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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Die Monopolisierung des Getreidehandels

größten Großagrarier bis zum kleinsten Hüttner und die hehrste Opferwilligkeit
die Gefahr nur für kurze Zeit bannen können, wenn unsere Kraftquellen ver¬
schüttet bleiben.

Deshalb: nicht unbedacht fordern und schmälen! Verprügelte Pferde ziehen
keine schwere Last! Aber die deutsche Landwirtschaft, die bis heute 70 Prozent
ihrer Mamieskräfte hergegeben und trotzdem die deutsche Scholle nicht hat ver¬
öden lassen, sie sollte nicht der ganzen Welt trotzen können, wenn ihr Recht wird?

Ihr Städter, helft! Wir wollen und wir können; aber nicht ohne Euer
Vertrauen und ohne Euer Mitwirken, denn wir sind eines Leibes Glieder. Und
alle Teufel der Welt werden diesen Riesenleib nicht verschlingen, so lange er
sich bewußt bleibt, daß er sich stets aus Bauernmark verjüngen kann und muß.
Dann muß das Reich uns bleiben!




Die Monopolisierung des Getreidehandels
Eduard Ladenburg von

is im Juli des Jahres 1914 sich am politischen Horizonte Wolken
zusammenzogen, da machte sich das besonders an den deutschen
Börsen bemerkbar. Wie es in der Natur der Sache liegt,
reagierte die Fondsbörse auf die Zuspitzung der politischen Lage
mit einem Rückgang der Kurse, die Berliner Getreidebörse da¬
gegen mit einer beträchtlichen Steigerung der Preise. Diese entgegengesetzte
Tendenz ist durchaus erklärlich. In politisch bewegten Zeiten sucht der Kapitalist
sich nach Möglichkeit seines Besitzes an Effekten zu entledigen oder ihn doch
der Zahl nach zu verringern. Der Warenhändler dagegen ist bestrebt, seine
Vorräte so viel wie möglich zu vermehren. Stand doch im Juli bei einer
kriegerischen Verwicklung eine Preiserhöhung für alle Lebensmittel in Aussicht
und das reizte naturgemäß die Kaufleute zur Anschaffung. Die Folge davon
war ein ständiges Anziehen der Notierungen, und diese Tendenz verschärfte sich
immer mehr, als die Mobilmachung verkündet wurde. Es kam damals zu
ganz ungewöhnlichen Preistreibereien, namentlich an der Berliner Getreidebörse.
Die Ursachen hierfür sind in erster Reihe in der recht erheblichen Spekulations¬
tätigkeit Berliner und auswärtiger Händler zu suchen, die durch umfangreiche
Käufe unnötigerweise die ohnehin gespannte Situation verschärften. Denn in
der Hoffnung auf weiteren Gewinn aus Preisdifferenzen wurden immer neue
Abschlüsse weit über den Bedarf hinaus getätigt. Hinzu kam, daß damals der


Die Monopolisierung des Getreidehandels

größten Großagrarier bis zum kleinsten Hüttner und die hehrste Opferwilligkeit
die Gefahr nur für kurze Zeit bannen können, wenn unsere Kraftquellen ver¬
schüttet bleiben.

Deshalb: nicht unbedacht fordern und schmälen! Verprügelte Pferde ziehen
keine schwere Last! Aber die deutsche Landwirtschaft, die bis heute 70 Prozent
ihrer Mamieskräfte hergegeben und trotzdem die deutsche Scholle nicht hat ver¬
öden lassen, sie sollte nicht der ganzen Welt trotzen können, wenn ihr Recht wird?

Ihr Städter, helft! Wir wollen und wir können; aber nicht ohne Euer
Vertrauen und ohne Euer Mitwirken, denn wir sind eines Leibes Glieder. Und
alle Teufel der Welt werden diesen Riesenleib nicht verschlingen, so lange er
sich bewußt bleibt, daß er sich stets aus Bauernmark verjüngen kann und muß.
Dann muß das Reich uns bleiben!




Die Monopolisierung des Getreidehandels
Eduard Ladenburg von

is im Juli des Jahres 1914 sich am politischen Horizonte Wolken
zusammenzogen, da machte sich das besonders an den deutschen
Börsen bemerkbar. Wie es in der Natur der Sache liegt,
reagierte die Fondsbörse auf die Zuspitzung der politischen Lage
mit einem Rückgang der Kurse, die Berliner Getreidebörse da¬
gegen mit einer beträchtlichen Steigerung der Preise. Diese entgegengesetzte
Tendenz ist durchaus erklärlich. In politisch bewegten Zeiten sucht der Kapitalist
sich nach Möglichkeit seines Besitzes an Effekten zu entledigen oder ihn doch
der Zahl nach zu verringern. Der Warenhändler dagegen ist bestrebt, seine
Vorräte so viel wie möglich zu vermehren. Stand doch im Juli bei einer
kriegerischen Verwicklung eine Preiserhöhung für alle Lebensmittel in Aussicht
und das reizte naturgemäß die Kaufleute zur Anschaffung. Die Folge davon
war ein ständiges Anziehen der Notierungen, und diese Tendenz verschärfte sich
immer mehr, als die Mobilmachung verkündet wurde. Es kam damals zu
ganz ungewöhnlichen Preistreibereien, namentlich an der Berliner Getreidebörse.
Die Ursachen hierfür sind in erster Reihe in der recht erheblichen Spekulations¬
tätigkeit Berliner und auswärtiger Händler zu suchen, die durch umfangreiche
Käufe unnötigerweise die ohnehin gespannte Situation verschärften. Denn in
der Hoffnung auf weiteren Gewinn aus Preisdifferenzen wurden immer neue
Abschlüsse weit über den Bedarf hinaus getätigt. Hinzu kam, daß damals der


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[0089] Die Monopolisierung des Getreidehandels größten Großagrarier bis zum kleinsten Hüttner und die hehrste Opferwilligkeit die Gefahr nur für kurze Zeit bannen können, wenn unsere Kraftquellen ver¬ schüttet bleiben. Deshalb: nicht unbedacht fordern und schmälen! Verprügelte Pferde ziehen keine schwere Last! Aber die deutsche Landwirtschaft, die bis heute 70 Prozent ihrer Mamieskräfte hergegeben und trotzdem die deutsche Scholle nicht hat ver¬ öden lassen, sie sollte nicht der ganzen Welt trotzen können, wenn ihr Recht wird? Ihr Städter, helft! Wir wollen und wir können; aber nicht ohne Euer Vertrauen und ohne Euer Mitwirken, denn wir sind eines Leibes Glieder. Und alle Teufel der Welt werden diesen Riesenleib nicht verschlingen, so lange er sich bewußt bleibt, daß er sich stets aus Bauernmark verjüngen kann und muß. Dann muß das Reich uns bleiben! Die Monopolisierung des Getreidehandels Eduard Ladenburg von is im Juli des Jahres 1914 sich am politischen Horizonte Wolken zusammenzogen, da machte sich das besonders an den deutschen Börsen bemerkbar. Wie es in der Natur der Sache liegt, reagierte die Fondsbörse auf die Zuspitzung der politischen Lage mit einem Rückgang der Kurse, die Berliner Getreidebörse da¬ gegen mit einer beträchtlichen Steigerung der Preise. Diese entgegengesetzte Tendenz ist durchaus erklärlich. In politisch bewegten Zeiten sucht der Kapitalist sich nach Möglichkeit seines Besitzes an Effekten zu entledigen oder ihn doch der Zahl nach zu verringern. Der Warenhändler dagegen ist bestrebt, seine Vorräte so viel wie möglich zu vermehren. Stand doch im Juli bei einer kriegerischen Verwicklung eine Preiserhöhung für alle Lebensmittel in Aussicht und das reizte naturgemäß die Kaufleute zur Anschaffung. Die Folge davon war ein ständiges Anziehen der Notierungen, und diese Tendenz verschärfte sich immer mehr, als die Mobilmachung verkündet wurde. Es kam damals zu ganz ungewöhnlichen Preistreibereien, namentlich an der Berliner Getreidebörse. Die Ursachen hierfür sind in erster Reihe in der recht erheblichen Spekulations¬ tätigkeit Berliner und auswärtiger Händler zu suchen, die durch umfangreiche Käufe unnötigerweise die ohnehin gespannte Situation verschärften. Denn in der Hoffnung auf weiteren Gewinn aus Preisdifferenzen wurden immer neue Abschlüsse weit über den Bedarf hinaus getätigt. Hinzu kam, daß damals der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/89>, abgerufen am 22.07.2024.