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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Wirtschaftsspiegel

des Verwaltungsbeamten Ogier für die befreiten Gebiete, des Vorkämpfers der
Syndikatsbewegung Coupat für das Unterstaatssekretariat für Fortbildungsschulen,
sowie von neuen Männern wie Jsciac, früheren Präsidenten der Handelskammer
Lyon (Handel), Jourdain (Arbeit), der Unterstaatssekretäre Thoumyre und Reihet,
größtenteils Mitarbeiter der 1910 von Millerand gegründeten Zeitschrift "I^e
parlement et 1'Opinion", werden stellenweise als Entschluß, tatsächliche Arbeit
zu leisten, aufgefaßt, aber die vorsichtige Zurückhaltung von erfahrenen Politikern
wie Vivicmi und Raoul Perce, die den Eintritt in das Kabinett ablehnten, sowie
die erste Abstimmung deuten doch mehr darauf hin, daß man auf die Entschlüsse
Poincarss wartet.

Jnnerpolitisch erwarten das neue Kabinett bedeutende, zum Teil ungeheure
Aufgaben: der Wiederaufbau, die 'Finanzreform, die sozialen Reformen, endlich
die Durchführung oder Versumpfung des immer wieder hinausgeschobenen
Caillauxprozesses. Die endgültige Unschädlichmachung Caillaux und seiner Partei¬
freunde gilt der Rechten als ein Teil des .Kampfes gegen Deutschland und hat
insofern auch für uns Interesse. Außenpolitisch gilt es eine in der Presse bereits
sich vorbereitende Umgestaltung der Stellungnahme gegen die russische Sowjet¬
regierung, sowie die Durchführung des Friedensvertrages. Da schon aus
innerpolitischen Rücksichten jedes Regieruugsmitglied in Frankreich sich genötigt
sehen wird, jeden Mißstand der inneren Organisation, Verwaltung und Wirtschaft
auf die Mängel des Friedensvertrages zu schieben, ist vorderhand an keine Milderung
zu denken und auch die neuesten Erklärungen des "Temps" sollte man mit viel
Vorsicht aufnehmen, zumal wenn Poincars wirklich wieder ans Nuder kommt.
Es gibt, je mehr Amerika sich vom europäischen Kriegsschauplatz zurückzieht, für
Frankreich ja nur zwei Wege: Zusammenarbeit mit Deutschland oder Abhängigkeit
von England. Die bisherige Politik Poincarös, die Wiederaufnahme der Be¬
ziehungen zum Vatikan, die einmal eingeschlagene Bahn der Annexion des
linken Rheinufers, der Begünstigung Polens und des deutschen Partikularismus,
für die geschlossen alle Militärs sind, und die sich nicht so ohne weiteres einstelle!!
läßt, lassen die Wahl, die Frankreich treffen wird, kaum als zweifelhaft erscheinen.


Menenius


Wirtschaftsspiegel

Die Sechsstundenschicht im Bergbau? Über dem Jndustriegelände zwischen
Duisburg und Dortmund, dem Fundament unserer Volkswirtschaft, ballten sich
in den letzten Tagen drohend schwarze Wetterwolken zusammen. Die Ursache des
drohenden Unwetters war die Sechsstundenschicht im Bergbau. Schon seit Monaten
bearbeitet die kommunistische und unabhängige Presse die Bergarbeiter zu dem
Zwecke, die kürzere Schichtdauer durch Streik oder durch passive Resistenz zu
erzwingen, ganz gleich, was daraus folgt. Ja, kommunistische Kreise propagierten
sogar schon die Fünfstundenschicht, wahrscheinlich, weil sie damit rechnen, daß die
Sechsstundenschicht erzwungen werden w>rd. Die Arbeitgeber werden diese
Forderung aber me bewilligen: denn es wäre Wahnsinn und Vermessenheit, die
Hand zur Zerstörung des letzten Nestes unserer Volkswirtschaft zu bieten.

