Die Grenzboten. Jg. 79, 1920, Erstes Vierteljahr.Drinnen und draußen eigen zu sein pflegt, aber innenpolitisch reichte dieser Blick allein nicht aus. Er Jetzt ist Sibirien eine Beute Japans, lokaler Regierungen, und einiger Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] Stimmungsbild aus dem besetzten Gebiet. Gin Volksschullehrer aus der Pfalz schreibt Der Generalswechsel ist, wie sich stets französischen Zeitungen immer mehr hervor Drinnen und draußen eigen zu sein pflegt, aber innenpolitisch reichte dieser Blick allein nicht aus. Er Jetzt ist Sibirien eine Beute Japans, lokaler Regierungen, und einiger Drinnen und draußen [Beginn Spaltensatz] Stimmungsbild aus dem besetzten Gebiet. Gin Volksschullehrer aus der Pfalz schreibt Der Generalswechsel ist, wie sich stets französischen Zeitungen immer mehr hervor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336948"/> <fw type="header" place="top"> Drinnen und draußen</fw><lb/> <p xml:id="ID_302" prev="#ID_301"> eigen zu sein pflegt, aber innenpolitisch reichte dieser Blick allein nicht aus. Er<lb/> hat als Berufssoldat den nächstliegenden militärischen Zweck über alle<lb/> innerpolitischen Erwägungen stellen müssen. Das durch die Westmächte und<lb/> Amerika nur unzureichend versorgte Heer brauchte Brot, Vorräte, Material, mochte<lb/> es sie nehmen, wo es sie fand. Zivilbehörden mit partikularistischen Bedenken<lb/> warnten, hinter Schloß und Riegel mit ihnen I Es mag leicht sein, daß er<lb/> selber gut demokratisch gesinnt war, seine Helfer waren es nicht. Aber sie halfen<lb/> doch, es waren fähige Soldaten, also laßt sie schalten. Der große Fehler Koltschaks<lb/> ist gewesen, daß er einem erhofften außenpolitischen Erfolge seiner Anerkennung<lb/> durch die Entente zuliebe, die einige Augenblicke lang günstige Gelegenheit, zu¬<lb/> nächst Sibirien einheitlich zusammenzufassen, seine unerschöpflichen Hilfskräfte ge¬<lb/> duldig zu organisieren, wie es, ebenfalls unzureichend, aber in der Absicht un¬<lb/> verkennbar, Denikin versucht hat, sich ohne genügende Vorbereitung in den Kampf<lb/> jenseits des Uralgebirges gestürzt hat. So ist ihm beides verloren gegangen:<lb/> der außenpolitische Erfolg und der militärische Sieg. Die Vereinigung mit der<lb/> englischen Nordarmee kam infolge wachsender englischer Kriegsmüdigkeit, gegen<lb/> die Churchill vergeblich ankämpfte, nicht zustande, Aufstände an der Verpflegungs¬<lb/> basis hinderten rasches Vorgehen, Reibereien mit den Tschecho-Slowaken und<lb/> deren selbstherrlichen Führern behinderten den Nachschub auf der sibirischen Bahn,<lb/> ein augenscheinlich durch die Japaner und den tschecho-slowakischen General Haida<lb/> unterstützter, wenn nicht hervorgerufener schwerer Aufstand in Wladiwostok war<lb/> das erste äußere Anzeichen der bedrohlichen Lage. Japan schickte Geld, aber ver-<lb/> weigerte, klug und ruhig abwartend, nur die eigenen Interessen im Auge, die<lb/> Entsendung von Truppen, ein letzter. Anfang Dezember an Amerika gerichteter<lb/> Appell mit der Drohung, falls die Alliierten ihn nicht besser unterstützten, Ost¬<lb/> sibirien an Japan abzutreten, verhallte ungehört, auch Jrkutsk ging an Auf¬<lb/> ständische verloren, und so mußte das mit vielen Hoffnungen begonnene Unter¬<lb/> nehmen zusammenbrechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_303"> Jetzt ist Sibirien eine Beute Japans, lokaler Regierungen, und einiger<lb/> Condottieren wie Semenow, Horwat, Kalmykow, die eine selbstherrliche auf Raub<lb/> und Plünderung gegründete Existenz führen, und deren Beseitigung Japans<lb/> nächste Aufgabe sein wird. Ob es inmitten dieses Chaos einer westsibirischen<lb/> Regierung gelingen wird, das Land zusammenzufassen und sich gegen die wieder<lb/> mächtig aufflammende bolschewistische Bewegung und die vielen Banden, die daS<lb/> L<note type="byline"> Menemus</note> and durchziehen, zu halten, muß abgewartet werden. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Drinnen und draußen</head><lb/> <cb type="start"/> <div n="2"> <head> Stimmungsbild aus dem besetzten Gebiet.