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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr.

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Deutsches Ridlwthckswcini im Weltkrieg

lichen Verhältnisse die allgemeine Aufmerksamkeit in gesteigertem Maße auf den
Orient gelenkt, so wies die stärkere Betonung der Auslandsstudien naturgemäß
auf die Notwendigkeit eines vertieften Studiums der wirtschaftlichen und kultu¬
rellen Zustände des Orients hin. Die Neugründung der Orient-Abteilung der
Königlichen Bibliothek wird zu dieser Stärkung und Vertiefung wesentlich bei¬
tragen können dadurch, daß sie im Rahmen des Gesamtorganismus die besondere
Aufgabe erhält, die Welt des Orients jedem Bibliotheksbenutzer, dem Kaufmann
und Ingenieur so gut wie dem Gelehrten, nahe zu bringen und ihm, vor allem
durch Schaffung eigener Orientfachkataloge, das Hineinbringen in diesen Kultur¬
kreis zu erleichtern.'


III.

Mit den Bestrebungen, noch während des Krieges die Auslandsstudien
auch durch die Bibliotheken zu fördern, haben wir schon die Aufgaben gestreift,
die den Bibliotheken im Gefolge des Weltkrieges erwachsen werden. Freilich
wäre es verfrüht, diese schon jetzt im einzelnen festlegen zu wollen, doch scheint
es gut, die Gedanken darauf zu lenken und sich auf die Maßstäbe, die voraus¬
sichtlich von den hergebrachten gewaltig abweichen werden, einzurichten. Mit
dem, was an Mitteln für den Ankauf von fremdländischen Büchern schon jetzt
bereitgestellt ist, und mit den anderen, an sich dankenswerten Maßnahmen ist
nur ein erster, wenn auch sehr- wichtiger Schritt getan auf einem der Wege, die
unser zukünftiges Bibliothekswesen einzuschlagen haben wird. Wer dem zu¬
stimmt, was die Denkschrift des preußischen Kultusministeriums über die Förde¬
rung der Auslandsstudien sagt: "Der Krieg hat auch die, die es noch nicht wu߬
ten, darüber aufgeklärt, wie erschreckend unsere Unkenntnis des ausländischen
Denkens gewesen ist, wie bitter not uns ein staatswissenschaftliches Verstehen
der Gegenwart tut" -- wer die Richtigkeit dieser Worte in tiefstem Herzen mit¬
empfindet, der wird auch von den Bibliotheken nach dem Kriege verlangen, daß
sie ihre ganze "Bibliothekspolitik" anders einstellen, daß auch sie, wie es in der
Denkschrift heißt, "innerlich zu den großen Problemen der Weltpolitik und der
Weltwirtschaft Stellung nehmen". Eine solche Stellungnahme zwingt aber so¬
gleich zu einer viel weitgehenderen Berücksichtigung der ausländischen Literatur,
und zwar nicht nur in bezug auf die Ankäufe, sondern auch durch Vermehrung
der Arbeitskräfte und Schaffung von Katalogen. Und zwar genügt es nicht, daß
einzelne große Bibliotheken sich der Pflege der - Auslandsliteratur annehmen,
sondern durch das Zusammenwirken aller muß die Erreichung des Zieles ge¬
währleistet werden.! Wenn -- um ein Beispiel anzuführen --- die Hof- und
Staatsbibliothek in München ins Auge faßt, ihre Ankäufe auf dem Gebiet der
ausländischen Zeitungen noch wesentlich zu verstärken, so ist das in der Tat ein sehr
beachtenswerter Entschluß, der die Nachahmung aller anderen Bibliotheken ver¬
dient. Nur sollten die Bibliotheken hierbei einheitlich und planvoll vorgehen
und auf die Anschaffungen anderer Institute Rücksicht nehmen. Tragen sie in
dieser Weise dem Gedanken der Kooperation Rechnung, so ist zu erwarten, daß
ausländische Zeitschriften und Zeitungen in Deutschland in ausreichenderer
Weise vertreten sein werden, als es bisher der Fall ist.

