Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Bemerkungen zum Tage

Die Friedensnote des Papstes. Wir erkennen jedem Menschen ohne
Unterschied seines Bekenntnisses, Nationalität oder Parteizugehörigkeit das
Recht zu, den Versuch zu machen, dem Kriegswahnsinn ein Ende zu setzen;
was wir von einem solchen Vermittler verlangen, ist nur, daß er seine
Vermittlung aus allgemein menschlichen Gesichtspunkten, nicht aber aus
eigensüchtigen Interessen unternimmt. Deshalb haben wir auch den Versuch
der Sozialisten aller Länder den Frieden anzubahnen gut geheißen, wenn wir
auch der Möglichkeit eines baldigen Erfolges skeptisch gegenüberstanden und
-stehen. Wir begrüßen auch den jüngsten Versuch des Papstes Benedikt des
Fünfzehnten, den Sinn der Völker oder richtiger ihrer Regierungen friedlich zu
stimmen. Es ist nicht nur seine Pflicht, als Oberhaupt der katholischen Menschheit
von Zeit zu Zeit den Mahnruf zum Frieden ertönen zu lassen, -- als einer hoch-
gestellten Persönlichkeit im Aufbau der menschlichen Gesellschaft überhaupt erkennen
wir ihm rückhaltlos das Recht zu und heißen seine Friedensbotschaft als ganzes
genommen gern willkommen.

Papst Benedikt greift in den großen Prozeß der Menschheit, der wieder ein-
mal zu dramatischen Höhepunkten aufgestiegen ist, ein. wie der Vorsitzende einer
Schöffengerichtsverhandlung, der gern einen Vergleich der Parteien zustande bringen
möchte und bestens den psychologischen Moment zu erHaschen sucht, in dem die
Streitenden schließlich doch angeekelt von dem ganzen Prozeß und seinem Drum
und Dran, empfänglich für ein versöhnendes Wort geworden sind. Manchmal
gelingt es bei dem ersten leisen Versuch. -- meist sind erst viele beschwerliche und
unerfreuliche Prozeßstadien zu überwinden, ehe ein Wort vom Vergleich überhaupt
nur verstanden wird. Der Heilige Vater hat schon verschiedene Schritte unter¬
nommen, um die Menschen zur Vernunft zu bringen; er hat nach seinem eigenen
Bekenntnis "unablässig die kriegführenden Völker und Regierungen ermahnt, wieder
Brüder zu werden". Mehr als wir wissen, denn es ist "nicht alles bekannt ge-
geben" worden, was seitens des Papstes in dieser Richtung getan wurde.

Ob der gegenwärtige Augenblick der psychologisch richtige ist. soll hier nicht
erörtert werden: wir gehören zu den Kriegführenden und so gern wir wieder zu
friedlicher Beschäftigung zurückkehrten, sehen wir nirgends eine Möglichkeit dazu:
will uns doch das Heer unserer Gegner eingestandenermaßen ein für allemal die
Kraft zur Selbstbestimmung brechen und unsere friedliche Arbeit Bedingungen
unterwerfen, die jede Aussicht auf Entwicklung und Lohn der Arbeit von vorn-
herein ausschließt. Erst in den allerletzten Tagen hat England wieder zwei Länder,
China und Siam, gezwungen, in den kriegerischen Prozeß gegen uns einzugreifen.
Aber vielleicht hindert uns nur unsere einseitige Kampfstellung, die Geeignetheit




Bemerkungen zum Tage

Die Friedensnote des Papstes. Wir erkennen jedem Menschen ohne
Unterschied seines Bekenntnisses, Nationalität oder Parteizugehörigkeit das
Recht zu, den Versuch zu machen, dem Kriegswahnsinn ein Ende zu setzen;
was wir von einem solchen Vermittler verlangen, ist nur, daß er seine
Vermittlung aus allgemein menschlichen Gesichtspunkten, nicht aber aus
eigensüchtigen Interessen unternimmt. Deshalb haben wir auch den Versuch
der Sozialisten aller Länder den Frieden anzubahnen gut geheißen, wenn wir
auch der Möglichkeit eines baldigen Erfolges skeptisch gegenüberstanden und
-stehen. Wir begrüßen auch den jüngsten Versuch des Papstes Benedikt des
Fünfzehnten, den Sinn der Völker oder richtiger ihrer Regierungen friedlich zu
stimmen. Es ist nicht nur seine Pflicht, als Oberhaupt der katholischen Menschheit
von Zeit zu Zeit den Mahnruf zum Frieden ertönen zu lassen, — als einer hoch-
gestellten Persönlichkeit im Aufbau der menschlichen Gesellschaft überhaupt erkennen
wir ihm rückhaltlos das Recht zu und heißen seine Friedensbotschaft als ganzes
genommen gern willkommen.

Papst Benedikt greift in den großen Prozeß der Menschheit, der wieder ein-
mal zu dramatischen Höhepunkten aufgestiegen ist, ein. wie der Vorsitzende einer
Schöffengerichtsverhandlung, der gern einen Vergleich der Parteien zustande bringen
möchte und bestens den psychologischen Moment zu erHaschen sucht, in dem die
Streitenden schließlich doch angeekelt von dem ganzen Prozeß und seinem Drum
und Dran, empfänglich für ein versöhnendes Wort geworden sind. Manchmal
gelingt es bei dem ersten leisen Versuch. — meist sind erst viele beschwerliche und
unerfreuliche Prozeßstadien zu überwinden, ehe ein Wort vom Vergleich überhaupt
nur verstanden wird. Der Heilige Vater hat schon verschiedene Schritte unter¬
nommen, um die Menschen zur Vernunft zu bringen; er hat nach seinem eigenen
Bekenntnis „unablässig die kriegführenden Völker und Regierungen ermahnt, wieder
Brüder zu werden". Mehr als wir wissen, denn es ist „nicht alles bekannt ge-
geben" worden, was seitens des Papstes in dieser Richtung getan wurde.

Ob der gegenwärtige Augenblick der psychologisch richtige ist. soll hier nicht
erörtert werden: wir gehören zu den Kriegführenden und so gern wir wieder zu
friedlicher Beschäftigung zurückkehrten, sehen wir nirgends eine Möglichkeit dazu:
will uns doch das Heer unserer Gegner eingestandenermaßen ein für allemal die
Kraft zur Selbstbestimmung brechen und unsere friedliche Arbeit Bedingungen
unterwerfen, die jede Aussicht auf Entwicklung und Lohn der Arbeit von vorn-
herein ausschließt. Erst in den allerletzten Tagen hat England wieder zwei Länder,
China und Siam, gezwungen, in den kriegerischen Prozeß gegen uns einzugreifen.
Aber vielleicht hindert uns nur unsere einseitige Kampfstellung, die Geeignetheit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0293" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332572"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341905_332278/figures/grenzboten_341905_332278_332572_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Bemerkungen zum Tage</head><lb/>
          <p xml:id="ID_916"> Die Friedensnote des Papstes. Wir erkennen jedem Menschen ohne<lb/>
Unterschied seines Bekenntnisses, Nationalität oder Parteizugehörigkeit das<lb/>
Recht zu, den Versuch zu machen, dem Kriegswahnsinn ein Ende zu setzen;<lb/>
was wir von einem solchen Vermittler verlangen, ist nur, daß er seine<lb/>
Vermittlung aus allgemein menschlichen Gesichtspunkten, nicht aber aus<lb/>
eigensüchtigen Interessen unternimmt. Deshalb haben wir auch den Versuch<lb/>
der Sozialisten aller Länder den Frieden anzubahnen gut geheißen, wenn wir<lb/>
auch der Möglichkeit eines baldigen Erfolges skeptisch gegenüberstanden und<lb/>
-stehen. Wir begrüßen auch den jüngsten Versuch des Papstes Benedikt des<lb/>
Fünfzehnten, den Sinn der Völker oder richtiger ihrer Regierungen friedlich zu<lb/>
stimmen. Es ist nicht nur seine Pflicht, als Oberhaupt der katholischen Menschheit<lb/>
von Zeit zu Zeit den Mahnruf zum Frieden ertönen zu lassen, &#x2014; als einer hoch-<lb/>
gestellten Persönlichkeit im Aufbau der menschlichen Gesellschaft überhaupt erkennen<lb/>
wir ihm rückhaltlos das Recht zu und heißen seine Friedensbotschaft als ganzes<lb/>
genommen gern willkommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_917"> Papst Benedikt greift in den großen Prozeß der Menschheit, der wieder ein-<lb/>
mal zu dramatischen Höhepunkten aufgestiegen ist, ein. wie der Vorsitzende einer<lb/>
Schöffengerichtsverhandlung, der gern einen Vergleich der Parteien zustande bringen<lb/>
möchte und bestens den psychologischen Moment zu erHaschen sucht, in dem die<lb/>
Streitenden schließlich doch angeekelt von dem ganzen Prozeß und seinem Drum<lb/>
und Dran, empfänglich für ein versöhnendes Wort geworden sind. Manchmal<lb/>
gelingt es bei dem ersten leisen Versuch. &#x2014; meist sind erst viele beschwerliche und<lb/>
unerfreuliche Prozeßstadien zu überwinden, ehe ein Wort vom Vergleich überhaupt<lb/>
nur verstanden wird. Der Heilige Vater hat schon verschiedene Schritte unter¬<lb/>
nommen, um die Menschen zur Vernunft zu bringen; er hat nach seinem eigenen<lb/>
