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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Rriegsziele
R, von Aienitz von

ragt man bei einem Handel des täglichen Lebens die Parteien nach
Zielen, so antwortet der eine: möglichst billig .in laufen, der
möglichst teuer zu verkaufen. Danach brauchte nun freilich
erst gefragt zu werden. Aber können sie denn vernünftiger-
mehr sagend Wenn auch jeder von beiden daneben noch
seinen Plan hat, nötigenfalls bis zu der und der Preisgrenze zu gehen, so darf
°r sich das doch nicht merken lassen, weil der Gegner es als ein Zugeständnis
behandeln würde, über das hinaus er nun erst recht weiterfeilscht. Das ist so
nar. daß Wohl nirgends auf der Erde anders verfahren wird außer - bei uns
und den sogenannten KriegSzielen.

Aber reden denn nicht auch die Gegner und die in ihrem Dienste stehenden
Neutralen von Kriegszielen? Werfen sie nicht gerade uns vor, daß nur durch Ver¬
schweigen unserer Kriegsziele den Frieden behindern? Und dabei haben w,r doch
gar nichts verschwiegenI Im Gegenteil --

Sinnen äocent. Betrachten wir einmal die Erde, wie sie bis 1914 verteilt
war. als ein beinahe schon festgefügtes Staatsgebilde, in dem England den Fürsten
mit seiner Regierung bedeutet, die anderen Großmächte-außer den Mittelmachten -
die Pairs darstellen, die den Herrscher mit seinem Schutze und seinen Zugeständ¬
nissen vorläufig bequem finden, und die Mittelmächte die Revolutionäre sind. In¬
zwischen spielen die Neutralen -- ob dort die Staatsleiter oder die Parteien den
Ausschlag geben, ist dabei gleichgültig - die Rolle der sogenannten Gutgesinnten,
die sich in gottgewollter Abhängigkeit und wirtschaftlichem Genüge glücklich sühlen
und deren Verständnis gegenüber jenen Revolutionären zumeist auf der sittlichen
Höhe des bekannten Scherzwortes steht: Kinder, wie kann man so sein; ich weiß
nicht, wie man so sein kannt Im Kampfe mit der Revolution verlangt die Re-
gierung naturgemäß zunächst Beseitigung dessen, was die Revolutionäre bereits
vor sich gebracht haben - Restitution und Reparation -- und darüber hinaus
stellt sie als Ziel auf: Garantien. Das ist zwar dem Wortlaute nach ein sehr
dunkler Begriff. Aber die Pairs sind verständnisinnig und die Gutgesinnten sind
schlechthin gläubig. Sie brauchen dazu gar nicht erst von der Negierung "gekauft"


BrenBoten IV 1917


Rriegsziele
R, von Aienitz von

ragt man bei einem Handel des täglichen Lebens die Parteien nach
Zielen, so antwortet der eine: möglichst billig .in laufen, der
möglichst teuer zu verkaufen. Danach brauchte nun freilich
erst gefragt zu werden. Aber können sie denn vernünftiger-
mehr sagend Wenn auch jeder von beiden daneben noch
seinen Plan hat, nötigenfalls bis zu der und der Preisgrenze zu gehen, so darf
°r sich das doch nicht merken lassen, weil der Gegner es als ein Zugeständnis
behandeln würde, über das hinaus er nun erst recht weiterfeilscht. Das ist so
nar. daß Wohl nirgends auf der Erde anders verfahren wird außer - bei uns
und den sogenannten KriegSzielen.