über die Förderung der Auslandsstudien hinaus werden die Bibliotheken
sich -- ganz allgemein gesprochen -- mehr als vor dem Kriege vor Augen,halten
müssen, daß sie'in erster Linie der Gegenwart zu dienen haben. Denn auch die
Bibliotheken sind mit berufen, die schweren Wunden, die der Krieg unserm Volk
in materieller und geistiger Hinsicht geschlagen hat, zu heilen. Darum muß es
auch hier heißen: der Lebende hat recht. Das an sich notwendige Streben nach
möglichst vollständiger Aufbewahrung und Ergänzung der deutschen Bücher-
Produktion wird, wenigstens sür eine Reihe von Jahren, gegenüber den Anforde¬
rungen des Tages in die zweite Linie treten müssen. Werke und Zeitschriften,
die sür Volkswirtschaft und Volkswohlfahrt im weitesten Sinne -- Wissenschaft,
Kunst und Technik miteinbegriffen -- von Wichtigkeit sind, ausländische so gut
wie einheimische, dürfen auf unseren Bibliotheken nicht vergebens gesucht werden.
Und damit die Benutzer nicht durch den Bescheid "Verlieben" so oft enttäuscht


Deutsches Ridlwthckswcini im Weltkrieg

lichen Verhältnisse die allgemeine Aufmerksamkeit in gesteigertem Maße auf den
Orient gelenkt, so wies die stärkere Betonung der Auslandsstudien naturgemäß
auf die Notwendigkeit eines vertieften Studiums der wirtschaftlichen und kultu¬
rellen Zustände des Orients hin. Die Neugründung der Orient-Abteilung der
Königlichen Bibliothek wird zu dieser Stärkung und Vertiefung wesentlich bei¬
tragen können dadurch, daß sie im Rahmen des Gesamtorganismus die besondere
Aufgabe erhält, die Welt des Orients jedem Bibliotheksbenutzer, dem Kaufmann
und Ingenieur so gut wie dem Gelehrten, nahe zu bringen und ihm, vor allem
durch Schaffung eigener Orientfachkataloge, das Hineinbringen in diesen Kultur¬
kreis zu erleichtern.'


III.

Mit den Bestrebungen, noch während des Krieges die Auslandsstudien
auch durch die Bibliotheken zu fördern, haben wir schon die Aufgaben gestreift,
die den Bibliotheken im Gefolge des Weltkrieges erwachsen werden. Freilich
wäre es verfrüht, diese schon jetzt im einzelnen festlegen zu wollen, doch scheint
es gut, die Gedanken darauf zu lenken und sich auf die Maßstäbe, die voraus¬
sichtlich von den hergebrachten gewaltig abweichen werden, einzurichten. Mit
dem, was an Mitteln für den Ankauf von fremdländischen Büchern schon jetzt
bereitgestellt ist, und mit den anderen, an sich dankenswerten Maßnahmen ist
nur ein erster, wenn auch sehr- wichtiger Schritt getan auf einem der Wege, die
unser zukünftiges Bibliothekswesen einzuschlagen haben wird. Wer dem zu¬
stimmt, was die Denkschrift des preußischen Kultusministeriums über die Förde¬
rung der Auslandsstudien sagt: „Der Krieg hat auch die, die es noch nicht wu߬
ten, darüber aufgeklärt, wie erschreckend unsere Unkenntnis des ausländischen
Denkens gewesen ist, wie bitter not uns ein staatswissenschaftliches Verstehen
der Gegenwart tut" — wer die Richtigkeit dieser Worte in tiefstem Herzen mit¬
empfindet, der wird auch von den Bibliotheken nach dem Kriege verlangen, daß
sie ihre ganze „Bibliothekspolitik" anders einstellen, daß auch sie, wie es in der
Denkschrift heißt, „innerlich zu den großen Problemen der Weltpolitik und der
Weltwirtschaft Stellung nehmen". Eine solche Stellungnahme zwingt aber so¬
gleich zu einer viel weitgehenderen Berücksichtigung der ausländischen Literatur,
und zwar nicht nur in bezug auf die Ankäufe, sondern auch durch Vermehrung
der Arbeitskräfte und Schaffung von Katalogen. Und zwar genügt es nicht, daß
einzelne große Bibliotheken sich der Pflege der - Auslandsliteratur annehmen,
sondern durch das Zusammenwirken aller muß die Erreichung des Zieles ge¬
währleistet werden.! Wenn — um ein Beispiel anzuführen -— die Hof- und
Staatsbibliothek in München ins Auge faßt, ihre Ankäufe auf dem Gebiet der
ausländischen Zeitungen noch wesentlich zu verstärken, so ist das in der Tat ein sehr
beachtenswerter Entschluß, der die Nachahmung aller anderen Bibliotheken ver¬
dient. Nur sollten die Bibliotheken hierbei einheitlich und planvoll vorgehen
und auf die Anschaffungen anderer Institute Rücksicht nehmen. Tragen sie in
dieser Weise dem Gedanken der Kooperation Rechnung, so ist zu erwarten, daß
ausländische Zeitschriften und Zeitungen in Deutschland in ausreichenderer
Weise vertreten sein werden, als es bisher der Fall ist.

über die Förderung der Auslandsstudien hinaus werden die Bibliotheken
sich — ganz allgemein gesprochen — mehr als vor dem Kriege vor Augen,halten
müssen, daß sie'in erster Linie der Gegenwart zu dienen haben. Denn auch die
Bibliotheken sind mit berufen, die schweren Wunden, die der Krieg unserm Volk
in materieller und geistiger Hinsicht geschlagen hat, zu heilen. Darum muß es
auch hier heißen: der Lebende hat recht. Das an sich notwendige Streben nach
möglichst vollständiger Aufbewahrung und Ergänzung der deutschen Bücher-
Produktion wird, wenigstens sür eine Reihe von Jahren, gegenüber den Anforde¬
rungen des Tages in die zweite Linie treten müssen. Werke und Zeitschriften,
die sür Volkswirtschaft und Volkswohlfahrt im weitesten Sinne — Wissenschaft,
Kunst und Technik miteinbegriffen — von Wichtigkeit sind, ausländische so gut
wie einheimische, dürfen auf unseren Bibliotheken nicht vergebens gesucht werden.
Und damit die Benutzer nicht durch den Bescheid „Verlieben" so oft enttäuscht


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[0224] Deutsches Ridlwthckswcini im Weltkrieg lichen Verhältnisse die allgemeine Aufmerksamkeit in gesteigertem Maße auf den Orient gelenkt, so wies die stärkere Betonung der Auslandsstudien naturgemäß auf die Notwendigkeit eines vertieften Studiums der wirtschaftlichen und kultu¬ rellen Zustände des Orients hin. Die Neugründung der Orient-Abteilung der Königlichen Bibliothek wird zu dieser Stärkung und Vertiefung wesentlich bei¬ tragen können dadurch, daß sie im Rahmen des Gesamtorganismus die besondere Aufgabe erhält, die Welt des Orients jedem Bibliotheksbenutzer, dem Kaufmann und Ingenieur so gut wie dem Gelehrten, nahe zu bringen und ihm, vor allem durch Schaffung eigener Orientfachkataloge, das Hineinbringen in diesen Kultur¬ kreis zu erleichtern.' III. Mit den Bestrebungen, noch während des Krieges die Auslandsstudien auch durch die Bibliotheken zu fördern, haben wir schon die Aufgaben gestreift, die den Bibliotheken im Gefolge des Weltkrieges erwachsen werden. Freilich wäre es verfrüht, diese schon jetzt im einzelnen festlegen zu wollen, doch scheint es gut, die Gedanken darauf zu lenken und sich auf die Maßstäbe, die voraus¬ sichtlich von den hergebrachten gewaltig abweichen werden, einzurichten. Mit dem, was an Mitteln für den Ankauf von fremdländischen Büchern schon jetzt bereitgestellt ist, und mit den anderen, an sich dankenswerten Maßnahmen ist nur ein erster, wenn auch sehr- wichtiger Schritt getan auf einem der Wege, die unser zukünftiges Bibliothekswesen einzuschlagen haben wird. Wer dem zu¬ stimmt, was die Denkschrift des preußischen Kultusministeriums über die Förde¬ rung der Auslandsstudien sagt: „Der Krieg hat auch