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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Das belgische Ariegsziel
und die jriedenserklärung des Reichstages
von Dr. Karl Buchheim

le deutsche Herrschaft über Belgien ist nunmehr drei Jahre nach
unserem Einmarsch kein kurzlebiges Provisorium mehr. Sie hat
bereits ihre Geschichte und wird ihre dauernden Wirkungen haben,
auch wenn der Traum der Entente in Erfüllung ginge und es
gelänge, die deutschen Eroberer zu verjagen. Wir haben nicht
^oß die Negierungsmaschine wieder in Gang gesetzt, die Eisenbahnen wieder
aufgebaut, die Fabriken wieder arbeiten lassen, sondern wir haben mit Schul-
öwang und Gesundheitspflege, Arbeiterschutz und Versicherungsgesetzgebung, durch
Regelung der Frauen- und Kinderarbeit und der Nachtarbeit auf den ganzen
Listigen und sozialen Zustand des Volkes eingewirkt. Wir haben die flämische
Universität Gut gegründet und die ganze Verwaltung des Königreiches bis auf
die Gebiete der Finanzen, des Handels und Gewerbes in einen flämischen
und einen wallonischen Zweig zerlegt. Hat sich der flämische Geist in Schule
und Verwaltung erst einmal durchgesetzt, so wird auch ein böser Wille der
Machthaber ihn schwerlich wieder unterkriegen. Nach der langen deutschen Re-
Llerung wird das Belgien vor dem Kriege nicht so leicht wieder erstehen,
dieses alte: das neutrale Belgien wünscht ohnedies niemand ernstlich. Unsere
Feinde wollen ein Belgien, das seine'Front offen gegen uns richtet, ein Belgien,
das die Maaslinie in einen wasienstarrenden Festungsgürtel umwandelt, an
^in wir uns, wie diesmal an der französischen Ostfront, in jedem neuen Kriege
^e Köpfe blutig rennen müßten. Diese Gefahr müssen wir verhindern, und dazu
es allerdings nicht genügen, der bloßen Fortwirkung der Maßnahmen
unserer Kriegs Verwaltung zu vertrauen, dazu müssen wir selber auch im Frieden
unsere Hand auf Belgien legen.

Man könnte an eine Annexion Belgiens denken. Das aber haben bisher
nur wenige Stimmen bei uns gefordert, darunter allerdings die gewichtige des


Krenzboten III 1917 9


Das belgische Ariegsziel
und die jriedenserklärung des Reichstages
von Dr. Karl Buchheim

le deutsche Herrschaft über Belgien ist nunmehr drei Jahre nach
unserem Einmarsch kein kurzlebiges Provisorium mehr. Sie hat
bereits ihre Geschichte und wird ihre dauernden Wirkungen haben,
auch wenn der Traum der Entente in Erfüllung ginge und es
gelänge, die deutschen Eroberer zu verjagen. Wir haben nicht
^oß die Negierungsmaschine wieder in Gang gesetzt, die Eisenbahnen wieder
aufgebaut, die Fabriken wieder arbeiten lassen, sondern wir haben mit Schul-
öwang und Gesundheitspflege, Arbeiterschutz und Versicherungsgesetzgebung, durch
Regelung der Frauen- und Kinderarbeit und der Nachtarbeit auf den ganzen
Listigen und sozialen Zustand des Volkes eingewirkt. Wir haben die flämische
Universität Gut gegründet und die ganze Verwaltung des Königreiches bis auf
die Gebiete der Finanzen, des Handels und Gewerbes in einen flämischen
und einen wallonischen Zweig zerlegt. Hat sich der flämische Geist in Schule
und Verwaltung erst einmal durchgesetzt, so wird auch ein böser Wille der
Machthaber ihn schwerlich wieder unterkriegen. Nach der langen deutschen Re-
Llerung wird das Belgien vor dem Kriege nicht so leicht wieder erstehen,
dieses alte: das neutrale Belgien wünscht ohnedies niemand ernstlich. Unsere
Feinde wollen ein Belgien, das seine'Front offen gegen uns richtet, ein Belgien,
das die Maaslinie in einen wasienstarrenden Festungsgürtel umwandelt, an
^in wir uns, wie diesmal an der französischen Ostfront, in jedem neuen Kriege
^e Köpfe blutig rennen müßten. Diese Gefahr müssen wir verhindern, und dazu
es allerdings nicht genügen, der bloßen Fortwirkung der Maßnahmen
unserer Kriegs Verwaltung zu vertrauen, dazu müssen wir selber auch im Frieden
unsere Hand auf Belgien legen.

Man könnte an eine Annexion Belgiens denken. Das aber haben bisher
nur wenige Stimmen bei uns gefordert, darunter allerdings die gewichtige des


Krenzboten III 1917 9
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[0141] [Abbildung] Das belgische Ariegsziel und die jriedenserklärung des Reichstages von Dr. Karl Buchheim le deutsche Herrschaft über Belgien ist nunmehr drei Jahre nach unserem Einmarsch kein kurzlebiges Provisorium mehr. Sie hat bereits ihre Geschichte und wird ihre dauernden Wirkungen haben, auch wenn der Traum der Entente in Erfüllung ginge und es gelänge, die deutschen Eroberer zu verjagen. Wir haben nicht ^oß die Negierungsmaschine wieder in Gang gesetzt, die Eisenbahnen wieder aufgebaut, die Fabriken wieder arbeiten lassen, sondern wir haben mit Schul- öwang und Gesundheitspflege, Arbeiterschutz und Versicherungsgesetzgebung, durch Regelung der Frauen- und Kinderarbeit und der Nachtarbeit auf den ganzen Listigen und sozialen Zustand des Volkes eingewirkt. Wir haben die flämische Universität Gut gegründet und die ganze Verwaltung des Königreiches bis auf die Gebiete der Finanzen, des Handels und Gewerbes in einen flämischen und einen wallonischen Zweig zerlegt. Hat sich der flämische Geist in Schule und Verwaltung erst einmal durchgesetzt, so wird auch ein böser Wille der Machthaber ihn schwerlich wieder unterkriegen. Nach der langen deutschen Re- Llerung wird das Belgien vor dem Kriege nicht so leicht wieder erstehen, dieses alte: das neutrale Belgien wünscht ohnedies niemand ernstlich. Unsere Feinde wollen ein Belgien, das seine'Front offen gegen uns richtet, ein Belgien, das die Maaslinie in einen wasienstarrenden Festungsgürtel umwandelt, an ^in wir uns, wie diesmal an der französischen Ostfront, in jedem neuen Kriege ^e Köpfe blutig rennen müßten. Diese Gefahr müssen wir verhindern, und dazu es allerdings nicht genügen, der bloßen Fortwirkung der Maßnahmen unserer Kriegs Verwaltung zu vertrauen, dazu müssen wir selber auch im Frieden unsere Hand auf Belgien legen. Man könnte an eine Annexion Belgiens denken. Das aber haben bisher nur wenige Stimmen bei uns gefordert, darunter allerdings die gewichtige des Krenzboten III 1917 9

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/141>, abgerufen am 27.06.2024.