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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Der Aufstieg der Begabten

Der Aufstieg der Begabten
Dr. R. Schacht von

"8 Wort von der "Freien Bahn" für den Tüchtigen ist bezeichnender-
weise in einem Augenblick gefallen, als weite Kreise des deutschen
MM"! angefangen hatten, in die politische Führung Mißtrauen zu
setzen. Aber weit entfernt davon, es rein sachlich zu nehmen,
verstand man das Wort, wenn nicht ausschließlich, so doch durchaus
überwiegend im Sinne eines Klassensieges. Das Bürgertum wollte
in die leitenden Stellen, das Volk dachte an das Einjährigenprivileg.

Das Bürgertum, das über die adligen Diplomaten Schnalle, hatte sich als
ganzes im Privatleben und im Geschäftsverkehr nicht minder undiplomatisch benommen
und der Arbeiterklasse sind politische Vorreckte stets wichtiger gewesen, als die
Kulturwerte des Familienlebens und der Siedlungsfragen. Ein durchgehender
Beweis für die Berechtigung des Aufstieges war also noch keineswegs geliefert.
Auch lag dem Gedanken vom "Aufstieg der Begabten", der ja mit der "freien
Bahn" identifiziert wurde, eine merkwürdige Vorstellung vom Aufstieg zugrunde.
Aufstieg wozu? Zu den höchsten Staatsämtern? Aber auch der genialste Staats¬
mann ist machtlos, wenn das Volk miserabel ist. Zur akademischen Laufbahn?
Wir hatten schon viel mehr Akademiker "is wir brauchen konnten. Auch kann
niemand mit Recht behaupten, daß den minderbemittelten Volksklassen die akademische
Laufbahn verschlossen gewesen wäre. So weist in einem seiner umsichtigen,
kenntnisreichen, klaren und in den Tendenzen vorzüglichen Aufsätze Alfred Hille-
brcmdt (Beiträge zur Unterrichtspolitik, Breslau, W. G, Korn 1919) an Hand der
Statistik nach, daß 1911 5195 Söhnen von akademisch gebildeten Vätern 6651
solche gegenüberstanden, die von Männern ohne akademische Bildung stammten, von
Lehrern, Militärpersonen in Unteroffiziersrang, Staats- und Kommunalbeamten
ohne akademische Bildung, von Bediensteten und Arbeitern. Gerade dieser bei uns
verhältnismäßig viel häufigere als bei andern Völkern zu findende Aufstieg hat ja
jene unerquicklichen und für die allgemeine Kultur sehr bedenklichen Neben¬
erscheinungen des deutschen Gelehrtenstandes hervorgerufen: das Enge, Kleine,
Kleinliche, sich frühzeitig ohne rechte Allgemeinbildung trocken Spezialisierende, das
Armliche. Angstliche, Vrotstudentenhaste, was auch an berühmten Gelehrten der
ausländische Studierende nicht selten mit peinlichen Befremden feststellt. Es ist
eben keineswegs gleichgültig, ob einer in der mannigfach befruchtenden Atmo¬
sphäre einer mit wahrer Bildung gesättigten Familie des Gelehrten oder vor¬
nehmen Kaufmanns auswächst, wo ihm viel Kulturgut unbewußt zur Selbstver¬
ständlichkeit wird, oder in der dürftig beschränkten oder bieder stumpfsinnigen des
kleinen Beamten oder in der öde materialistisch gerichteten des modernen Geld¬
verdieners, nicht gleichgültig, ob am abendlichen Familientisch Schiller, Grillparzer,
Keller, Stifter, Reuter, Ranke, Mommsen oder nur die Zeitung gelesen werden
und ganz werden sich solche Unterschiede nie aus der Welt schaffen lassen. Das
Genie allerdings gleicht auch diese häufig aus, aber das Genie ist so selten, daß
es sich nicht lohnt, ihm zuliebe neue Organisationsvorschriften zu erlassen. Das
Genie setzt sich auch trotz der Umstände durch. Auch ist es bedenklich, junge Leute
in die akademische Laufbahn zu drängen, die in erster Linie die materiellen Seiten
ihres Berufes ins Auge zu fassen genötigt sein werden.ere

Auch wird bei der Erörterung des Problems die Wirkung der höhn
Schule, zu der man die Bahn allgemein geöffnet wünscht, vielfach überschätzt.
Sehr vieles lernt der Mensch erst wirklich, wenn er es praktisch braucht, ^es
habe im Kriege viele Menschen gesehen, die es, obwohl es ihre Stellung hatte
wünschenswert erscheinen lassen, trotz höherer Schulbildung nicht fertig brachten,
auch nur zwei fehlerfreie Sätze in einer fremden Sprache zu sprechen, wahrend
andererseits manche Leute mit Volksschulbildung sich frei und leicht auszudrücken
vermochten, ohne es je "richtig" gelernt zu haben. Das Volk hat eme ursprüngliche


Der Aufstieg der Begabten

Der Aufstieg der Begabten
Dr. R. Schacht von

"8 Wort von der „Freien Bahn" für den Tüchtigen ist bezeichnender-
weise in einem Augenblick gefallen, als weite Kreise des deutschen
MM»! angefangen hatten, in die politische Führung Mißtrauen zu
setzen. Aber weit entfernt davon, es rein sachlich zu nehmen,
verstand man das Wort, wenn nicht ausschließlich, so doch durchaus
überwiegend im Sinne eines Klassensieges. Das Bürgertum wollte
in die leitenden Stellen, das Volk dachte an das Einjährigenprivileg.

