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Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr.

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Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer
Regierungsrat in. Lonrad von

cum man auf den Besitz außerordentliche Lasten legt, welche die
ernste Gefahr mit sich bringen, daß er in seiner für das Volks¬
ganze notwendigen Leistungsfähigkeit beengt wird oder gar teilweise
zusammenbricht, so dürfte eine so gefährliche Maßnahme nicht er¬
griffen werden, ohne ihm gleichzeitig neue Wege zum Wiederaufbau
zu eröffnen. Solche Matzregeln dürfen sich natürlich nicht auf das
Gevwl der Steuergesetzgebung beschränken. Sie bedeuten einen neuen Weg in
unserer gesamten Gesetzgebung. Aber auch in dem beschränkten Nahmen der
Steuergesetzgebung können und müssen sie wirksam zur Geltung kommen. Hier
soll nur eine Maßnahme besprochen werden, welche in dieser Richtung liegt. Das
ist die Einführung einer Verbrauchssteuer.

Als Verbrauchssteuern werden bisher Steuern der verschiedendsten Art be-
zeichnet. In der Regel wird dabei an indirekte Abgaben und Luxussteuern ge¬
dacht. Beides bleibt hier außer Betracht. Die allgemeine Verbrauchssteuer, von
der hier die Rede sein soll, trägt durchaus den Charakter einer direkten Steuer.
Sie ist bereits wiederholt vereinzelt in der Literatur gefordert. In ein Partei¬
programm hat sie jedoch bisher nicht Aufnahme gefunden und ist daher partei¬
politisch unbelastet. Walther Rathenau, einer ihrer Befürworter aus neuester
Zeit, sucht sie zwar parteipolitisch auszuwerten, indem er sie als demokratisierende
Maßnahme empfiehlt, da sie die Lebenshaltung von Arm und Reich aneinander
angleiche. Der Verfasser hält es für seine Pflicht, von vornherein zu betonen,
daß ihm solche parteipolitischer Tendenzen völlig fern liegen. Ihm kommt es
allein auf zweckmäßige Vorschläge zur Überwindung der Not in unserm Wirt¬
schaftsleben an. Ihm scheint überhaupt die parteipolitische Wirkung von all¬
gemeinen wirtschaftlichen Maßnahmen fast durchweg falsch eingeschätzt zu werden,
zum mindesten aber wird sie stets überschätzt. Diese vermutete demokratisierende
Wirkung dürste daher schon aus dem praktischen Gesichtspunkte der Unsicherheit
ihres Eintritts nicht in den Vordergrund gestellt werden. Vor allen Dingen aber
muß endlich mit Entschiedenheit der Gesichtspunkt zur Geltung kommen, daß es
unmoralisch, in unserer Notlage geradezu verbrecherisch ist, das Wohl der All¬
gemeinheit parteipolitisch auszunutzen. Nur sachliche Maßnahmen können uns
retten, Parteiinteressen müssen zurücktreten. Hat die Einführung einer Verbrauchs-
steuer wirklich eine demokratisierende Nebenwirkung, so gut; hat sie es acht,
su ist das auch gut. Das einzige Kriterium für ihre Brauchbarkeit ist für uns,
ob sie uns in unserer Not helfen kann. . , ^

Roh skizziert hat die allgemeine Verbrauchssteuer etwa folgendermaßen aus¬
zusehen:


Grenzboten IV 1919 S


Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer
Regierungsrat in. Lonrad von

cum man auf den Besitz außerordentliche Lasten legt, welche die
ernste Gefahr mit sich bringen, daß er in seiner für das Volks¬
ganze notwendigen Leistungsfähigkeit beengt wird oder gar teilweise
zusammenbricht, so dürfte eine so gefährliche Maßnahme nicht er¬
griffen werden, ohne ihm gleichzeitig neue Wege zum Wiederaufbau
zu eröffnen. Solche Matzregeln dürfen sich natürlich nicht auf das
Gevwl der Steuergesetzgebung beschränken. Sie bedeuten einen neuen Weg in
unserer gesamten Gesetzgebung. Aber auch in dem beschränkten Nahmen der
Steuergesetzgebung können und müssen sie wirksam zur Geltung kommen. Hier
soll nur eine Maßnahme besprochen werden, welche in dieser Richtung liegt. Das
ist die Einführung einer Verbrauchssteuer.