die, die es noch nicht wu߬ ten, darüber aufgeklärt, wie erschreckend unsere Unkenntnis des ausländischen Denkens gewesen ist, wie bitter not uns ein staatswissenschaftliches Verstehen der Gegenwart tut" — wer die Richtigkeit dieser Worte in tiefstem Herzen mit¬ empfindet, der wird auch von den Bibliotheken nach dem Kriege verlangen, daß sie ihre ganze „Bibliothekspolitik" anders einstellen, daß auch sie, wie es in der Denkschrift heißt, „innerlich zu den großen Problemen der Weltpolitik und der Weltwirtschaft Stellung nehmen". Eine solche Stellungnahme zwingt aber so¬ gleich zu einer viel weitgehenderen Berücksichtigung der ausländischen Literatur, und zwar nicht nur in bezug auf die Ankäufe, sondern auch durch Vermehrung der Arbeitskräfte und Schaffung von Katalogen. Und zwar genügt es nicht, daß einzelne große Bibliotheken sich der Pflege der - Auslandsliteratur annehmen, sondern durch das Zusammenwirken aller muß die Erreichung des Zieles ge¬ währleistet werden.! Wenn — um ein Beispiel anzuführen -— die Hof- und Staatsbibliothek in München ins Auge faßt, ihre Ankäufe auf dem Gebiet der ausländischen Zeitungen noch wesentlich zu verstärken, so ist das in der Tat ein sehr beachtenswerter Entschluß, der die Nachahmung aller anderen Bibliotheken ver¬ dient. Nur sollten die Bibliotheken hierbei einheitlich und planvoll vorgehen und auf die Anschaffungen anderer Institute Rücksicht nehmen. Tragen sie in dieser Weise dem Gedanken der Kooperation Rechnung, so ist zu erwarten, daß ausländische Zeitschriften und Zeitungen in Deutschland in ausreichenderer Weise vertreten sein werden, als es bisher der Fall ist. über die Förderung der Auslandsstudien hinaus werden die Bibliotheken sich — ganz allgemein gesprochen — mehr als vor dem Kriege vor Augen,halten müssen, daß sie'in erster Linie der Gegenwart zu dienen haben. Denn auch die Bibliotheken sind mit berufen, die schweren Wunden, die der Krieg unserm Volk in materieller und geistiger Hinsicht geschlagen hat, zu heilen. Darum muß es auch hier heißen: der Lebende hat recht. Das an sich notwendige Streben nach möglichst vollständiger Aufbewahrung und Ergänzung der deutschen Bücher- Produktion wird, wenigstens sür eine Reihe von Jahren, gegenüber den Anforde¬ rungen des Tages in die zweite Linie treten müssen. Werke und Zeitschriften, die sür Volkswirtschaft und Volkswohlfahrt im weitesten Sinne — Wissenschaft, Kunst und Technik miteinbegriffen — von Wichtigkeit sind, ausländische so gut wie einheimische, dürfen auf unseren Bibliotheken nicht vergebens gesucht werden. Und damit die Benutzer nicht durch den Bescheid „Verlieben" so oft enttäuscht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_88238/224>, abgerufen am 24.11.2024.