Als der Achtstundentag im November 19t 3 im Bergbau seinen Einzug
hielt und erhebliche Lohnftsigerungen und Erhöhungen der Selbstkosten der
einzelnen Werke die unmittelbare Folge waren, mußten zahlreiche Arbeitskräfte
neu eingestellt werden, die außer dem Mehr an Löhnen erhöhte Ausgaben für
Versicherungsbeiträge usw. erforderten. Die Förderung verbesserte sich indessen


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des Verwaltungsbeamten Ogier für die befreiten Gebiete, des Vorkämpfers der
Syndikatsbewegung Coupat für das Unterstaatssekretariat für Fortbildungsschulen,
sowie von neuen Männern wie Jsciac, früheren Präsidenten der Handelskammer
Lyon (Handel), Jourdain (Arbeit), der Unterstaatssekretäre Thoumyre und Reihet,
größtenteils Mitarbeiter der 1910 von Millerand gegründeten Zeitschrift „I^e
parlement et 1'Opinion", werden stellenweise als Entschluß, tatsächliche Arbeit
zu leisten, aufgefaßt, aber die vorsichtige Zurückhaltung von erfahrenen Politikern
wie Vivicmi und Raoul Perce, die den Eintritt in das Kabinett ablehnten, sowie
die erste Abstimmung deuten doch mehr darauf hin, daß man auf die Entschlüsse
Poincarss wartet.

Jnnerpolitisch erwarten das neue Kabinett bedeutende, zum Teil ungeheure
Aufgaben: der Wiederaufbau, die 'Finanzreform, die sozialen Reformen, endlich
die Durchführung oder Versumpfung des immer wieder hinausgeschobenen
Caillauxprozesses. Die endgültige Unschädlichmachung Caillaux und seiner Partei¬
freunde gilt der Rechten als ein Teil des .Kampfes gegen Deutschland und hat
insofern auch für uns Interesse. Außenpolitisch gilt es eine in der Presse bereits
sich vorbereitende Umgestaltung der Stellungnahme gegen die russische Sowjet¬
regierung, sowie die Durchführung des Friedensvertrages. Da schon aus
innerpolitischen Rücksichten jedes Regieruugsmitglied in Frankreich sich genötigt
sehen wird, jeden Mißstand der inneren Organisation, Verwaltung und Wirtschaft
auf die Mängel des Friedensvertrages zu schieben, ist vorderhand an keine Milderung
zu denken und auch die neuesten Erklärungen des „Temps" sollte man mit viel
Vorsicht aufnehmen, zumal wenn Poincars wirklich wieder ans Nuder kommt.
Es gibt, je mehr Amerika sich vom europäischen Kriegsschauplatz zurückzieht, für
Frankreich ja nur zwei Wege: Zusammenarbeit mit Deutschland oder Abhängigkeit
von England. Die bisherige Politik Poincarös, die Wiederaufnahme der Be¬
ziehungen zum Vatikan, die einmal eingeschlagene Bahn der Annexion des
linken Rheinufers, der Begünstigung Polens und des deutschen Partikularismus,
für die geschlossen alle Militärs sind, und die sich nicht so ohne weiteres einstelle!!
läßt, lassen die Wahl, die Frankreich treffen wird, kaum als zweifelhaft erscheinen.


Menenius


Wirtschaftsspiegel

Die Sechsstundenschicht im Bergbau? Über dem Jndustriegelände zwischen
Duisburg und Dortmund, dem Fundament unserer Volkswirtschaft, ballten sich
in den letzten Tagen drohend schwarze Wetterwolken zusammen. Die Ursache des
drohenden Unwetters war die Sechsstundenschicht im Bergbau. Schon seit Monaten
bearbeitet die kommunistische und unabhängige Presse die Bergarbeiter zu dem
Zwecke, die kürzere Schichtdauer durch Streik oder durch passive Resistenz zu
erzwingen, ganz gleich, was daraus folgt. Ja, kommunistische Kreise propagierten
sogar schon die Fünfstundenschicht, wahrscheinlich, weil sie damit rechnen, daß die
Sechsstundenschicht erzwungen werden w>rd. Die Arbeitgeber werden diese
Forderung aber me bewilligen: denn es wäre Wahnsinn und Vermessenheit, die
Hand zur Zerstörung des letzten Nestes unserer Volkswirtschaft zu bieten.

Als der Achtstundentag im November 19t 3 im Bergbau seinen Einzug
hielt und erhebliche Lohnftsigerungen und Erhöhungen der Selbstkosten der
einzelnen Werke die unmittelbare Folge waren, mußten zahlreiche Arbeitskräfte
neu eingestellt werden, die außer dem Mehr an Löhnen erhöhte Ausgaben für
Versicherungsbeiträge usw. erforderten. Die Förderung verbesserte sich indessen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/188>, abgerufen am 21.12.2024.