Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Erziehung zur Staatskunst und Verzweiflung gebracht, daß keine Negierung fähig sein wird, all den Schaden Die Erfahrung hat uns gewitzigt, vorsichtig in der Abschätzung von Even¬ Wenigstens einen Hoffnungsschimmer kann uns die gegenwärtige inner- Das notwendige Korrelat dazu ist natürlich, daß wir selbst alles tun, um Aber auch der beste Wille Deutschlands, in seinem internationalen Ver¬ Erziehung zur ^taatskunst Dr. Rarl Hoffmann von n ihren entscheidenden Ursachen ist unsere Niederlage mehr eine Erziehung zur Staatskunst und Verzweiflung gebracht, daß keine Negierung fähig sein wird, all den Schaden Die Erfahrung hat uns gewitzigt, vorsichtig in der Abschätzung von Even¬ Wenigstens einen Hoffnungsschimmer kann uns die gegenwärtige inner- Das notwendige Korrelat dazu ist natürlich, daß wir selbst alles tun, um Aber auch der beste Wille Deutschlands, in seinem internationalen Ver¬ Erziehung zur ^taatskunst Dr. Rarl Hoffmann von n ihren entscheidenden Ursachen ist unsere Niederlage mehr eine <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0211" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/337056"/> <fw type="header" place="top"> Erziehung zur Staatskunst</fw><lb/> <p xml:id="ID_1830" prev="#ID_1829"> und Verzweiflung gebracht, daß keine Negierung fähig sein wird, all den Schaden<lb/> wiedergutzumachen, den sie angerichtet haben. Erfolg ist unmöglich. Wir haben<lb/> oft die Notwendigkeit betont, alle Kraft und Hilfe zusammenzufassen, die eine<lb/> Arbeiterregieruug unter Männern und Frauen finden kann, die daran ver-<lb/> zweifeln, aus den alten politischen Gruppen eine menschliche, tapfere und demo-<lb/> kratische Regierung zu bilden, die mithelfen wird, Europa sicher und bewohnbar<lb/> zu machen. Eine Arbeiterregierung mit der engsten, beschränktesten Erfahrung<lb/> würde, geleitet von der natürlichen Sympathie der Arbeiter, niemals so unheil-<lb/> bringende Fehler gemacht haben, als die sind, für welche die Welt heute mit<lb/> Hunger und Elend bezahlt." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1831"> Die Erfahrung hat uns gewitzigt, vorsichtig in der Abschätzung von Even¬<lb/> tualitäten zu sein, von denen wir einen politischen Nutzen erhoffen. Wir dürfen<lb/> aber doch auch nicht zu pessimistisch sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1832"> Wenigstens einen Hoffnungsschimmer kann uns die gegenwärtige inner-<lb/> Politische Entwicklung Englands auch für unsere eigene Entwicklung und für die<lb/> Zukunft Europas geben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1833"> Das notwendige Korrelat dazu ist natürlich, daß wir selbst alles tun, um<lb/> bei uns zu versuchen, es innerhalb Deutschlands nicht zur Katastrophe gelcmgzn<lb/> zu lassen. Die Eindämmung der Papiergeldwirtschaft und die Hebung der Arbeit<lb/> im Lande sollte die größte Sorge der Regierung sein. So wie es jetzt bei uns<lb/> steht, geht es nicht weiter.</p><lb/> <p xml:id="ID_1834"> Aber auch der beste Wille Deutschlands, in seinem internationalen Ver¬<lb/> halten die Konsequenzen aus den durch seine Niederlage gegebenen Verpflich¬<lb/> tungen zu ziehen, die größte Anstrengung, seine Wirtschaft in Gang zu halten,<lb/> wird die Welt nicht vor dem Ruin bewahren, wenn sie nicht begreift, daß es<lb/> höhere Ideale gibt, als einen geschlagenen Feind vollkommen zu vernichten und<lb/> damit schließlich den eigenen Untergang herbeizuführen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Erziehung zur ^taatskunst<lb/><note type="byline"> Dr. Rarl Hoffmann</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1835" next="#ID_1836"> n ihren