</head> <p xml:id="ID_304"> Gin Volksschullehrer aus der Pfalz schreibt<lb/> uns Anfang Januar:</p> <p xml:id="ID_305" next="#ID_306"> Der Generalswechsel ist, wie sich stets<lb/> mehr herausstellt, durchaus nicht optimistisch<lb/> zu deuten. Degoutte ist sicher viel strenger<lb/> als Mangin war. Er kam auch ganz gewiß<lb/> mit festen Instruktionen. Die gehen auf die<lb/> Rheinische Republik, freilich nicht im Sinne<lb/> Dortens, sondern direkt auf den von Deutsch¬<lb/> land losgelösten Pufferstaat. Das wird stets<lb/> deutlicher, geht auch aus englischen und</p> <cb/><lb/> <p xml:id="ID_306" prev="#ID_305" next="#ID_307"> französischen Zeitungen immer mehr hervor<lb/> Das ganze Rheinland als Pufferstaat würde<lb/> gewiß, wenn es auch für einige Zeit ab¬<lb/> gelöst würde, der historischen Entwicklung<lb/> nicht widerstehen können und eines schönen<lb/> Tages, den wir noch erleben würden, zu<lb/> Deutschland zurückkehren. Allein, wenn nicht<lb/> alles trügt, suchen die Engländer am Nieder¬<lb/> rhein sich selbst eine Republik zu schaffen,<lb/> so daß also zwei Republiken bestünden. Die<lb/> direkte Verbindung Cöln-London spricht dafür,<lb/> aber nicht nur das. Frankreich selbst hat</p> <cb type="end"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
Drinnen und draußen
eigen zu sein pflegt, aber innenpolitisch reichte dieser Blick allein nicht aus. Er
hat als Berufssoldat den nächstliegenden militärischen Zweck über alle
innerpolitischen Erwägungen stellen müssen. Das durch die Westmächte und
Amerika nur unzureichend versorgte Heer brauchte Brot, Vorräte, Material, mochte
es sie nehmen, wo es sie fand. Zivilbehörden mit partikularistischen Bedenken
warnten, hinter Schloß und Riegel mit ihnen I Es mag leicht sein, daß er
selber gut demokratisch gesinnt war, seine Helfer waren es nicht. Aber sie halfen
doch, es waren fähige Soldaten, also laßt sie schalten. Der große Fehler Koltschaks
ist gewesen, daß er einem erhofften außenpolitischen Erfolge seiner Anerkennung
durch die Entente zuliebe, die einige Augenblicke lang günstige Gelegenheit, zu¬
nächst Sibirien einheitlich zusammenzufassen, seine unerschöpflichen Hilfskräfte ge¬
duldig zu organisieren, wie es, ebenfalls unzureichend, aber in der Absicht un¬
verkennbar, Denikin versucht hat, sich ohne genügende Vorbereitung in den Kampf
jenseits des Uralgebirges gestürzt hat. So ist ihm beides verloren gegangen:
der außenpolitische Erfolg und der militärische Sieg. Die Vereinigung mit der
englischen Nordarmee kam infolge wachsender englischer Kriegsmüdigkeit, gegen
die Churchill vergeblich ankämpfte, nicht zustande, Aufstände an der Verpflegungs¬
basis hinderten rasches Vorgehen, Reibereien mit den Tschecho-Slowaken und
deren selbstherrlichen Führern behinderten den Nachschub auf der sibirischen Bahn,
ein augenscheinlich durch die Japaner und den tschecho-slowakischen General Haida
unterstützter, wenn nicht hervorgerufener schwerer Aufstand in Wladiwostok war
das erste äußere Anzeichen der bedrohlichen Lage. Japan schickte Geld, aber ver-
weigerte, klug und ruhig abwartend, nur die eigenen Interessen im Auge, die
Entsendung von Truppen, ein letzter. Anfang Dezember an Amerika gerichteter
Appell mit der Drohung, falls die Alliierten ihn nicht besser unterstützten, Ost¬
sibirien an Japan abzutreten, verhallte ungehört, auch Jrkutsk ging an Auf¬
ständische verloren, und so mußte das mit vielen Hoffnungen begonnene Unter¬
nehmen zusammenbrechen.
Jetzt ist Sibirien eine Beute Japans, lokaler Regierungen, und einiger
Condottieren wie Semenow, Horwat, Kalmykow, die eine selbstherrliche auf Raub
und Plünderung gegründete Existenz führen, und deren Beseitigung Japans
nächste Aufgabe sein wird. Ob es inmitten dieses Chaos einer westsibirischen
Regierung gelingen wird, das Land zusammenzufassen und sich gegen die wieder
mächtig aufflammende bolschewistische Bewegung und die vielen Banden, die daS
L Menemus and durchziehen, zu halten, muß abgewartet werden.
Drinnen und draußen
Stimmungsbild aus dem besetzten Gebiet. Gin Volksschullehrer aus der Pfalz schreibt
uns Anfang Januar:
Der Generalswechsel ist, wie sich stets
mehr herausstellt, durchaus nicht optimistisch
zu deuten. Degoutte ist sicher viel strenger
als Mangin war. Er kam auch ganz gewiß
mit festen Instruktionen. Die gehen auf die
Rheinische Republik, freilich nicht im Sinne
Dortens, sondern direkt auf den von Deutsch¬
land losgelösten Pufferstaat. Das wird stets
deutlicher, geht auch aus englischen und
französischen Zeitungen immer mehr hervor
Das ganze Rheinland als Pufferstaat würde
gewiß, wenn es auch für einige Zeit ab¬
gelöst würde, der historischen Entwicklung
nicht widerstehen können und eines schönen
Tages, den wir noch erleben würden, zu
Deutschland zurückkehren. Allein, wenn nicht
alles trügt, suchen die Engländer am Nieder¬
rhein sich selbst eine Republik zu schaffen,
so daß also zwei Republiken bestünden. Die
direkte Verbindung Cöln-London spricht dafür,
aber nicht nur das. Frankreich selbst hat
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |