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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

kolonisatoren so viele Vorteile zu erringen, daß der Anschluß an die drei Becken
von den beiden Küstenbesitzungen aus auch wirklich erreicht wurde. Man muß
offen genug sein, zuzugeben, daß es leider nicht geglückt ist, diesen Anschluß zu
erreichen, in erster Linie deshalb nicht, weil die junge deutsche Kolonisation
sowohl in Togo wie in Kamerun mit den beiden Afrika-Kolonialmächten
zu rechnen hatte, mit England und Frankreich. Ihre allgemeine politische
Stellung zu dem neuen Deutschen Reiche war demnach allein bestimmend für
die Grenzregelungen dieser afrikanischen Guineakolonien. Als dort die schwarz¬
weiß-rote Flagge zum erstenmal am Mast emporstieg, war England bereits im
Begriff, seinen großen, gesicherten Afrikabesitz zu vergrößern. Für England war,
wenn man so sagen darf, bereits mit der Kongo- und Südwestafrikafrage eine
"deutsch-afrikanische Gefahr" heraufbeschworen; kein Wunder also, wenn England
diese neue Festsetzung mit ganz besonderem Mißtrauen betrachtete und einem
weiteren Vordringen ins Innere mit Nachdruck zu begegnen suchte. Bedauerlich
bleibt, daß bis in die Mitte der neunziger Jahre -- und gerade die ersten
zehn Jahre deutscher Kolonialgeschichte waren für die Grenzreg elungen ent¬
scheidend -- die damalige Stärke Englands jedes kräftigere Auftreten unsererseits
zwecklos erscheinen ließ. Heute müssen, wenn die Frage der Grenzregelung
dieser beiden Gebiete wieder aufgerollt werden, alle Bedenken, die damals zu
Recht bestanden, zurücktreten. Unsere heutige Weltstellung gibt uns Bürgschaft
dafür, daß uns eine neue Zurücksetzung bei Lösung der unbedingt auftauchenden
Afrikafragen seitens Englands erspart bleibt. Von Frankreich gar nicht zu reden!
Damals war uns aber auch Frankreich gegenüber ein stärkeres Auftreten kaum
möglich, da es leicht zu einem neuen, für die innere Entwicklung des jungen
Deutschen Reiches wenig wünschenswerten Wassergang geführt haben würde.

Betrachten wir nach diesen allgemeinen Erörterungen über Togo und Kamerun
beide kurz vor der letzten Gebietsänderung in Kamerun (1911).


Togo.

Die kleine deutsche Kolonie erstreckt sich östlich von der Goldküste,
von der sie nur einen wenig über 60 Ku langen, wenig zugänglichen Teil
ohne natürlichen Hafen umfaßt, etwa halbwegs nordwärts zum Nigerbogen ins
Innere in einer durchschnittlichen Breite von 150 Ku. Die Westgrenze
bildet zum großen Teil der schiffbare Volta, von dessen Unterlauf aber -- und
das ist das besonders in die Augen fallende Kennzeichen -- die Grenze plötzlich ost¬
wärts abbiegt, so daß seine Mündung im benachbarten englischen Gebiet liegt. Nicht
weniger merkwürdig ist die Abgrenzung im Osten gegen Französisch-Dahome,
wo der schmale allerdings wertlose Küstenstreifen zwischen Anache, dem Abfluß
des Togosees und dem Monu französisch geblieben ist. Mit dieser kurzen Um¬
rißzeichnung ist unsere diplomatische Niederlage bei den Grenzverhandlungen mit
England und Frankreich klar und einwandfrei gekennzeichnet. Wir haben weder
von dem einst berühmten Aschantiland ein Stück erlangen können, haben nicht
einmal den vorzüglichen Zugang durch den Volta erreicht, noch ist binnenwürts
der Anschluß an den Niger gewonnen worden. Noch 1894/95 versuchte eine


Deutschland und England in Afrika

kolonisatoren so viele Vorteile zu erringen, daß der Anschluß an die drei Becken
von den beiden Küstenbesitzungen aus auch wirklich erreicht wurde. Man muß
offen genug sein, zuzugeben, daß es leider nicht geglückt ist, diesen Anschluß zu
erreichen, in erster Linie deshalb nicht, weil die junge deutsche Kolonisation
sowohl in Togo wie in Kamerun mit den beiden Afrika-Kolonialmächten
zu rechnen hatte, mit England und Frankreich. Ihre allgemeine politische
Stellung zu dem neuen Deutschen Reiche war demnach allein bestimmend für
die Grenzregelungen dieser afrikanischen Guineakolonien. Als dort die schwarz¬
weiß-rote Flagge zum erstenmal am Mast emporstieg, war England bereits im
Begriff, seinen großen, gesicherten Afrikabesitz zu vergrößern. Für England war,
wenn man so sagen darf, bereits mit der Kongo- und Südwestafrikafrage eine
„deutsch-afrikanische Gefahr" heraufbeschworen; kein Wunder also, wenn England
diese neue Festsetzung mit ganz besonderem Mißtrauen betrachtete und einem
weiteren Vordringen ins Innere mit Nachdruck zu begegnen suchte. Bedauerlich
bleibt, daß bis in die Mitte der neunziger Jahre — und gerade die ersten
zehn Jahre deutscher Kolonialgeschichte waren für die Grenzreg elungen ent¬
scheidend — die damalige Stärke Englands jedes kräftigere Auftreten unsererseits
zwecklos erscheinen ließ. Heute müssen, wenn die Frage der Grenzregelung
dieser beiden Gebiete wieder aufgerollt werden, alle Bedenken, die damals zu
Recht bestanden, zurücktreten. Unsere heutige Weltstellung gibt uns Bürgschaft
dafür, daß uns eine neue Zurücksetzung bei Lösung der unbedingt auftauchenden
Afrikafragen seitens Englands erspart bleibt. Von Frankreich gar nicht zu reden!
Damals war uns aber auch Frankreich gegenüber ein stärkeres Auftreten kaum
möglich, da es leicht zu einem neuen, für die innere Entwicklung des jungen
Deutschen Reiches wenig wünschenswerten Wassergang geführt haben würde.

Betrachten wir nach diesen allgemeinen Erörterungen über Togo und Kamerun
beide kurz vor der letzten Gebietsänderung in Kamerun (1911).


Togo.

Die kleine deutsche Kolonie erstreckt sich östlich von der Goldküste,
von der sie nur einen wenig über 60 Ku langen, wenig zugänglichen Teil
ohne natürlichen Hafen umfaßt, etwa halbwegs nordwärts zum Nigerbogen ins
Innere in einer durchschnittlichen Breite von 150 Ku. Die Westgrenze
bildet zum großen Teil der schiffbare Volta, von dessen Unterlauf aber — und
das ist das besonders in die Augen fallende Kennzeichen — die Grenze plötzlich ost¬
wärts abbiegt, so daß seine Mündung im benachbarten englischen Gebiet liegt. Nicht
weniger merkwürdig ist die Abgrenzung im Osten gegen Französisch-Dahome,
wo der schmale allerdings wertlose Küstenstreifen zwischen Anache, dem Abfluß
des Togosees und dem Monu französisch geblieben ist. Mit dieser kurzen Um¬
rißzeichnung ist unsere diplomatische Niederlage bei den Grenzverhandlungen mit
England und Frankreich klar und einwandfrei gekennzeichnet. Wir haben weder
von dem einst berühmten Aschantiland ein Stück erlangen können, haben nicht
einmal den vorzüglichen Zugang durch den Volta erreicht, noch ist binnenwürts
der Anschluß an den Niger gewonnen worden. Noch 1894/95 versuchte eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/316>, abgerufen am 22.07.2024.