Bekenntnis &#x201E;unablässig die kriegführenden Völker und Regierungen ermahnt, wieder<lb/>
Brüder zu werden". Mehr als wir wissen, denn es ist &#x201E;nicht alles bekannt ge-<lb/>
geben" worden, was seitens des Papstes in dieser Richtung getan wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_918" next="#ID_919"> Ob der gegenwärtige Augenblick der psychologisch richtige ist. soll hier nicht<lb/>
erörtert werden: wir gehören zu den Kriegführenden und so gern wir wieder zu<lb/>
friedlicher Beschäftigung zurückkehrten, sehen wir nirgends eine Möglichkeit dazu:<lb/>
will uns doch das Heer unserer Gegner eingestandenermaßen ein für allemal die<lb/>
Kraft zur Selbstbestimmung brechen und unsere friedliche Arbeit Bedingungen<lb/>
unterwerfen, die jede Aussicht auf Entwicklung und Lohn der Arbeit von vorn-<lb/>
herein ausschließt. Erst in den allerletzten Tagen hat England wieder zwei Länder,<lb/>
China und Siam, gezwungen, in den kriegerischen Prozeß gegen uns einzugreifen.<lb/>
Aber vielleicht hindert uns nur unsere einseitige Kampfstellung, die Geeignetheit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0293] [Abbildung] Bemerkungen zum Tage Die Friedensnote des Papstes. Wir erkennen jedem Menschen ohne Unterschied seines Bekenntnisses, Nationalität oder Parteizugehörigkeit das Recht zu, den Versuch zu machen, dem Kriegswahnsinn ein Ende zu setzen; was wir von einem solchen Vermittler verlangen, ist nur, daß er seine Vermittlung aus allgemein menschlichen Gesichtspunkten, nicht aber aus eigensüchtigen Interessen unternimmt. Deshalb haben wir auch den Versuch der Sozialisten aller Länder den Frieden anzubahnen gut geheißen, wenn wir auch der Möglichkeit eines baldigen Erfolges skeptisch gegenüberstanden und -stehen. Wir begrüßen auch den jüngsten Versuch des Papstes Benedikt des Fünfzehnten, den Sinn der Völker oder richtiger ihrer Regierungen friedlich zu stimmen. Es ist nicht nur seine Pflicht, als Oberhaupt der katholischen Menschheit von Zeit zu Zeit den Mahnruf zum Frieden ertönen zu lassen, — als einer hoch- gestellten Persönlichkeit im Aufbau der menschlichen Gesellschaft überhaupt erkennen wir ihm rückhaltlos das Recht zu und heißen seine Friedensbotschaft als ganzes genommen gern willkommen. Papst Benedikt greift in den großen Prozeß der Menschheit, der wieder ein- mal zu dramatischen Höhepunkten aufgestiegen ist, ein. wie der Vorsitzende einer Schöffengerichtsverhandlung, der gern einen Vergleich der Parteien zustande bringen möchte und bestens den psychologischen Moment zu erHaschen sucht, in dem die Streitenden schließlich doch angeekelt von dem ganzen Prozeß und seinem Drum und Dran, empfänglich für ein versöhnendes Wort geworden sind. Manchmal gelingt es bei dem ersten leisen Versuch. — meist sind erst viele beschwerliche und unerfreuliche Prozeßstadien zu überwinden, ehe ein Wort vom Vergleich überhaupt nur verstanden wird. Der Heilige Vater hat schon verschiedene Schritte unter¬ nommen, um die Menschen zur Vernunft zu bringen; er hat nach seinem eigenen Bekenntnis „unablässig die kriegführenden Völker und Regierungen ermahnt, wieder Brüder zu werden". Mehr als wir wissen, denn es ist „nicht alles bekannt ge- geben" worden, was seitens des Papstes in dieser Richtung getan wurde. Ob der gegenwärtige Augenblick der psychologisch richtige ist. soll hier nicht erörtert werden: wir gehören zu den Kriegführenden und so gern wir wieder zu friedlicher Beschäftigung zurückkehrten, sehen wir nirgends eine Möglichkeit dazu: will uns doch das Heer unserer Gegner eingestandenermaßen ein für allemal die Kraft zur Selbstbestimmung brechen und unsere friedliche Arbeit Bedingungen unterwerfen, die jede Aussicht auf Entwicklung und Lohn der Arbeit von vorn- herein ausschließt. Erst in den allerletzten Tagen hat England wieder zwei Länder, China und Siam, gezwungen, in den kriegerischen Prozeß gegen uns einzugreifen. Aber vielleicht hindert uns nur unsere einseitige Kampfstellung, die Geeignetheit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/293
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/293>, abgerufen am 27.06.2024.