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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Zum Aanzlerwechsel
von Wilhelm von Massow

er jüngste Kanzlerwechsel hat sich unter sehr eigenartigen Um¬
ständen vollzogen. Der Krieg bannt die politische Wirksamkeit
in gewisse enge Grenzen, und wir wissen noch nicht so recht,
was den neuen Reichskanzler, der sich so umfassenden Aufgaben
gegenüber bisher noch nicht betätigt hat, von dem bisherige,!
unterscheidet, außer einzelnen leicht wahrnehmbaren äußeren Eigenschaften. Wir
können hier im wesentlichen nur von dem scheidenden Kanzler sprechen. Aber
wiederum verbieten die Umstände während des Krieges die Erörterung vieler
wichtigen Fragen. Und das ist bedauerlich, weil dem bisherigen Reichskanzler
viel Unrecht getan worden ist. Könnte alles schon jetzt klargestellt werden, so
würden viele wahrscheinlich ihre allzu weitgehenden abfälligen Urteile bedauern.
Selbstverständlich spreche ich hierbei nur von den ernsthaften Gegnern des bis¬
sigen Kanzlers, nicht von denen, deren Geschmack und Art es ihnen erlaubt,
"nem ehrenhaften und pflichttreuen Manne in den: bittersten Augenblick seiner
^erkannt verdienstvollen Laufbahn Fußtritte nachzusenden. Schon der alte
^hop hat in seiner Fabel vom toten Löwen sehr richtig gezeigt, wasfür einem
^ierfüßler es vorbehalten ist, derartige Tritte auszuteilen. Sich mit solchen
Gingen sachlich auseinanderzusetzen, ist natürlich unmöglich; man geht darüber
Zur Tagesordnung über und erwähnt sie nur, weil es wieder die besonderen
Umstände der Kriegszeit sind, die in diesem Augenblicke solche Befleckungen
unseres nationalen Ehrenschildes besonders peinlich empfinden lassen.

Bekannt ist, daß der Vorgänger des Herrn von Bethmann Hollweg, Fürst
^ulow, ihn dem Kaiser selbst als seinen Nachfolger empfohlen hat. Es wird
M sein, sich die Gründe dieser Empfehlung klarzumachen. Fürst Bülow ist
"ne Persönlichkeit, der auch seine Gegner, soweit sie ihn kennen, zugestehen
verden, daß er seinen persönlichen Ehrgeiz stets bedingungslos hinter dem
Zurückstellte, worin er das Wohl des Vaterlandes erkannt hatte. Aber selbst


Vre-izSoten III 1917 7


Zum Aanzlerwechsel
von Wilhelm von Massow

er jüngste Kanzlerwechsel hat sich unter sehr eigenartigen Um¬
ständen vollzogen. Der Krieg bannt die politische Wirksamkeit
in gewisse enge Grenzen, und wir wissen noch nicht so recht,
was den neuen Reichskanzler, der sich so umfassenden Aufgaben
gegenüber bisher noch nicht betätigt hat, von dem bisherige,!
unterscheidet, außer einzelnen leicht wahrnehmbaren äußeren Eigenschaften. Wir
können hier im wesentlichen nur von dem scheidenden Kanzler sprechen. Aber
wiederum verbieten die Umstände während des Krieges die Erörterung vieler
wichtigen Fragen. Und das ist bedauerlich, weil dem bisherigen Reichskanzler
viel Unrecht getan worden ist. Könnte alles schon jetzt klargestellt werden, so
würden viele wahrscheinlich ihre allzu weitgehenden abfälligen Urteile bedauern.
Selbstverständlich spreche ich hierbei nur von den ernsthaften Gegnern des bis¬
sigen Kanzlers, nicht von denen, deren Geschmack und Art es ihnen erlaubt,
«nem ehrenhaften und pflichttreuen Manne in den: bittersten Augenblick seiner
^erkannt verdienstvollen Laufbahn Fußtritte nachzusenden. Schon der alte
^hop hat in seiner Fabel vom toten Löwen sehr richtig gezeigt, wasfür einem
^ierfüßler es vorbehalten ist, derartige Tritte auszuteilen. Sich mit solchen
Gingen sachlich auseinanderzusetzen, ist natürlich unmöglich; man geht darüber
Zur Tagesordnung über und erwähnt sie nur, weil es wieder die besonderen
Umstände der Kriegszeit sind, die in diesem Augenblicke solche Befleckungen
unseres nationalen Ehrenschildes besonders peinlich empfinden lassen.

Bekannt ist, daß der Vorgänger des Herrn von Bethmann Hollweg, Fürst
^ulow, ihn dem Kaiser selbst als seinen Nachfolger empfohlen hat. Es wird
M sein, sich die Gründe dieser Empfehlung klarzumachen. Fürst Bülow ist
«ne Persönlichkeit, der auch seine Gegner, soweit sie ihn kennen, zugestehen
verden, daß er seinen persönlichen Ehrgeiz stets bedingungslos hinter dem
Zurückstellte, worin er das Wohl des Vaterlandes erkannt hatte. Aber selbst


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[0109] [Abbildung] Zum Aanzlerwechsel von Wilhelm von Massow er jüngste Kanzlerwechsel hat sich unter sehr eigenartigen Um¬ ständen vollzogen. Der Krieg bannt die politische Wirksamkeit in gewisse enge Grenzen, und wir wissen noch nicht so recht, was den neuen Reichskanzler, der sich so umfassenden Aufgaben gegenüber bisher noch nicht betätigt hat, von dem bisherige,! unterscheidet, außer einzelnen leicht wahrnehmbaren äußeren Eigenschaften. Wir können hier im wesentlichen nur von dem scheidenden Kanzler sprechen. Aber wiederum verbieten die Umstände während des Krieges die Erörterung vieler wichtigen Fragen. Und das ist bedauerlich, weil dem bisherigen Reichskanzler viel Unrecht getan worden ist. Könnte alles schon jetzt klargestellt werden, so würden viele wahrscheinlich ihre allzu weitgehenden abfälligen Urteile bedauern. Selbstverständlich spreche ich hierbei nur von den ernsthaften Gegnern des bis¬ sigen Kanzlers, nicht von denen, deren Geschmack und Art es ihnen erlaubt, «nem ehrenhaften und pflichttreuen Manne in den: bittersten Augenblick seiner ^erkannt verdienstvollen Laufbahn Fußtritte nachzusenden. Schon der alte ^hop hat in seiner Fabel vom toten Löwen sehr richtig gezeigt, wasfür einem ^ierfüßler es vorbehalten ist, derartige Tritte auszuteilen. Sich mit solchen Gingen sachlich auseinanderzusetzen, ist natürlich unmöglich; man geht darüber Zur Tagesordnung über und erwähnt sie nur, weil es wieder die besonderen Umstände der Kriegszeit sind, die in diesem Augenblicke solche Befleckungen unseres nationalen Ehrenschildes besonders peinlich empfinden lassen. Bekannt ist, daß der Vorgänger des Herrn von Bethmann Hollweg, Fürst ^ulow, ihn dem Kaiser selbst als seinen Nachfolger empfohlen hat. Es wird M sein, sich die Gründe dieser Empfehlung klarzumachen. Fürst Bülow ist «ne Persönlichkeit, der auch seine Gegner, soweit sie ihn kennen, zugestehen verden, daß er seinen persönlichen Ehrgeiz stets bedingungslos hinter dem Zurückstellte, worin er das Wohl des Vaterlandes erkannt hatte. Aber selbst Vre-izSoten III 1917 7

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/109>, abgerufen am 27.06.2024.