Aber reden denn nicht auch die Gegner und die in ihrem Dienste stehenden
Neutralen von Kriegszielen? Werfen sie nicht gerade uns vor, daß nur durch Ver¬
schweigen unserer Kriegsziele den Frieden behindern? Und dabei haben w,r doch
gar nichts verschwiegenI Im Gegenteil —

Sinnen äocent. Betrachten wir einmal die Erde, wie sie bis 1914 verteilt
war. als ein beinahe schon festgefügtes Staatsgebilde, in dem England den Fürsten
mit seiner Regierung bedeutet, die anderen Großmächte-außer den Mittelmachten -
die Pairs darstellen, die den Herrscher mit seinem Schutze und seinen Zugeständ¬
nissen vorläufig bequem finden, und die Mittelmächte die Revolutionäre sind. In¬
zwischen spielen die Neutralen — ob dort die Staatsleiter oder die Parteien den
Ausschlag geben, ist dabei gleichgültig - die Rolle der sogenannten Gutgesinnten,
die sich in gottgewollter Abhängigkeit und wirtschaftlichem Genüge glücklich sühlen
und deren Verständnis gegenüber jenen Revolutionären zumeist auf der sittlichen
Höhe des bekannten Scherzwortes steht: Kinder, wie kann man so sein; ich weiß
nicht, wie man so sein kannt Im Kampfe mit der Revolution verlangt die Re-
gierung naturgemäß zunächst Beseitigung dessen, was die Revolutionäre bereits
vor sich gebracht haben - Restitution und Reparation — und darüber hinaus
stellt sie als Ziel auf: Garantien. Das ist zwar dem Wortlaute nach ein sehr
dunkler Begriff. Aber die Pairs sind verständnisinnig und die Gutgesinnten sind
schlechthin gläubig. Sie brauchen dazu gar nicht erst von der Negierung „gekauft"


BrenBoten IV 1917
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[0221] [Abbildung] Rriegsziele R, von Aienitz von ragt man bei einem Handel des täglichen Lebens die Parteien nach Zielen, so antwortet der eine: möglichst billig .in laufen, der möglichst teuer zu verkaufen. Danach brauchte nun freilich erst gefragt zu werden. Aber können sie denn vernünftiger- mehr sagend Wenn auch jeder von beiden daneben noch seinen Plan hat, nötigenfalls bis zu der und der Preisgrenze zu gehen, so darf °r sich das doch nicht merken lassen, weil der Gegner es als ein Zugeständnis behandeln würde, über das hinaus er nun erst recht weiterfeilscht. Das ist so nar. daß Wohl nirgends auf der Erde anders verfahren wird außer - bei uns und den sogenannten KriegSzielen. Aber reden denn nicht auch die Gegner und die in ihrem Dienste stehenden Neutralen von Kriegszielen? Werfen sie nicht gerade uns vor, daß nur durch Ver¬ schweigen unserer Kriegsziele den Frieden behindern? Und dabei haben w,r doch gar nichts verschwiegenI Im Gegenteil — Sinnen äocent. Betrachten wir einmal die Erde, wie sie bis 1914 verteilt war. als ein beinahe schon festgefügtes Staatsgebilde, in dem England den Fürsten mit seiner Regierung bedeutet, die anderen Großmächte-außer den Mittelmachten - die Pairs darstellen, die den Herrscher mit seinem Schutze und seinen Zugeständ¬ nissen vorläufig bequem finden, und die Mittelmächte die Revolutionäre sind. In¬ zwischen spielen die Neutralen — ob dort die Staatsleiter oder die Parteien den Ausschlag geben, ist dabei gleichgültig - die Rolle der sogenannten Gutgesinnten, die sich in gottgewollter Abhängigkeit und wirtschaftlichem Genüge glücklich sühlen und deren Verständnis gegenüber jenen Revolutionären zumeist auf der sittlichen Höhe des bekannten Scherzwortes steht: Kinder, wie kann man so sein; ich weiß nicht, wie man so sein kannt Im Kampfe mit der Revolution verlangt die Re- gierung naturgemäß zunächst Beseitigung dessen, was die Revolutionäre bereits vor sich gebracht haben - Restitution und Reparation — und darüber hinaus stellt sie als Ziel auf: Garantien. Das ist zwar dem Wortlaute nach ein sehr dunkler Begriff. Aber die Pairs sind verständnisinnig und die Gutgesinnten sind schlechthin gläubig. Sie brauchen dazu gar nicht erst von der Negierung „gekauft" BrenBoten IV 1917

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/221>, abgerufen am 27.07.2024.