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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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nicht; im Gegenteil, sie ging immer mehr zurück und die Kohlenpreise stiegen.
Trotz dieses schwerwiegenden Danaergeschenkes der Regierung folgte ein Kohlen¬
arbeiterstreik dem andern. Die Ansprüche der Bergarbeiter steigerten sich immer
mehr, so daß der während der Kriegszeit erzielte Gewinn von durchschnittlich
113,2 Millionen Mark schon durch den von Anfang November 1918 bis Ende
April 1919 entstandenen Verlust von V2 Milliarde Mark vollkommen ausgeglichen
wurde. Monatliche Betriebsverluste von sage und schreibe 2 bis 3 Millionen
Mark waren nichts Neues.

Auf Einwirkung des damaligen Reichsarbeitsministers Bauer hielt dann
am 9. April 1919 die siebenstündige Arbeitszeit für die unter Tage beschäftigten
Arbeiter ihren Einzug. In diese Arbeitszeit wurde die Ein- und Ausfahrt mit
einbegriffen, so daß die tatsächliche reine Arbeitszeit nur 5V2 Stunden beträgt.
Dadurch waren die deutschen Bergarbeiter besser gestellt als die englischen, die
erst August 1919 die verkürzte Arbeitszeit auf 7 Stunden, jedoch unter Ausschluß
der Ein- und Ausfahl t, bewilligt erhielten. Die Folge der Herabsetzung der
Arbeitszeit auf K Stunden war ein riesenhafter Rückgang der Produktion. Eine
Kohlennot setzte ein, wie wir sie bisher noch nicht kennen gelernt hatten. Die
Kraft-, Wärme- und Lichtquellen mußten teilweiss versiegen und es entstand ein
völliger Rohstoffmangel bei denjenigen Wirtschaftszweigen, die sich auf die Kohle,
den Koth und die Gewinnung der Nebenprodukte als ihre einzige Rohstoffquelle
stützen. Ans allen Teilen Deutschlands liegen erschütternde Meldungen über die
Not laufender Arbeitsloser und ihrer Familien vor. Ganze Industrien sind bereits
zum Stillstand gekommen; weitere folgen. Der Kohlenmangel macht sich ganz
besonders im Nuhrgebict verhängnisvoll bemerkbar. Buchstäblich liegen hier die Kohlen
vor der Tür, und doch muß ein Betrieb nach dem anderen schließen. Sogar die
gemischten Betriebe, die über eigene Zechen in genügender Zahl verfügen, müssen es
sich bieten lassen, daß ihre selbst geförderte Kohle' oft noch im eigenen Wagen
lveggefahren wird nach Orten, wo das Bedürfnis anscheinend dringlicher als bei
ehren ist. Bei Krupp steht schon seit Monaten neben vielen anderen Betrieben
eines der größten Martins-Stahlwerke still, obwohl in seiner Nähe eine der
ergiebigsten Gruben liegt. Die Katastrophe ist so groß, daß einzelne Zechen selbst
feiern müssen, weil die Kraftwerke die Stromliefernng zum Betriebe der Förderungs¬
anlagen einstellen müssen. Weiter kommen Werke zum Stillstand oder müssen
ihren Betrieb wesentlich einschränken, die ausschließlich und in erster Linie
-"ergbaubedarf zu liefern haben, ohne deren Erzeugnisse der Bergbau nicht
leben kann. So mußte vor einigen Tagen das Stahlwerk Eickel 6: Co.
w Hagen, das Drahtseile für die Grubenförderung liefert, stillgelegt werden.
