die Negierung gegenüber einer wirklich entschlossenen Haltung der Beamten und deren berechtigten Wünschen es nicht auf ei . R-r. nen Konflikt ankommen läßt Die Abstimmn»,, in Eupen - Malmedy. Die Vereinigten Landsmannschaften Eupen- Malmedv richteten an den Bevollmächtigten der belgischen Regierung in Aachen die nach¬ folgende Eingabe, die wir wegen des her¬ vorragenden sachlichen Interesses im Wortlaut wiedergeben: Herr Senator I Aus den Zeitungen haben wir erfahren, daß Euer Hochwohl- geboren als Bevollmächtigter der Königlichen Belgischen Regierung mit den Vertretern der Deutschen Regierung in Aachen Ver¬ handlungen über die Kreise Eupen und Malmedy führen. In der Annahme, daß bei diesen Verhandlungen auch die im Ar¬ tikel 34 des Friedensvertrages für diese Gebiete vorgesehene Volksabstimmung er¬ örtert werden wird, nehmen wir, die Inter¬ essenvertretung der Eupener und Malmedyer im Deutschen Reich, uns die Freiheit, Ihnen folgendes zu unterbreiten: Von unseren Mitgliedern erhalten wir dauernd Anfragen, ob sie sich an der Ab¬ stimmung beteiligen können, wann diese stattfindet, welche Paßformalitäten zu er¬ füllen sind usw. Wir sind nicht in der Lage, diese Fragen zu beantworten, da unseres Wissens noch keinerlei Anordnungen erlassen worden sind, aus denen die näheren Einzel¬ heiten der Abstimmung ersichtlich wären. Insbesondere ist, soweit uns bekannt, noch nicht bestimmt, wer sich an der Abstimmung beteiligen darf. Im Artikel Se wird von den „Bewohnern" der beiden Kreise ge¬ sprochen. Wir können nicht glauben, daß damit lediglich die gemeint sind, die gegen¬ wärtig in den Gebieten ansässig sind, denn bei den anderen Abstimmungsgebieten — Schleswig, Ost- und Westpreußen, Over- schlesten ^- ist das Stimmrecht außer den Ansässigen auch denen zuerkannt, die ans den Gebieten stammen. Dies entspricht dem sich mit Naturnotwendigkeit aufdrängen¬ den Grundsatze, daß an der Entscheidung über das Schicksal eines Landes alle Per¬ sonen beteiligt werden müssen, die zu dem Lande in besonders engen Beziehungen stehen. Dieser Grundsatz ist, wie wir glauben, so allgemein gültig und mit dem Wesen jeder Volksabstimmung so eng verknüpft, daß es uns ganz unverständlich-wäre, wenn er für Eupen und Malmedy nicht ebenso Anwendung finden würde wie für die an¬ deren Abstimmungsgebiete. Darauf, daß Artikel 34 die aus Eupen und Malmedy stammenden Personen nicht ausdrücklich er¬ wähnt, kann unmöglich Gewicht gelegt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/319>, abgerufen am 27.07.2024.