Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.Export geistiger Arbeit Export geistiger Arbeit Georg Lltzschig von mener noch streitet man sich in Deutschland um binnenwirtschaft¬ Einsichtige Beobachter, nüchterne Sachverständige dürfen sich nicht durch Unsere weltwirtschaftliche Bilanz wird auf sehr lauge Zeit hinaus durch Unsere wirtschaftspolitischen Pläne müssen viel mehr auf ihre inter¬ Die Forderung wirtschaftlichen Expansionsgeistes ruft zugleich nach den Export geistiger Arbeit Export geistiger Arbeit Georg Lltzschig von mener noch streitet man sich in Deutschland um binnenwirtschaft¬ Einsichtige Beobachter, nüchterne Sachverständige dürfen sich nicht durch Unsere weltwirtschaftliche Bilanz wird auf sehr lauge Zeit hinaus durch Unsere wirtschaftspolitischen Pläne müssen viel mehr auf ihre inter¬ Die Forderung wirtschaftlichen Expansionsgeistes ruft zugleich nach den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/336307"/> <fw type="header" place="top"> Export geistiger Arbeit</fw><lb/> </div> <div n="1"> <head> Export geistiger Arbeit<lb/><note type="byline"> Georg Lltzschig</note> von </head><lb/> <p xml:id="ID_35"> mener noch streitet man sich in Deutschland um binnenwirtschaft¬<lb/> liche Theorien, währeich draußen rings an den Grenzen die<lb/> Gegner und Neutralen Berge von Gittern auftürmen, um damit<lb/> alsbald mit uns ins Geschäft zu kommen. Auch wenn man die<lb/> Schwierigkeiten politischer und ökonomischer Art berücksichtigt, ist<lb/> zu sagen, das; die berufenen Stellen kostbarste Zeit auf unfrucht¬<lb/> bare Jnnenwirtfchaftsproblematik verschwendet haben, deren weltwirtschaftliche<lb/> Abhängigbeits- und Wirkungszusammenhänge als doch von vordringlichster und<lb/> ausschlaggebender Bedeutung endlich erkannt werden sollten. Es wird wieder<lb/> das echtdeutsche „Zuspät"-Verhängnis sein, das uns aus Planwirtschaftsträumen<lb/> aufwachen läßt, wenn die ausländische Wirtschaftsoffensive das Kartenhaus<lb/> unserer nationalökonomischen Kalkulationen und Ideen unsanft niedergefegt<lb/> haben wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_36"> Einsichtige Beobachter, nüchterne Sachverständige dürfen sich nicht durch<lb/> gefährlichen Pessimismus in der aktuellsten Aufgabe beirren lassen, mit Tatsachen¬<lb/> erkenntnis und Zweckbewußtheit Wege zu ergründen und zu bereiten, ans denen<lb/> unsere gegenwärtige und zukünftige Wirtschaftsentwicklung zu Erneuerung und<lb/> Aufstieg gelangen kann. Praktischer Rat und zielwissende Tat kommen nie zu<lb/> spät, wenn sie nicht der logischen Entwicklung nachhinken, oder überstürzt voraus¬<lb/> eilen, sondern vorausschauend mit ihr Schritt halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_37"> Unsere weltwirtschaftliche Bilanz wird auf sehr lauge Zeit hinaus durch<lb/> eine übergroße Passivseite belastet sein. Die Folgen davon find irr vervielfältig¬<lb/> ten und überaus gesteigertem Maße doch ähnlich wie bei einem unsolid fundier¬<lb/> ten und leichtsinnig geleiteten Einzelunternehmer, das Schuld auf Schuld häuft<lb/> und damit das Gewicht der Eigenleistung immer tiefer herabzieht. Immer<lb/> steiler wird die abschüssige 'Bahn und Besserungs- und Rettungswille werden<lb/> rapid aussichtsloser und "schwächer, so daß nieist nur noch von außen her dem<lb/> Absturz Einhalt und Ende geboten werden kann. Nur darin hat ein Volk in gleicher<lb/> Lage eine günstigere Möglichkeit, daß sein Gesamtlos von der Elastizität viel¬<lb/> facher Einzelwillen und Kräfte abhängig ist, auf die Schwere des Niedergangs<lb/> nicht in überall gleich depremierendem und 'lähmendem Grade Hinzuwirken ver¬<lb/> mag, sondern weil, entsprechend der Vielfältigkeit der Einzelfaktoren, gegenüber<lb/> unwissend haltlosen Schichten durch! widerstandswillige Zukunftsenergien ein<lb/> starker, stützender Auftrieb wirksam ist. Frage des Schicksals ist es, ob diese<lb/> immer noch lebendigen Aufwärtskräfte, geklärt durch Verantwortlichkeit,<lb/> gegründet in Allgemeinvertrauen, noch zur rechten Zeit den Anker der Festigung<lb/> legen, den Hebel des Aufschwunges ansetzen können, ob ihre Bereitschaft eine<lb/> wache und geschlossene, ihre Aktion eine umfassend fähige und eine entschlossen<lb/> griffsichere ist. Ins Praktisch-Materielle übersetzt, lautet die Formel: Wirkung<lb/> nach außen ermöglicht wirtschaftlich die innere Ertüchtigung.</p><lb/> <p xml:id="ID_38"> Unsere wirtschaftspolitischen Pläne müssen viel mehr auf ihre inter¬<lb/> nationale Durchführbarkeit und Tragfähigkeit berechnet werden, als auf binnen¬<lb/> wirtschaftliche und binnenpolitische Bequemlichkeit und Genügsamkeit. Expansion<lb/> ist uns notwendig, wenngleich, oder weil sie vorerst nur als Widerstand oder<lb/> gering scheinender Ausgleichsversuch gegen die auf uns einstürmende Wirtschafts¬<lb/> invasion sichtbar und bescheiden spürbar werden kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_39"> Die Forderung wirtschaftlichen Expansionsgeistes ruft zugleich nach den<lb/> dazu befähigten Kräften und man nimmt mit Bedauern wahr, daß die als erste<lb/> in Frag.» kämen, die Auslandsdeutschen und die Ausfuhrfachleute nur zu sehr um<lb/> Hintergrunde blieben bei den wirtschaftlichen Erörterungen. — Sollte dem<lb/> Heimkriegertum der Typ des Heimwirtschaftlers folgen?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Export geistiger Arbeit
Export geistiger Arbeit
Georg Lltzschig von
mener noch streitet man sich in Deutschland um binnenwirtschaft¬
liche Theorien, währeich draußen rings an den Grenzen die
Gegner und Neutralen Berge von Gittern auftürmen, um damit
alsbald mit uns ins Geschäft zu kommen. Auch wenn man die
Schwierigkeiten politischer und ökonomischer Art berücksichtigt, ist
zu sagen, das; die berufenen Stellen kostbarste Zeit auf unfrucht¬
bare Jnnenwirtfchaftsproblematik verschwendet haben, deren weltwirtschaftliche
Abhängigbeits- und Wirkungszusammenhänge als doch von vordringlichster und
ausschlaggebender Bedeutung endlich erkannt werden sollten. Es wird wieder
das echtdeutsche „Zuspät"-Verhängnis sein, das uns aus Planwirtschaftsträumen
aufwachen läßt, wenn die ausländische Wirtschaftsoffensive das Kartenhaus
unserer nationalökonomischen Kalkulationen und Ideen unsanft niedergefegt
haben wird.
Einsichtige Beobachter, nüchterne Sachverständige dürfen sich nicht durch
gefährlichen Pessimismus in der aktuellsten Aufgabe beirren lassen, mit Tatsachen¬
erkenntnis und Zweckbewußtheit Wege zu ergründen und zu bereiten, ans denen
unsere gegenwärtige und zukünftige Wirtschaftsentwicklung zu Erneuerung und
Aufstieg gelangen kann. Praktischer Rat und zielwissende Tat kommen nie zu
spät, wenn sie nicht der logischen Entwicklung nachhinken, oder überstürzt voraus¬
eilen, sondern vorausschauend mit ihr Schritt halten.
Unsere weltwirtschaftliche Bilanz wird auf sehr lauge Zeit hinaus durch
eine übergroße Passivseite belastet sein. Die Folgen davon find irr vervielfältig¬
ten und überaus gesteigertem Maße doch ähnlich wie bei einem unsolid fundier¬
ten und leichtsinnig geleiteten Einzelunternehmer, das Schuld auf Schuld häuft
und damit das Gewicht der Eigenleistung immer tiefer herabzieht. Immer
steiler wird die abschüssige 'Bahn und Besserungs- und Rettungswille werden
rapid aussichtsloser und "schwächer, so daß nieist nur noch von außen her dem
Absturz Einhalt und Ende geboten werden kann. Nur darin hat ein Volk in gleicher
Lage eine günstigere Möglichkeit, daß sein Gesamtlos von der Elastizität viel¬
facher Einzelwillen und Kräfte abhängig ist, auf die Schwere des Niedergangs
nicht in überall gleich depremierendem und 'lähmendem Grade Hinzuwirken ver¬
mag, sondern weil, entsprechend der Vielfältigkeit der Einzelfaktoren, gegenüber
unwissend haltlosen Schichten durch! widerstandswillige Zukunftsenergien ein
starker, stützender Auftrieb wirksam ist. Frage des Schicksals ist es, ob diese
immer noch lebendigen Aufwärtskräfte, geklärt durch Verantwortlichkeit,
gegründet in Allgemeinvertrauen, noch zur rechten Zeit den Anker der Festigung
legen, den Hebel des Aufschwunges ansetzen können, ob ihre Bereitschaft eine
wache und geschlossene, ihre Aktion eine umfassend fähige und eine entschlossen
griffsichere ist. Ins Praktisch-Materielle übersetzt, lautet die Formel: Wirkung
nach außen ermöglicht wirtschaftlich die innere Ertüchtigung.
Unsere wirtschaftspolitischen Pläne müssen viel mehr auf ihre inter¬
nationale Durchführbarkeit und Tragfähigkeit berechnet werden, als auf binnen¬
wirtschaftliche und binnenpolitische Bequemlichkeit und Genügsamkeit. Expansion
ist uns notwendig, wenngleich, oder weil sie vorerst nur als Widerstand oder
gering scheinender Ausgleichsversuch gegen die auf uns einstürmende Wirtschafts¬
invasion sichtbar und bescheiden spürbar werden kann.
Die Forderung wirtschaftlichen Expansionsgeistes ruft zugleich nach den
dazu befähigten Kräften und man nimmt mit Bedauern wahr, daß die als erste
in Frag.» kämen, die Auslandsdeutschen und die Ausfuhrfachleute nur zu sehr um
Hintergrunde blieben bei den wirtschaftlichen Erörterungen. — Sollte dem
Heimkriegertum der Typ des Heimwirtschaftlers folgen?
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