Förderseile, ein dringendes Bedürfnis des Bergbaues, sind heute kaum mehr zu
haben. Die Stillegung von Drahtseilwerken bedeutet also für den Bergbau eine
ernste, sehr ernste Gefahr. Nicht minder besorgniserregend ist die Tatsache, daß
der Vorrat an Glaszylindern für die Sicherheitslampen auf den Gruben bedenklich
SM Neige geht und wegen Stillegung der betreffenden Glasfabriken nicht mehr
in ausreichendem Maße ergänzt werden kann. Ohne diese Glaszylinder ist aber
vie Aufrechterhaltung der Grubenbeleuchtung nicht möglich. Weiter betrifft die
Stillegung der Sprengstvffabriken, derZündschnurfabriken den Bergbau unmittelbar,
savnken, welche die unentbehrlichen Förderwagen, Grubenwagenkoppelungen und
vergleichen liefern sollen, sind ebenfalls schon zum Stillstand gekommen. Ein
YeiUoser Kreislauf! Tritt hier nicht bald eine Wendung zum Besseren ein. dann
!">^ sich fast mit mathematischer Sicherheit der Tag berechnen, an dem die
veutsche Wirtschaft infolge von innerem Krästsverfall zusammenbrechen wird,

in Erläuternd braucht über die Notlage nichts weiter gesagt zu werden. Sie
M da und wirkt verheerend und nervenaufreibend und, was das Schlimmste ist,
^apud unfehlbar die Arbeitsfreudigkeit. In einem beweglichen "Aufruf an die
^rvmsbrüder im Bergbau" haben die Gewerkschaften der Metallarbeiter. Tertil-
arveiter. Fabrikarbeiter. Bauarbeiter. Transportarbeiter, Nahrungsmittelarbeiter,
Holzarbeiter, Kaliarbeiter, Zementarbeiter usw. die ungeheure Notlage in den


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nicht; im Gegenteil, sie ging immer mehr zurück und die Kohlenpreise stiegen.
Trotz dieses schwerwiegenden Danaergeschenkes der Regierung folgte ein Kohlen¬
arbeiterstreik dem andern. Die Ansprüche der Bergarbeiter steigerten sich immer
mehr, so daß der während der Kriegszeit erzielte Gewinn von durchschnittlich
113,2 Millionen Mark schon durch den von Anfang November 1918 bis Ende
April 1919 entstandenen Verlust von V2 Milliarde Mark vollkommen ausgeglichen
wurde. Monatliche Betriebsverluste von sage und schreibe 2 bis 3 Millionen
Mark waren nichts Neues.

Auf Einwirkung des damaligen Reichsarbeitsministers Bauer hielt dann
am 9. April 1919 die siebenstündige Arbeitszeit für die unter Tage beschäftigten
Arbeiter ihren Einzug. In diese Arbeitszeit wurde die Ein- und Ausfahrt mit
einbegriffen, so daß die tatsächliche reine Arbeitszeit nur 5V2 Stunden beträgt.
Dadurch waren die deutschen Bergarbeiter besser gestellt als die englischen, die
erst August 1919 die verkürzte Arbeitszeit auf 7 Stunden, jedoch unter Ausschluß
der Ein- und Ausfahl t, bewilligt erhielten. Die Folge der Herabsetzung der
Arbeitszeit auf K Stunden war ein riesenhafter Rückgang der Produktion. Eine
Kohlennot setzte ein, wie wir sie bisher noch nicht kennen gelernt hatten. Die
Kraft-, Wärme- und Lichtquellen mußten teilweiss versiegen und es entstand ein
völliger Rohstoffmangel bei denjenigen Wirtschaftszweigen, die sich auf die Kohle,
den Koth und die Gewinnung der Nebenprodukte als ihre einzige Rohstoffquelle
stützen. Ans allen Teilen Deutschlands liegen erschütternde Meldungen über die
Not laufender Arbeitsloser und ihrer Familien vor. Ganze Industrien sind bereits
zum Stillstand gekommen; weitere folgen. Der Kohlenmangel macht sich ganz
besonders im Nuhrgebict verhängnisvoll bemerkbar. Buchstäblich liegen hier die Kohlen
vor der Tür, und doch muß ein Betrieb nach dem anderen schließen. Sogar die
gemischten Betriebe, die über eigene Zechen in genügender Zahl verfügen, müssen es
sich bieten lassen, daß ihre selbst geförderte Kohle' oft noch im eigenen Wagen
lveggefahren wird nach Orten, wo das Bedürfnis anscheinend dringlicher als bei
ehren ist. Bei Krupp steht schon seit Monaten neben vielen anderen Betrieben
eines der größten Martins-Stahlwerke still, obwohl in seiner Nähe eine der
ergiebigsten Gruben liegt. Die Katastrophe ist so groß, daß einzelne Zechen selbst
feiern müssen, weil die Kraftwerke die Stromliefernng zum Betriebe der Förderungs¬
anlagen einstellen müssen. Weiter kommen Werke zum Stillstand oder müssen
ihren Betrieb wesentlich einschränken, die ausschließlich und in erster Linie
-»ergbaubedarf zu liefern haben, ohne deren Erzeugnisse der Bergbau nicht
leben kann. So mußte vor einigen Tagen das Stahlwerk Eickel 6: Co.