Das Bürgertum, das über die adligen Diplomaten Schnalle, hatte sich als
ganzes im Privatleben und im Geschäftsverkehr nicht minder undiplomatisch benommen
und der Arbeiterklasse sind politische Vorreckte stets wichtiger gewesen, als die
Kulturwerte des Familienlebens und der Siedlungsfragen. Ein durchgehender
Beweis für die Berechtigung des Aufstieges war also noch keineswegs geliefert.
Auch lag dem Gedanken vom „Aufstieg der Begabten", der ja mit der „freien
Bahn" identifiziert wurde, eine merkwürdige Vorstellung vom Aufstieg zugrunde.
Aufstieg wozu? Zu den höchsten Staatsämtern? Aber auch der genialste Staats¬
mann ist machtlos, wenn das Volk miserabel ist. Zur akademischen Laufbahn?
Wir hatten schon viel mehr Akademiker «is wir brauchen konnten. Auch kann
niemand mit Recht behaupten, daß den minderbemittelten Volksklassen die akademische
Laufbahn verschlossen gewesen wäre. So weist in einem seiner umsichtigen,
kenntnisreichen, klaren und in den Tendenzen vorzüglichen Aufsätze Alfred Hille-
brcmdt (Beiträge zur Unterrichtspolitik, Breslau, W. G, Korn 1919) an Hand der
Statistik nach, daß 1911 5195 Söhnen von akademisch gebildeten Vätern 6651
solche gegenüberstanden, die von Männern ohne akademische Bildung stammten, von
Lehrern, Militärpersonen in Unteroffiziersrang, Staats- und Kommunalbeamten
ohne akademische Bildung, von Bediensteten und Arbeitern. Gerade dieser bei uns
verhältnismäßig viel häufigere als bei andern Völkern zu findende Aufstieg hat ja
jene unerquicklichen und für die allgemeine Kultur sehr bedenklichen Neben¬
erscheinungen des deutschen Gelehrtenstandes hervorgerufen: das Enge, Kleine,
Kleinliche, sich frühzeitig ohne rechte Allgemeinbildung trocken Spezialisierende, das
Armliche. Angstliche, Vrotstudentenhaste, was auch an berühmten Gelehrten der
ausländische Studierende nicht selten mit peinlichen Befremden feststellt. Es ist
eben keineswegs gleichgültig, ob einer in der mannigfach befruchtenden Atmo¬
sphäre einer mit wahrer Bildung gesättigten Familie des Gelehrten oder vor¬
nehmen Kaufmanns auswächst, wo ihm viel Kulturgut unbewußt zur Selbstver¬
ständlichkeit wird, oder in der dürftig beschränkten oder bieder stumpfsinnigen des
kleinen Beamten oder in der öde materialistisch gerichteten des modernen Geld¬
verdieners, nicht gleichgültig, ob am abendlichen Familientisch Schiller, Grillparzer,
Keller, Stifter, Reuter, Ranke, Mommsen oder nur die Zeitung gelesen werden
und ganz werden sich solche Unterschiede nie aus der Welt schaffen lassen. Das
Genie allerdings gleicht auch diese häufig aus, aber das Genie ist so selten, daß
es sich nicht lohnt, ihm zuliebe neue Organisationsvorschriften zu erlassen. Das
Genie setzt sich auch trotz der Umstände durch. Auch ist es bedenklich, junge Leute
in die akademische Laufbahn zu drängen, die in erster Linie die materiellen Seiten
ihres Berufes ins Auge zu fassen genötigt sein werden.ere

Auch wird bei der Erörterung des Problems die Wirkung der höhn
Schule, zu der man die Bahn allgemein geöffnet wünscht, vielfach überschätzt.
Sehr vieles lernt der Mensch erst wirklich, wenn er es praktisch braucht, ^es
habe im Kriege viele Menschen gesehen, die es, obwohl es ihre Stellung hatte
wünschenswert erscheinen lassen, trotz höherer Schulbildung nicht fertig brachten,
auch nur zwei fehlerfreie Sätze in einer fremden Sprache zu sprechen, wahrend
andererseits manche Leute mit Volksschulbildung sich frei und leicht auszudrücken
vermochten, ohne es je „richtig" gelernt zu haben. Das Volk hat eme ursprüngliche