entscheidenden Ursachen ist unsere Niederlage mehr eine<lb/> politische als eine militärische Niederlage gewesen. Wir erlagen<lb/> der englischen Politik auf der feindlichen Seite und der österreichischen<lb/> Politik innerhalb unserer eigenen Partei. Aber nicht einzelnen<lb/> englischen oder österreichischen Staatsmännern find wir erlegen,<lb/> sondern der englischen und der Habsburgischen Staatskunst. Denn dies ist das<lb/> Seltsame und der Fluch unserer Schwäche, daß es eine deutsche Staatskunst, die<lb/> steh fortsetzt, vererbt und auf die Dauer wirkt, überhaupt nicht gibt. Alle unsere<lb/> Leistungen im außenpolitischen Geschehen hingen immer von großen Einzelnen<lb/> ab. Die Leistung stieg auf und verschwand mit der Wirkung dieser Genies.<lb/> Solange sie lebten und das Geschick von Staaten bestimmten, wuchs daS</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0211]
Erziehung zur Staatskunst
und Verzweiflung gebracht, daß keine Negierung fähig sein wird, all den Schaden
wiedergutzumachen, den sie angerichtet haben. Erfolg ist unmöglich. Wir haben
oft die Notwendigkeit betont, alle Kraft und Hilfe zusammenzufassen, die eine
Arbeiterregieruug unter Männern und Frauen finden kann, die daran ver-
zweifeln, aus den alten politischen Gruppen eine menschliche, tapfere und demo-
kratische Regierung zu bilden, die mithelfen wird, Europa sicher und bewohnbar
zu machen. Eine Arbeiterregierung mit der engsten, beschränktesten Erfahrung
würde, geleitet von der natürlichen Sympathie der Arbeiter, niemals so unheil-
bringende Fehler gemacht haben, als die sind, für welche die Welt heute mit
Hunger und Elend bezahlt." —
Die Erfahrung hat uns gewitzigt, vorsichtig in der Abschätzung von Even¬
tualitäten zu sein, von denen wir einen politischen Nutzen erhoffen. Wir dürfen
aber doch auch nicht zu pessimistisch sein.
Wenigstens einen Hoffnungsschimmer kann uns die gegenwärtige inner-
Politische Entwicklung Englands auch für unsere eigene Entwicklung und für die
Zukunft Europas geben.
Das notwendige Korrelat dazu ist natürlich, daß wir selbst alles tun, um
bei uns zu versuchen, es innerhalb Deutschlands nicht zur Katastrophe gelcmgzn
zu lassen. Die Eindämmung der Papiergeldwirtschaft und die Hebung der Arbeit
im Lande sollte die größte Sorge der Regierung sein. So wie es jetzt bei uns
steht, geht es nicht weiter.
Aber auch der beste Wille Deutschlands, in seinem internationalen Ver¬
halten die Konsequenzen aus den durch seine Niederlage gegebenen Verpflich¬
tungen zu ziehen, die größte Anstrengung, seine Wirtschaft in Gang zu halten,
wird die Welt nicht vor dem Ruin bewahren, wenn sie nicht begreift, daß es
höhere Ideale gibt, als einen geschlagenen Feind vollkommen zu vernichten und
damit schließlich den eigenen Untergang herbeizuführen.
Erziehung zur ^taatskunst
Dr. Rarl Hoffmann von
n ihren entscheidenden Ursachen ist unsere Niederlage mehr eine
politische als eine militärische Niederlage gewesen. Wir erlagen
der englischen Politik auf der feindlichen Seite und der österreichischen
Politik innerhalb unserer eigenen Partei. Aber nicht einzelnen
englischen oder österreichischen Staatsmännern find wir erlegen,
sondern der englischen und der Habsburgischen Staatskunst. Denn dies ist das
Seltsame und der Fluch unserer Schwäche, daß es eine deutsche Staatskunst, die
steh fortsetzt, vererbt und auf die Dauer wirkt, überhaupt nicht gibt. Alle unsere
Leistungen im außenpolitischen Geschehen hingen immer von großen Einzelnen
ab. Die Leistung stieg auf und verschwand mit der Wirkung dieser Genies.
Solange sie lebten und das Geschick von Staaten bestimmten, wuchs daS
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |