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Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.

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Aufgaben des deutschen Diktators

Aufgaben des deutschen Diktators
Hans v. H erdig von

Ohne uns in jeder Einzelheit mit den nachfolgenden
Ausführungen ineinszusetzen, bringen wir sie gern als stimmungs"
mäßige Ergänzung zu dem Aufsatz von Dr. E. Stabeler über
"Wirtschaftsdiltatur" in der vorigen Nummer. Es scheint uns
äußerst beachtlich, daß der Wille zu straffer und Verantwortlicher
Führung immer breitere Kreise der Jungen ergreift.


Die Schriftleitung

eindlicheS Ausland, Sozialisten und Überdemokraten suchen sich und
aller Welt zu beweisen, welche unbedeutende, ja verhängnisvolle
Persönlichkeit Kaiser Wilhelm der Zweite gewesen sei. Bei den
Revolutionären und ihren Mitläufern -- und in Deutschland gibt
es eigentlich keine, Revolutionäre, nur Mitläufer -- spricht aus
diesem heißen Bemühen in erster Linie die Furcht vor der Rückkehr der alten
Gewalten. Die Demokraten, zerfallend in ein Gros von Geschäftsmännern und
einen leichten Überguß von Ideologen, hassen instinktiv in dem Hohenzollern
den Repräsentanten einer Lebensauffassung, die -- lang, lang ist's her -- höhere
Werte als Geld und materiellen Gewinn geschaffen, seinem Beamtentum, seiner
Armee und sich selbst aufgezwungen und dadurch alles Händlertum eine Stufe
tiefer gestellt hatte. Dem feindlichen Ausland schließlich erscheint der Kaiser -- eine
Folge des Rufs seiner wilden Energie und seiner militärischen Begabung, seiner
Skrupellofigkeit und seiner Weltbeherrschungsgier! -- als eine dauernde Bedrohung
des europäischen Friedens.

Alle diese Mächte von Clemenceau bis Kautsky arbeiten daran, den Kaiser
moralisch für alle Zeit unmöglich zu machen. Angenommen, ihre Absicht gelänge,
obschon nach geschichtlichen Erfahrungen Völker trotz aller Gegengründe immer
wieder zu ihren unzulänglichsten Fürsten zurückkehren, so könnte die Handlungs¬
weise dieser verschiedenartigen Elemente, nur dann weitsichtig genannt werden,
wenn das, was an die Stelle des Kaisers treten wird, von ihrem Standpunkt
aus besser, vorteilhafter sein würde.

Das feindliche Ausland hat uns im Augenblick höchster Lebensgefahr und
äußerster Kraftanstrengung den Schlaftrank der Demokratie gereicht, um uns zu
betäuben und wehrlos zu machen. Das deutsche Volk wird einmal aus dieser
Narkose erwachen, würgenden Ekel in der Kehle, mit schweren Gliedern, aber
klarem, immer klarer aufdämmernden Bewußtsein. Müde aller Phrasen, müde
aller Phrasenmacher in Volksversammlungen und Parlamenten, mißtrauisch gegen
alles, was wie Schmeichelei aussieht und immer versuchter Betrug ist, wird das
deutsche Volk wie ein Verdurstender nach einem Befehl gieren, einem Befehlen¬
den entgegenjubeln, den das Geschick, nicht die ewig blinde Masse gewählt hat.

Der Vorwurf, den das deutsche Volk vielleicht Wilhelm dem Zweiten machen
könnte, wäre, kein Kaiser, kein General, kein Welteroberer, keine Preußennatur,
kein Nachfolger Friedrichs des Großen gewesen zu sein, der immer Gift bei sich
trug und an der Spitze stürmender Bataillone den Tod suchte.

Der Diktator, den Clemenceaus ferne Kurzsicht uns aufdrängen wird, für
den die jetzige Form des Sozialismus in allen Herzen Propaganda macht,! und


Aufgaben des deutschen Diktators

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Hans v. H erdig von

Ohne uns in jeder Einzelheit mit den nachfolgenden
Ausführungen ineinszusetzen, bringen wir sie gern als stimmungs»
mäßige Ergänzung zu dem Aufsatz von Dr. E. Stabeler über
„Wirtschaftsdiltatur" in der vorigen Nummer. Es scheint uns
äußerst beachtlich, daß der Wille zu straffer und Verantwortlicher
Führung immer breitere Kreise der Jungen ergreift.


Die Schriftleitung

eindlicheS Ausland, Sozialisten und Überdemokraten suchen sich und
aller Welt zu beweisen, welche unbedeutende, ja verhängnisvolle
Persönlichkeit Kaiser Wilhelm der Zweite gewesen sei. Bei den
Revolutionären und ihren Mitläufern — und in Deutschland gibt
es eigentlich keine, Revolutionäre, nur Mitläufer — spricht aus
diesem heißen Bemühen in erster Linie die Furcht vor der Rückkehr der alten
Gewalten. Die Demokraten, zerfallend in ein Gros von Geschäftsmännern und
einen leichten Überguß von Ideologen, hassen instinktiv in dem Hohenzollern
den Repräsentanten einer Lebensauffassung, die — lang, lang ist's her — höhere
Werte als Geld und materiellen Gewinn geschaffen, seinem Beamtentum, seiner
Armee und sich selbst aufgezwungen und dadurch alles Händlertum eine Stufe
tiefer gestellt hatte. Dem feindlichen Ausland schließlich erscheint der Kaiser — eine
Folge des Rufs seiner wilden Energie und seiner militärischen Begabung, seiner
Skrupellofigkeit und seiner Weltbeherrschungsgier! — als eine dauernde Bedrohung
des europäischen Friedens.

