Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.Deutsche Rechtschreibung 1562 nahm der Orden dasselbe Ende wie nicht lange vorher (1525) der Nehmen wir zu all diesem hinzu, daß auch das baltische niederdeutsch, Deutsche Rechtschreibung von Professor Dr. Alfred Götze er Deutsche steht mit seiner Rechtschreibung auf gespanntem Fuß -- Deutsche Rechtschreibung 1562 nahm der Orden dasselbe Ende wie nicht lange vorher (1525) der Nehmen wir zu all diesem hinzu, daß auch das baltische niederdeutsch, Deutsche Rechtschreibung von Professor Dr. Alfred Götze er Deutsche steht mit seiner Rechtschreibung auf gespanntem Fuß — <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0258" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332537"/> <fw type="header" place="top"> Deutsche Rechtschreibung</fw><lb/> <p xml:id="ID_789"> 1562 nahm der Orden dasselbe Ende wie nicht lange vorher (1525) der<lb/> Preußische Ritterorden: Gotthard von Kettler trat zum Protestantismus über<lb/> und nahm als Herzog von Kurland das ihm verbleibende Gebiet von Polen<lb/> zu Lehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_790"> Nehmen wir zu all diesem hinzu, daß auch das baltische niederdeutsch,<lb/> wie es uns in den Urkunden und Chroniken des Mittelalters entgegentritt,<lb/> einen stark westfälischen Charakter aufweist, daß Valerian Tornius (Natur- und<lb/> Geisteswelt 1915) sogar die Sprache der heutigen Ballen als ein Hochdeutsch<lb/> westfälischen Ursprungs bezeichnet, so wird es uns nicht weiter wunder nehmen,<lb/> wenn Ende des sechzehnten Jahrhunderts der Rostocker Professor Chyträus,<lb/> der also der Blütezeit des baltischen Deutschtums noch recht nahe stand und<lb/> dem auch Livland selbst nicht unbekannt war, geradezu behauptet: die Stände<lb/> Livlands sind westfälischen Ursprungs (Uvoniue orämes oriZML Westpnuli).</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Deutsche Rechtschreibung<lb/><note type="byline"> von Professor Dr. Alfred Götze</note></head><lb/> <p xml:id="ID_791" next="#ID_792"> er Deutsche steht mit seiner Rechtschreibung auf gespanntem Fuß —<lb/> die Formel ist für das Verhältnis der beiden vorbehalten und<lb/> dafür bezeichnend, aber sie bezeichnet nichts Gutes. Man hat<lb/> sich damit abgefunden, daß der Lehrer einem beliebigen Volks¬<lb/> genossen, auch dem akademisch Gebildeten, in wenig Minuten<lb/> ein paar Sätze diktieren kann, in denen der andere ein Dutzendmal über ver¬<lb/> zwickte Schreibungen stolpert, daß sich der Ungewarnte in den vier Worten<lb/> „bloß ein bißchen Grieß" bis zu drei Schreibfehlern zu leisten pflegt, daß<lb/> unsere Frauen bis hoch hinauf nicht leicht einen fehlerfreien Brief schreiben-<lb/> Welche Rolle spielen die orthographischen Nöte und Sünden in deutschen Schulen,<lb/> wie viel Buben sind darum geschlagen und wie viel Mädchen an den Ohren<lb/> gezaust, wie viel gute Zeit ist besseren Dingen entzogen worden — und was ist<lb/> der Erfolg? Unsere Gelehrten überlassen es dem Setzer und Korrektor, in ihren<lb/> Büchern die übliche Rechtschreibung einzuführen, die selber anzuwenden sie zu<lb/> erhaben oder zu ungeübt sind. Auf den Schreibstuben der Behörden, in den<lb/> Geschäftszimmern der Zeitungen und Druckereien hat man das amtliche Regel¬<lb/> buch oder den „Buchdrucker-Duden" zur Hand und schlägt darin nach, so oft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0258]
Deutsche Rechtschreibung
1562 nahm der Orden dasselbe Ende wie nicht lange vorher (1525) der
Preußische Ritterorden: Gotthard von Kettler trat zum Protestantismus über
und nahm als Herzog von Kurland das ihm verbleibende Gebiet von Polen
zu Lehen.
Nehmen wir zu all diesem hinzu, daß auch das baltische niederdeutsch,
wie es uns in den Urkunden und Chroniken des Mittelalters entgegentritt,
einen stark westfälischen Charakter aufweist, daß Valerian Tornius (Natur- und
Geisteswelt 1915) sogar die Sprache der heutigen Ballen als ein Hochdeutsch
westfälischen Ursprungs bezeichnet, so wird es uns nicht weiter wunder nehmen,
wenn Ende des sechzehnten Jahrhunderts der Rostocker Professor Chyträus,
der also der Blütezeit des baltischen Deutschtums noch recht nahe stand und
dem auch Livland selbst nicht unbekannt war, geradezu behauptet: die Stände
Livlands sind westfälischen Ursprungs (Uvoniue orämes oriZML Westpnuli).
Deutsche Rechtschreibung
von Professor Dr. Alfred Götze
er Deutsche steht mit seiner Rechtschreibung auf gespanntem Fuß —
die Formel ist für das Verhältnis der beiden vorbehalten und
dafür bezeichnend, aber sie bezeichnet nichts Gutes. Man hat
sich damit abgefunden, daß der Lehrer einem beliebigen Volks¬
genossen, auch dem akademisch Gebildeten, in wenig Minuten
ein paar Sätze diktieren kann, in denen der andere ein Dutzendmal über ver¬
zwickte Schreibungen stolpert, daß sich der Ungewarnte in den vier Worten
„bloß ein bißchen Grieß" bis zu drei Schreibfehlern zu leisten pflegt, daß
unsere Frauen bis hoch hinauf nicht leicht einen fehlerfreien Brief schreiben-
Welche Rolle spielen die orthographischen Nöte und Sünden in deutschen Schulen,
wie viel Buben sind darum geschlagen und wie viel Mädchen an den Ohren
gezaust, wie viel gute Zeit ist besseren Dingen entzogen worden — und was ist
der Erfolg? Unsere Gelehrten überlassen es dem Setzer und Korrektor, in ihren
Büchern die übliche Rechtschreibung einzuführen, die selber anzuwenden sie zu
erhaben oder zu ungeübt sind. Auf den Schreibstuben der Behörden, in den
Geschäftszimmern der Zeitungen und Druckereien hat man das amtliche Regel¬
buch oder den „Buchdrucker-Duden" zur Hand und schlägt darin nach, so oft
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