w Hagen, das Drahtseile für die Grubenförderung liefert, stillgelegt werden.
Förderseile, ein dringendes Bedürfnis des Bergbaues, sind heute kaum mehr zu
haben. Die Stillegung von Drahtseilwerken bedeutet also für den Bergbau eine
ernste, sehr ernste Gefahr. Nicht minder besorgniserregend ist die Tatsache, daß
der Vorrat an Glaszylindern für die Sicherheitslampen auf den Gruben bedenklich
SM Neige geht und wegen Stillegung der betreffenden Glasfabriken nicht mehr
in ausreichendem Maße ergänzt werden kann. Ohne diese Glaszylinder ist aber
vie Aufrechterhaltung der Grubenbeleuchtung nicht möglich. Weiter betrifft die
Stillegung der Sprengstvffabriken, derZündschnurfabriken den Bergbau unmittelbar,
savnken, welche die unentbehrlichen Förderwagen, Grubenwagenkoppelungen und
vergleichen liefern sollen, sind ebenfalls schon zum Stillstand gekommen. Ein
YeiUoser Kreislauf! Tritt hier nicht bald eine Wendung zum Besseren ein. dann
!">^ sich fast mit mathematischer Sicherheit der Tag berechnen, an dem die
veutsche Wirtschaft infolge von innerem Krästsverfall zusammenbrechen wird,

in Erläuternd braucht über die Notlage nichts weiter gesagt zu werden. Sie
M da und wirkt verheerend und nervenaufreibend und, was das Schlimmste ist,
^apud unfehlbar die Arbeitsfreudigkeit. In einem beweglichen „Aufruf an die
^rvmsbrüder im Bergbau" haben die Gewerkschaften der Metallarbeiter. Tertil-
arveiter. Fabrikarbeiter. Bauarbeiter. Transportarbeiter, Nahrungsmittelarbeiter,
Holzarbeiter, Kaliarbeiter, Zementarbeiter usw. die ungeheure Notlage in den


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[0189] ivirtschaflsspicgcl nicht; im Gegenteil, sie ging immer mehr zurück und die Kohlenpreise stiegen. Trotz dieses schwerwiegenden Danaergeschenkes der Regierung folgte ein Kohlen¬ arbeiterstreik dem andern. Die Ansprüche der Bergarbeiter steigerten sich immer mehr, so daß der während der Kriegszeit erzielte Gewinn von durchschnittlich 113,2 Millionen Mark schon durch den von Anfang November 1918 bis Ende April 1919 entstandenen Verlust von V2 Milliarde Mark vollkommen ausgeglichen wurde. Monatliche Betriebsverluste von sage und schreibe 2 bis 3 Millionen Mark waren nichts Neues. Auf Einwirkung des damaligen Reichsarbeitsministers Bauer hielt dann am 9. April 1919 die siebenstündige Arbeitszeit für die unter Tage beschäftigten Arbeiter ihren Einzug. In diese Arbeitszeit wurde die Ein- und Ausfahrt mit einbegriffen, so daß die tatsächliche reine Arbeitszeit nur 5V2 Stunden beträgt. Dadurch waren die deutschen Bergarbeiter besser gestellt als die englischen, die erst August 1919 die verkürzte Arbeitszeit auf 7 Stunden, jedoch unter Ausschluß der Ein- und Ausfahl t, bewilligt erhielten. Die Folge der Herabsetzung der Arbeitszeit auf K Stunden war ein riesenhafter Rückgang der Produktion. Eine Kohlennot setzte ein, wie wir sie bisher noch nicht kennen gelernt hatten. Die Kraft-, Wärme- und Lichtquellen mußten teilweiss versiegen und es entstand ein völliger Rohstoffmangel bei denjenigen Wirtschaftszweigen, die sich auf die Kohle, den Koth und die Gewinnung der Nebenprodukte als ihre einzige Rohstoffquelle stützen. Ans allen Teilen Deutschlands liegen erschütternde Meldungen über die Not laufender Arbeitsloser und ihrer Familien vor. Ganze Industrien sind bereits zum Stillstand gekommen; weitere folgen. Der Kohlenmangel macht sich ganz besonders im Nuhrgebict verhängnisvoll bemerkbar. Buchstäblich liegen hier die Kohlen vor der Tür, und doch muß ein Betrieb nach dem anderen schließen. Sogar die gemischten Betriebe, die über eigene Zechen in genügender Zahl verfügen, müssen es sich bieten lassen, daß ihre selbst geförderte Kohle' oft noch im eigenen Wagen lveggefahren wird nach Orten, wo das Bedürfnis anscheinend dringlicher als bei ehren ist. Bei Krupp steht schon seit Monaten neben vielen anderen Betrieben eines der größten Martins-Stahlwerke still, obwohl in seiner Nähe eine der ergiebigsten Gruben liegt. Die Katastrophe ist so groß, daß einzelne Zechen selbst feiern müssen, weil die Kraftwerke die Stromliefernng zum Betriebe der Förderungs¬ anlagen einstellen müssen. Weiter kommen Werke zum Stillstand oder müssen ihren Betrieb wesentlich einschränken, die ausschließlich und in erster Linie -»ergbaubedarf zu liefern haben, ohne deren Erzeugnisse der Bergbau nicht leben kann. So mußte vor einigen Tagen das Stahlwerk Eickel 6: Co. w Hagen, das Drahtseile für die Grubenförderung liefert, stillgelegt werden. Förderseile, ein dringendes Bedürfnis des Bergbaues, sind heute kaum mehr zu haben. Die Stillegung von Drahtseilwerken bedeutet also für den Bergbau eine ernste, sehr ernste Gefahr. Nicht minder besorgniserregend ist die Tatsache, daß der Vorrat an Glaszylindern für die Sicherheitslampen auf den Gruben bedenklich SM Neige geht und wegen Stillegung der betreffenden Glasfabriken nicht mehr in ausreichendem Maße ergänzt werden kann. Ohne diese Glaszylinder ist aber vie Aufrechterhaltung der Grubenbeleuchtung nicht möglich. Weiter betrifft die Stillegung der Sprengstvffabriken, derZündschnurfabriken den Bergbau unmittelbar, savnken, welche die unentbehrlichen Förderwagen, Grubenwagenkoppelungen und vergleichen liefern sollen, sind ebenfalls schon zum Stillstand gekommen. Ein YeiUoser Kreislauf! Tritt hier nicht bald eine Wendung zum Besseren ein. dann !">^ sich fast mit mathematischer Sicherheit der Tag berechnen, an dem die veutsche Wirtschaft infolge von innerem Krästsverfall zusammenbrechen wird, in Erläuternd braucht über die Notlage nichts weiter gesagt zu werden. Sie M da und wirkt verheerend und nervenaufreibend und, was das Schlimmste ist, ^apud unfehlbar die Arbeitsfreudigkeit. In einem beweglichen „Aufruf an die ^rvmsbrüder im Bergbau" haben die Gewerkschaften der Metallarbeiter. Tertil- arveiter. Fabrikarbeiter. Bauarbeiter. Transportarbeiter, Nahrungsmittelarbeiter, Holzarbeiter, Kaliarbeiter, Zementarbeiter usw. die ungeheure Notlage in den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/189>, abgerufen am 27.07.2024.