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[0029] Der Aufstieg der Begabten Der Aufstieg der Begabten Dr. R. Schacht von "8 Wort von der „Freien Bahn" für den Tüchtigen ist bezeichnender- weise in einem Augenblick gefallen, als weite Kreise des deutschen MM»! angefangen hatten, in die politische Führung Mißtrauen zu setzen. Aber weit entfernt davon, es rein sachlich zu nehmen, verstand man das Wort, wenn nicht ausschließlich, so doch durchaus überwiegend im Sinne eines Klassensieges. Das Bürgertum wollte in die leitenden Stellen, das Volk dachte an das Einjährigenprivileg. Das Bürgertum, das über die adligen Diplomaten Schnalle, hatte sich als ganzes im Privatleben und im Geschäftsverkehr nicht minder undiplomatisch benommen und der Arbeiterklasse sind politische Vorreckte stets wichtiger gewesen, als die Kulturwerte des Familienlebens und der Siedlungsfragen. Ein durchgehender Beweis für die Berechtigung des Aufstieges war also noch keineswegs geliefert. Auch lag dem Gedanken vom „Aufstieg der Begabten", der ja mit der „freien Bahn" identifiziert wurde, eine merkwürdige Vorstellung vom Aufstieg zugrunde. Aufstieg wozu? Zu den höchsten Staatsämtern? Aber auch der genialste Staats¬ mann ist machtlos, wenn das Volk miserabel ist. Zur akademischen Laufbahn? Wir hatten schon viel mehr Akademiker «is wir brauchen konnten. Auch kann niemand mit Recht behaupten, daß den minderbemittelten Volksklassen die akademische Laufbahn verschlossen gewesen wäre. So weist in einem seiner umsichtigen, kenntnisreichen, klaren und in den Tendenzen vorzüglichen Aufsätze Alfred Hille- brcmdt (Beiträge zur Unterrichtspolitik, Breslau, W. G, Korn 1919) an Hand der Statistik nach, daß 1911 5195 Söhnen von akademisch gebildeten Vätern 6651 solche gegenüberstanden, die von Männern ohne akademische Bildung stammten, von Lehrern, Militärpersonen in Unteroffiziersrang, Staats- und Kommunalbeamten ohne akademische Bildung, von Bediensteten und Arbeitern. Gerade dieser bei uns verhältnismäßig viel häufigere als bei andern Völkern zu findende Aufstieg hat ja jene unerquicklichen und für die allgemeine Kultur sehr bedenklichen Neben¬ erscheinungen des deutschen Gelehrtenstandes hervorgerufen: das Enge, Kleine, Kleinliche, sich frühzeitig ohne rechte Allgemeinbildung trocken Spezialisierende, das Armliche. Angstliche, Vrotstudentenhaste, was auch an berühmten Gelehrten der ausländische Studierende nicht selten mit peinlichen Befremden feststellt. Es ist eben keineswegs gleichgültig, ob einer in der mannigfach befruchtenden Atmo¬ sphäre einer mit wahrer Bildung gesättigten Familie des Gelehrten oder vor¬ nehmen Kaufmanns auswächst, wo ihm viel Kulturgut unbewußt zur Selbstver¬ ständlichkeit wird, oder in der dürftig beschränkten oder bieder stumpfsinnigen des kleinen Beamten oder in der öde materialistisch gerichteten des modernen Geld¬ verdieners, nicht gleichgültig, ob am abendlichen Familientisch Schiller, Grillparzer, Keller, Stifter, Reuter, Ranke, Mommsen oder nur die Zeitung gelesen werden und ganz werden sich solche Unterschiede nie aus der Welt schaffen lassen. Das Genie allerdings gleicht auch diese häufig aus, aber das Genie ist so selten, daß es sich nicht lohnt, ihm zuliebe neue Organisationsvorschriften zu erlassen. Das Genie setzt sich auch trotz der Umstände durch. Auch ist es bedenklich, junge Leute in die akademische Laufbahn zu drängen, die in erster Linie die materiellen Seiten ihres Berufes ins Auge zu fassen genötigt sein werden.ere Auch wird bei der Erörterung des Problems die Wirkung der höhn Schule, zu der man die Bahn allgemein geöffnet wünscht, vielfach überschätzt. Sehr vieles lernt der Mensch erst wirklich, wenn er es praktisch braucht, ^es habe im Kriege viele Menschen gesehen, die es, obwohl es ihre Stellung hatte wünschenswert erscheinen lassen, trotz höherer Schulbildung nicht fertig brachten, auch nur zwei fehlerfreie Sätze in einer fremden Sprache zu sprechen, wahrend andererseits manche Leute mit Volksschulbildung sich frei und leicht auszudrücken vermochten, ohne es je „richtig" gelernt zu haben. Das Volk hat eme ursprüngliche

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/29>, abgerufen am 15.01.2025.