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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Völkerbund und neuer Weltkrieg
Professor Lonrnd Vornhak von

ußer dem deutsch-englischen Gegensatze, der zum Weltkriege geführt
hat, beherrscht noch ein zweiter weltpolitischer Gegensatz die Be¬
ziehungen de>r Staatenwelt, es ist der zwischen der weißen und der
gelben Nasse um die Herrschaft über das größte Weltmeer, den
Stillen Ozean. Als die staatliche Vertretung beider Rassen ringen
Japan und die Vereinigten Staaten um die Zukunft der Welt.
Es bleibt einer der schwersten Fehler deutscher Politik, sich diesen Gegensatz während
des Weltkrieges nicht nutzbar gemacht, sondern beide Staaten in das Lager unserer
Feinde getrieben zu haben.

Wider aller Erwarten schlug sich Japan, sich auf das für diesen Fall gar
nicht zutreffende Bündnis mit England berufend, beim Beginne des Weltkrieges
auf die Seite unserer Feinde. Die deutsche Entrüstung über diesen Überfall war
begreiflich. Doch mit sittlicher Entrüstung macht man keine Politik. Tsingtau
war von Anfang an ein verlorener Posten, und der Kampf seiner kleinen Besatzung
mit deu wenigen deutschen Schiffen eine nutzlose Aufopferung. Während wir sonst
mannigfach vor dem Auslande zurückweichen, hätte hier eine Nachgiebigkeit, wenn
auch schweren Herzen- geübt, doch nur geopfert, was ohnehin nicht zu halte"
war. Dafür hätten wir die ostasiatische Großmacht in der Neutralität erhalten,
vielleicht auch noch eine Entschädigung herausgeschlagen. Es war aber noch ein
anderer Weg möglich, die Ausnutzung des amerikanisch-japanischen Gegensatzes,
zumal das amerikanische Interesse damals noch für keinen der kriegführenden Teile
in Anspruch genommen war. Ich telegraphierte damals nach Stellung des japa¬
nischen Ultimatums an den Stellvertreter des Reichskanzlers: "Raten Sie Seiner
Majestät, Kiautschou an die Vereinigten Staaten abzutreten". Damit war die
Forderung Japans, im Interesse des Friedens des fernen Ostens unsere Streit-
tröste aus Ostasien zurückzuziehen, erfüllt. Amerika andererseits hätte mit Freuden
die Gelegenheit benutzt, an der chinesischen Küste festen Fuß zu fassen. Der ame-
rikanisch-japanische Gegensatz war jedenfalls so verschärft daß beide Staaten keine
Zeit gehabt hätten, sich auch nur mit Munitionslieferungen um den europäischen
Krieg zu kümmern. Statt dessen wurde unsere Heldenschar in Tsingtau nutzlos
geopfert. .Auf mein Telegramm habe ich keinerlei Antwort bekommen.

, Damit wurde zunächst Japan eine feindliche Macht. Wenn sie uns auch
außer dem Verluste von Tsingtau nicht viel weiter kriegerisch geschadet hat, so
gewann doch Japan freie Hand, durch Munitionslieferungen und anderweitig die
Entente zu unterstützen.

Wilson hatte damals noch keinen anderen Ehrgeiz, als dermaleinst als
Schiedsrichter der Welt den Frieden zu vermitteln. An eine offene Feindschaft


Grenzboten IV 1918ö


Völkerbund und neuer Weltkrieg
Professor Lonrnd Vornhak von

ußer dem deutsch-englischen Gegensatze, der zum Weltkriege geführt
hat, beherrscht noch ein zweiter weltpolitischer Gegensatz die Be¬
ziehungen de>r Staatenwelt, es ist der zwischen der weißen und der
gelben Nasse um die Herrschaft über das größte Weltmeer, den
Stillen Ozean. Als die staatliche Vertretung beider Rassen ringen
Japan und die Vereinigten Staaten um die Zukunft der Welt.
Es bleibt einer der schwersten Fehler deutscher Politik, sich diesen Gegensatz während
des Weltkrieges nicht nutzbar gemacht, sondern beide Staaten in das Lager unserer
Feinde getrieben zu haben.

Wider aller Erwarten schlug sich Japan, sich auf das für diesen Fall gar
nicht zutreffende Bündnis mit England berufend, beim Beginne des Weltkrieges
auf die Seite unserer Feinde. Die deutsche Entrüstung über diesen Überfall war
begreiflich. Doch mit sittlicher Entrüstung macht man keine Politik. Tsingtau
war von Anfang an ein verlorener Posten, und der Kampf seiner kleinen Besatzung
mit deu wenigen deutschen Schiffen eine nutzlose Aufopferung. Während wir sonst
mannigfach vor dem Auslande zurückweichen, hätte hier eine Nachgiebigkeit, wenn
auch schweren Herzen- geübt, doch nur geopfert, was ohnehin nicht zu halte»
war. Dafür hätten wir die ostasiatische Großmacht in der Neutralität erhalten,
vielleicht auch noch eine Entschädigung herausgeschlagen. Es war aber noch ein
anderer Weg möglich, die Ausnutzung des amerikanisch-japanischen Gegensatzes,
zumal das amerikanische Interesse damals noch für keinen der kriegführenden Teile
in Anspruch genommen war. Ich telegraphierte damals nach Stellung des japa¬
nischen Ultimatums an den Stellvertreter des Reichskanzlers: „Raten Sie Seiner
Majestät, Kiautschou an die Vereinigten Staaten abzutreten". Damit war die
Forderung Japans, im Interesse des Friedens des fernen Ostens unsere Streit-
tröste aus Ostasien zurückzuziehen, erfüllt. Amerika andererseits hätte mit Freuden
die Gelegenheit benutzt, an der chinesischen Küste festen Fuß zu fassen. Der ame-
rikanisch-japanische Gegensatz war jedenfalls so verschärft daß beide Staaten keine
Zeit gehabt hätten, sich auch nur mit Munitionslieferungen um den europäischen
Krieg zu kümmern. Statt dessen wurde unsere Heldenschar in Tsingtau nutzlos
geopfert. .Auf mein Telegramm habe ich keinerlei Antwort bekommen.

, Damit wurde zunächst Japan eine feindliche Macht. Wenn sie uns auch
außer dem Verluste von Tsingtau nicht viel weiter kriegerisch geschadet hat, so
gewann doch Japan freie Hand, durch Munitionslieferungen und anderweitig die
Entente zu unterstützen.

Wilson hatte damals noch keinen anderen Ehrgeiz, als dermaleinst als
Schiedsrichter der Welt den Frieden zu vermitteln. An eine offene Feindschaft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/69>, abgerufen am 22.07.2024.