Als Verbrauchssteuern werden bisher Steuern der verschiedendsten Art be-
zeichnet. In der Regel wird dabei an indirekte Abgaben und Luxussteuern ge¬
dacht. Beides bleibt hier außer Betracht. Die allgemeine Verbrauchssteuer, von
der hier die Rede sein soll, trägt durchaus den Charakter einer direkten Steuer.
Sie ist bereits wiederholt vereinzelt in der Literatur gefordert. In ein Partei¬
programm hat sie jedoch bisher nicht Aufnahme gefunden und ist daher partei¬
politisch unbelastet. Walther Rathenau, einer ihrer Befürworter aus neuester
Zeit, sucht sie zwar parteipolitisch auszuwerten, indem er sie als demokratisierende
Maßnahme empfiehlt, da sie die Lebenshaltung von Arm und Reich aneinander
angleiche. Der Verfasser hält es für seine Pflicht, von vornherein zu betonen,
daß ihm solche parteipolitischer Tendenzen völlig fern liegen. Ihm kommt es
allein auf zweckmäßige Vorschläge zur Überwindung der Not in unserm Wirt¬
schaftsleben an. Ihm scheint überhaupt die parteipolitische Wirkung von all¬
gemeinen wirtschaftlichen Maßnahmen fast durchweg falsch eingeschätzt zu werden,
zum mindesten aber wird sie stets überschätzt. Diese vermutete demokratisierende
Wirkung dürste daher schon aus dem praktischen Gesichtspunkte der Unsicherheit
ihres Eintritts nicht in den Vordergrund gestellt werden. Vor allen Dingen aber
muß endlich mit Entschiedenheit der Gesichtspunkt zur Geltung kommen, daß es
unmoralisch, in unserer Notlage geradezu verbrecherisch ist, das Wohl der All¬
gemeinheit parteipolitisch auszunutzen. Nur sachliche Maßnahmen können uns
retten, Parteiinteressen müssen zurücktreten. Hat die Einführung einer Verbrauchs-
steuer wirklich eine demokratisierende Nebenwirkung, so gut; hat sie es acht,
su ist das auch gut. Das einzige Kriterium für ihre Brauchbarkeit ist für uns,
ob sie uns in unserer Not helfen kann. . , ^

Roh skizziert hat die allgemeine Verbrauchssteuer etwa folgendermaßen aus¬
zusehen:


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[0105] [Abbildung] Verbrauchssteuer statt Reichseinkommensteuer Regierungsrat in. Lonrad von cum man auf den Besitz außerordentliche Lasten legt, welche die ernste Gefahr mit sich bringen, daß er in seiner für das Volks¬ ganze notwendigen Leistungsfähigkeit beengt wird oder gar teilweise zusammenbricht, so dürfte eine so gefährliche Maßnahme nicht er¬ griffen werden, ohne ihm gleichzeitig neue Wege zum Wiederaufbau zu eröffnen. Solche Matzregeln dürfen sich natürlich nicht auf das Gevwl der Steuergesetzgebung beschränken. Sie bedeuten einen neuen Weg in unserer gesamten Gesetzgebung. Aber auch in dem beschränkten Nahmen der Steuergesetzgebung können und müssen sie wirksam zur Geltung kommen. Hier soll nur eine Maßnahme besprochen werden, welche in dieser Richtung liegt. Das ist die Einführung einer Verbrauchssteuer. Als Verbrauchssteuern werden bisher Steuern der verschiedendsten Art be- zeichnet. In der Regel wird dabei an indirekte Abgaben und Luxussteuern ge¬ dacht. Beides bleibt hier außer Betracht. Die allgemeine Verbrauchssteuer, von der hier die Rede sein soll, trägt durchaus den Charakter einer direkten Steuer. Sie ist bereits wiederholt vereinzelt in der Literatur gefordert. In ein Partei¬ programm hat sie jedoch bisher nicht Aufnahme gefunden und ist daher partei¬ politisch unbelastet. Walther Rathenau, einer ihrer Befürworter aus neuester Zeit, sucht sie zwar parteipolitisch auszuwerten, indem er sie als demokratisierende Maßnahme empfiehlt, da sie die Lebenshaltung von Arm und Reich aneinander angleiche. Der Verfasser hält es für seine Pflicht, von vornherein zu betonen, daß ihm solche parteipolitischer Tendenzen völlig fern liegen. Ihm kommt es allein auf zweckmäßige Vorschläge zur Überwindung der Not in unserm Wirt¬ schaftsleben an. Ihm scheint überhaupt die parteipolitische Wirkung von all¬ gemeinen wirtschaftlichen Maßnahmen fast durchweg falsch eingeschätzt zu werden, zum mindesten aber wird sie stets überschätzt. Diese vermutete demokratisierende Wirkung dürste daher schon aus dem praktischen Gesichtspunkte der Unsicherheit ihres Eintritts nicht in den Vordergrund gestellt werden. Vor allen Dingen aber muß endlich mit Entschiedenheit der Gesichtspunkt zur Geltung kommen, daß es unmoralisch, in unserer Notlage geradezu verbrecherisch ist, das Wohl der All¬ gemeinheit parteipolitisch auszunutzen. Nur sachliche Maßnahmen können uns retten, Parteiinteressen müssen zurücktreten. Hat die Einführung einer Verbrauchs- steuer wirklich eine demokratisierende Nebenwirkung, so gut; hat sie es acht, su ist das auch gut. Das einzige Kriterium für ihre Brauchbarkeit ist für uns, ob sie uns in unserer Not helfen kann. . , ^ Roh skizziert hat die allgemeine Verbrauchssteuer etwa folgendermaßen aus¬ zusehen: Grenzboten IV 1919 S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 78, 1919, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341909_336289/105>, abgerufen am 15.01.2025.