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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Amerikanische (Lhinapolitik
von Professor Dr. I. Hashagen

me nähere Beschäftigung mit der besonders durch amerikanische
Quellen hell beleuchteten auswärtigen Politik der Vereinigten
Staaten ist geschichtlich und politisch von hohem Interesse, wenn
auch in Deutschland Historiker und Politiker bisher nur gelegent¬
lich darauf geachtet haben. Besonders lehrreich ist es, auch in
der amerikanischen Auslandspolitik die typischen Züge angelsächsischer Weltpolitik
zu erkennen. Sehr vieles darin erinnert an England. Andererseits haben die
Amerikaner selbst von jeher viel Gewicht darauf gelegt, auch in der äußeren
Politik etwas besonderes zu sein und gerade in ihr dem Geiste der spezifisch
amerikanischen Demokratie reizvolle Denkmäler zu errichten. So schon in den
Tagen Washingtons und Monroes. Was aber zunächst als amerikanische
Eigentümlichkeit erscheint, entpuppt sich bald als ein allgemein angelsächsischer
Charakterzug. Denn obwohl die amerikanische Auslandspolitik wie jede Aus-
landspolitik einfache Macht- und Interessenpolitik ist. gefällt sie sich nach dem
Vorbilde der ebenso beschaffenen englischen Politik gerne in einem Humanitären
und pazifistischen Gewände. Dies Gewand dient aber, was man nicht über¬
sehen sollte, nicht nur der schönen Dekoration, sondern es ist zugleich ein be¬
währtes politisches Mittel, um die Gegner und besonders die eifersüchtigen
Europäer über die wahren Ziele der amerikanischen Auslandspolitik, welche
von Anbeginn Ausdehnungs- und oft genug Eroberungspolitik gewesen ist,
geschickt hinwegzutäuschen.

Zu besonderer Meisterschaft haben die Vereinigten Staaten diese auch sonst
und lange vor dem Weltkriege ständig geübte und zu immer höherer Voll¬
kommenheit gebrachte Taktik in ihrer Chinapolitik entwickelt. Auch die ameri¬
kanische Chinapolitik ist natürlich einfache Macht- und Interessenpolitik. Schon
gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts beginnt sie als tatkräftige und weit
ausschauende Handels- und Schiffahrtspolitik. Bis zum Bürgerkriege des neun¬
zehnten Jahrhunderts gelingt es den rastlosen Amerikanern, sich nächst England
zur ersten Handelsmacht in den chinesischen Gewässern aufzuschwingen. Noch
steht damals die nordamerikanische Handelsschiffahrt in voller Blüte. Außerdem
verstehen es die Uankees damals noch trefflich, die im übrigen mit ererbten
Haffe verfolgten Engländer in China für sich arbeiten zu lassen. Besonders
mit der Führung des Opiumkrieges gegen China müssen sich die stammver-




Amerikanische (Lhinapolitik
von Professor Dr. I. Hashagen

me nähere Beschäftigung mit der besonders durch amerikanische
Quellen hell beleuchteten auswärtigen Politik der Vereinigten
Staaten ist geschichtlich und politisch von hohem Interesse, wenn
auch in Deutschland Historiker und Politiker bisher nur gelegent¬
lich darauf geachtet haben. Besonders lehrreich ist es, auch in
der amerikanischen Auslandspolitik die typischen Züge angelsächsischer Weltpolitik
zu erkennen. Sehr vieles darin erinnert an England. Andererseits haben die
Amerikaner selbst von jeher viel Gewicht darauf gelegt, auch in der äußeren
Politik etwas besonderes zu sein und gerade in ihr dem Geiste der spezifisch
amerikanischen Demokratie reizvolle Denkmäler zu errichten. So schon in den
Tagen Washingtons und Monroes. Was aber zunächst als amerikanische
Eigentümlichkeit erscheint, entpuppt sich bald als ein allgemein angelsächsischer
Charakterzug. Denn obwohl die amerikanische Auslandspolitik wie jede Aus-
landspolitik einfache Macht- und Interessenpolitik ist. gefällt sie sich nach dem
Vorbilde der ebenso beschaffenen englischen Politik gerne in einem Humanitären
und pazifistischen Gewände. Dies Gewand dient aber, was man nicht über¬
sehen sollte, nicht nur der schönen Dekoration, sondern es ist zugleich ein be¬
währtes politisches Mittel, um die Gegner und besonders die eifersüchtigen
Europäer über die wahren Ziele der amerikanischen Auslandspolitik, welche
von Anbeginn Ausdehnungs- und oft genug Eroberungspolitik gewesen ist,
geschickt hinwegzutäuschen.