Alle diese Mächte von Clemenceau bis Kautsky arbeiten daran, den Kaiser
moralisch für alle Zeit unmöglich zu machen. Angenommen, ihre Absicht gelänge,
obschon nach geschichtlichen Erfahrungen Völker trotz aller Gegengründe immer
wieder zu ihren unzulänglichsten Fürsten zurückkehren, so könnte die Handlungs¬
weise dieser verschiedenartigen Elemente, nur dann weitsichtig genannt werden,
wenn das, was an die Stelle des Kaisers treten wird, von ihrem Standpunkt
aus besser, vorteilhafter sein würde.

Das feindliche Ausland hat uns im Augenblick höchster Lebensgefahr und
äußerster Kraftanstrengung den Schlaftrank der Demokratie gereicht, um uns zu
betäuben und wehrlos zu machen. Das deutsche Volk wird einmal aus dieser
Narkose erwachen, würgenden Ekel in der Kehle, mit schweren Gliedern, aber
klarem, immer klarer aufdämmernden Bewußtsein. Müde aller Phrasen, müde
aller Phrasenmacher in Volksversammlungen und Parlamenten, mißtrauisch gegen
alles, was wie Schmeichelei aussieht und immer versuchter Betrug ist, wird das
deutsche Volk wie ein Verdurstender nach einem Befehl gieren, einem Befehlen¬
den entgegenjubeln, den das Geschick, nicht die ewig blinde Masse gewählt hat.

Der Vorwurf, den das deutsche Volk vielleicht Wilhelm dem Zweiten machen
könnte, wäre, kein Kaiser, kein General, kein Welteroberer, keine Preußennatur,
kein Nachfolger Friedrichs des Großen gewesen zu sein, der immer Gift bei sich
trug und an der Spitze stürmender Bataillone den Tod suchte.

Der Diktator, den Clemenceaus ferne Kurzsicht uns aufdrängen wird, für
den die jetzige Form des Sozialismus in allen Herzen Propaganda macht,! und


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[0117] Aufgaben des deutschen Diktators Aufgaben des deutschen Diktators Hans v. H erdig von Ohne uns in jeder Einzelheit mit den nachfolgenden Ausführungen ineinszusetzen, bringen wir sie gern als stimmungs» mäßige Ergänzung zu dem Aufsatz von Dr. E. Stabeler über „Wirtschaftsdiltatur" in der vorigen Nummer. Es scheint uns äußerst beachtlich, daß der Wille zu straffer und Verantwortlicher Führung immer breitere Kreise der Jungen ergreift. Die Schriftleitung eindlicheS Ausland, Sozialisten und Überdemokraten suchen sich und aller Welt zu beweisen, welche unbedeutende, ja verhängnisvolle Persönlichkeit Kaiser Wilhelm der Zweite gewesen sei. Bei den Revolutionären und ihren Mitläufern — und in Deutschland gibt es eigentlich keine, Revolutionäre, nur Mitläufer — spricht aus diesem heißen Bemühen in erster Linie die Furcht vor der Rückkehr der alten Gewalten. Die Demokraten, zerfallend in ein Gros von Geschäftsmännern und einen leichten Überguß von Ideologen, hassen instinktiv in dem Hohenzollern den Repräsentanten einer Lebensauffassung, die — lang, lang ist's her — höhere Werte als Geld und materiellen Gewinn geschaffen, seinem Beamtentum, seiner Armee und sich selbst aufgezwungen und dadurch alles Händlertum eine Stufe tiefer gestellt hatte. Dem feindlichen Ausland schließlich erscheint der Kaiser — eine Folge des Rufs seiner wilden Energie und seiner militärischen Begabung, seiner Skrupellofigkeit und seiner Weltbeherrschungsgier! — als eine dauernde Bedrohung des europäischen Friedens. Alle diese Mächte von Clemenceau bis Kautsky arbeiten daran, den Kaiser moralisch für alle Zeit unmöglich zu machen. Angenommen, ihre Absicht gelänge, obschon nach geschichtlichen Erfahrungen Völker trotz aller Gegengründe immer wieder zu ihren unzulänglichsten Fürsten zurückkehren, so könnte die Handlungs¬ weise dieser verschiedenartigen Elemente, nur dann weitsichtig genannt werden, wenn das, was an die Stelle des Kaisers treten wird, von ihrem Standpunkt aus besser, vorteilhafter sein würde. Das feindliche Ausland hat uns im Augenblick höchster Lebensgefahr und äußerster Kraftanstrengung den Schlaftrank der Demokratie gereicht, um uns zu betäuben und wehrlos zu machen. Das deutsche Volk wird einmal aus dieser Narkose erwachen, würgenden Ekel in der Kehle, mit schweren Gliedern, aber klarem, immer klarer aufdämmernden Bewußtsein. Müde aller Phrasen, müde aller Phrasenmacher in Volksversammlungen und Parlamenten, mißtrauisch gegen alles, was wie Schmeichelei aussieht und immer versuchter Betrug ist, wird das deutsche Volk wie ein Verdurstender nach einem Befehl gieren, einem Befehlen¬ den entgegenjubeln, den das Geschick, nicht die ewig blinde Masse gewählt hat. Der Vorwurf, den das deutsche Volk vielleicht Wilhelm dem Zweiten machen könnte, wäre, kein Kaiser, kein General, kein Welteroberer, keine Preußennatur, kein Nachfolger Friedrichs des Großen gewesen zu sein, der immer Gift bei sich trug und an der Spitze stürmender Bataillone den Tod suchte. Der Diktator, den Clemenceaus ferne Kurzsicht uns aufdrängen wird, für den die jetzige Form des Sozialismus in allen Herzen Propaganda macht,! und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341911_336844/117>, abgerufen am 22.12.2024.