Zu besonderer Meisterschaft haben die Vereinigten Staaten diese auch sonst
und lange vor dem Weltkriege ständig geübte und zu immer höherer Voll¬
kommenheit gebrachte Taktik in ihrer Chinapolitik entwickelt. Auch die ameri¬
kanische Chinapolitik ist natürlich einfache Macht- und Interessenpolitik. Schon
gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts beginnt sie als tatkräftige und weit
ausschauende Handels- und Schiffahrtspolitik. Bis zum Bürgerkriege des neun¬
zehnten Jahrhunderts gelingt es den rastlosen Amerikanern, sich nächst England
zur ersten Handelsmacht in den chinesischen Gewässern aufzuschwingen. Noch
steht damals die nordamerikanische Handelsschiffahrt in voller Blüte. Außerdem
verstehen es die Uankees damals noch trefflich, die im übrigen mit ererbten
Haffe verfolgten Engländer in China für sich arbeiten zu lassen. Besonders
mit der Führung des Opiumkrieges gegen China müssen sich die stammver-


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[0188] [Abbildung] Amerikanische (Lhinapolitik von Professor Dr. I. Hashagen me nähere Beschäftigung mit der besonders durch amerikanische Quellen hell beleuchteten auswärtigen Politik der Vereinigten Staaten ist geschichtlich und politisch von hohem Interesse, wenn auch in Deutschland Historiker und Politiker bisher nur gelegent¬ lich darauf geachtet haben. Besonders lehrreich ist es, auch in der amerikanischen Auslandspolitik die typischen Züge angelsächsischer Weltpolitik zu erkennen. Sehr vieles darin erinnert an England. Andererseits haben die Amerikaner selbst von jeher viel Gewicht darauf gelegt, auch in der äußeren Politik etwas besonderes zu sein und gerade in ihr dem Geiste der spezifisch amerikanischen Demokratie reizvolle Denkmäler zu errichten. So schon in den Tagen Washingtons und Monroes. Was aber zunächst als amerikanische Eigentümlichkeit erscheint, entpuppt sich bald als ein allgemein angelsächsischer Charakterzug. Denn obwohl die amerikanische Auslandspolitik wie jede Aus- landspolitik einfache Macht- und Interessenpolitik ist. gefällt sie sich nach dem Vorbilde der ebenso beschaffenen englischen Politik gerne in einem Humanitären und pazifistischen Gewände. Dies Gewand dient aber, was man nicht über¬ sehen sollte, nicht nur der schönen Dekoration, sondern es ist zugleich ein be¬ währtes politisches Mittel, um die Gegner und besonders die eifersüchtigen Europäer über die wahren Ziele der amerikanischen Auslandspolitik, welche von Anbeginn Ausdehnungs- und oft genug Eroberungspolitik gewesen ist, geschickt hinwegzutäuschen. Zu besonderer Meisterschaft haben die Vereinigten Staaten diese auch sonst und lange vor dem Weltkriege ständig geübte und zu immer höherer Voll¬ kommenheit gebrachte Taktik in ihrer Chinapolitik entwickelt. Auch die ameri¬ kanische Chinapolitik ist natürlich einfache Macht- und Interessenpolitik. Schon gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts beginnt sie als tatkräftige und weit ausschauende Handels- und Schiffahrtspolitik. Bis zum Bürgerkriege des neun¬ zehnten Jahrhunderts gelingt es den rastlosen Amerikanern, sich nächst England zur ersten Handelsmacht in den chinesischen Gewässern aufzuschwingen. Noch steht damals die nordamerikanische Handelsschiffahrt in voller Blüte. Außerdem verstehen es die Uankees damals noch trefflich, die im übrigen mit ererbten Haffe verfolgten Engländer in China für sich arbeiten zu lassen. Besonders mit der Führung des Opiumkrieges gegen China müssen sich die stammver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/188>, abgerufen am 27.06.2024.