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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Stimmen der Vergangenheit

zukommen vermag, und zwar um eine Feststellung aus dem Bemühen heraus
zur Klärung der Frage der öffentlichen Meinung beizutragen.

Wenn es die Aufgabe der Staatsmoral ist, auf dem Unterbau des Volks¬
charakters alle geistigen, sittlichen und wirtschaftlichen Kräfte zu befreien, die
zu einer Höherführung des Volksganzen beitragen, so gehört zu diesen Aufgaben
auch eine Stellungnahme gegen einen einseitig ausgeübten Meinungsbildungs¬
zwang, der wahrhaftig kein Ideal genannt zu werden verdient. Es ist in
der (vor dem Kriege sogenannten) nationalen Presse und in einigen tatsächlich
unabhängigen Zeitungen just in letzter Zeit Klage geführt worden über eine
offensichtliche Bevorzugung der Presse, in deren Mittelpunkt das "Berliner
Tageblatt" und die "Frankfurter Zeitung" stehen. Rein vom Standpunkt des
Liberalismus aus, im Namen der deutschen Freiheitsidee, muß auch hier eine
Änderung eintreten, nicht zu Gunsten der augenblicklich nicht bevorzugten
Partei, sondern zu gleichen Gunsten jeglicher Parteirichtung. Wir meinen, diese
Frage im Hinblick auf die deutsche Zukunft und ihre gewaltigen Aufgaben der
Regierung gern als Material zur Erwägung überweisen zu dürfen!




Stimmen der Vergangenheit
(Neue Buchausgaben)
M. Relchner von

! us der rastlosen Produktion der Kriegszeit, die wie Schaum die
Wogen des Ozeans umspült, ragen, stillen Inseln gleich, Werke
von Meistern unseres Volkes, die vor dem Sturme zu ihm
sprachen. Als ein Zeichen der Besinnung erscheint es uns, wenn
heute geistige Erzeugnisse vergangener Tage aufs neue Geltung
heischen und finden. Es mag nahe liegen, sich in Zeiten politischer Glut des
Schaffens unserer Historiker zu erinnern. Nicht nur, weil die geschichtliche
Betrachtung die nötige Distanz vermittelt, um gegenwärtiges Geschehen allseitig
zu begreifen, sondern auch weil aus ihr die Kraft erwächst zu neuem Wirken.
Denn neben die Aufzeichnung der Ereignisse, die ihre Bedingtheit erkennen lehrt
und sie dadurch unserem Verständnis näher bringt, tritt die Herausmeißelung
leitender Ideen, die den dürren Stamm der Tatsachen mit pulsierenden Leben
erfüllen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Zukunft hervortreten lassen. Zwar
hat sich die Forschung mit Recht gegen das Hineintragen von mehr oder weniger


Stimmen der Vergangenheit

zukommen vermag, und zwar um eine Feststellung aus dem Bemühen heraus
zur Klärung der Frage der öffentlichen Meinung beizutragen.

Wenn es die Aufgabe der Staatsmoral ist, auf dem Unterbau des Volks¬
charakters alle geistigen, sittlichen und wirtschaftlichen Kräfte zu befreien, die
zu einer Höherführung des Volksganzen beitragen, so gehört zu diesen Aufgaben
auch eine Stellungnahme gegen einen einseitig ausgeübten Meinungsbildungs¬
zwang, der wahrhaftig kein Ideal genannt zu werden verdient. Es ist in
der (vor dem Kriege sogenannten) nationalen Presse und in einigen tatsächlich
unabhängigen Zeitungen just in letzter Zeit Klage geführt worden über eine
offensichtliche Bevorzugung der Presse, in deren Mittelpunkt das „Berliner
Tageblatt" und die „Frankfurter Zeitung" stehen. Rein vom Standpunkt des
Liberalismus aus, im Namen der deutschen Freiheitsidee, muß auch hier eine
Änderung eintreten, nicht zu Gunsten der augenblicklich nicht bevorzugten
Partei, sondern zu gleichen Gunsten jeglicher Parteirichtung. Wir meinen, diese
Frage im Hinblick auf die deutsche Zukunft und ihre gewaltigen Aufgaben der
Regierung gern als Material zur Erwägung überweisen zu dürfen!




Stimmen der Vergangenheit
(Neue Buchausgaben)
M. Relchner von

! us der rastlosen Produktion der Kriegszeit, die wie Schaum die
Wogen des Ozeans umspült, ragen, stillen Inseln gleich, Werke
von Meistern unseres Volkes, die vor dem Sturme zu ihm
sprachen. Als ein Zeichen der Besinnung erscheint es uns, wenn
heute geistige Erzeugnisse vergangener Tage aufs neue Geltung
heischen und finden. Es mag nahe liegen, sich in Zeiten politischer Glut des
Schaffens unserer Historiker zu erinnern. Nicht nur, weil die geschichtliche
Betrachtung die nötige Distanz vermittelt, um gegenwärtiges Geschehen allseitig
zu begreifen, sondern auch weil aus ihr die Kraft erwächst zu neuem Wirken.
Denn neben die Aufzeichnung der Ereignisse, die ihre Bedingtheit erkennen lehrt
und sie dadurch unserem Verständnis näher bringt, tritt die Herausmeißelung
leitender Ideen, die den dürren Stamm der Tatsachen mit pulsierenden Leben
erfüllen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Zukunft hervortreten lassen. Zwar
hat sich die Forschung mit Recht gegen das Hineintragen von mehr oder weniger


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[0389] Stimmen der Vergangenheit zukommen vermag, und zwar um eine Feststellung aus dem Bemühen heraus zur Klärung der Frage der öffentlichen Meinung beizutragen. Wenn es die Aufgabe der Staatsmoral ist, auf dem Unterbau des Volks¬ charakters alle geistigen, sittlichen und wirtschaftlichen Kräfte zu befreien, die zu einer Höherführung des Volksganzen beitragen, so gehört zu diesen Aufgaben auch eine Stellungnahme gegen einen einseitig ausgeübten Meinungsbildungs¬ zwang, der wahrhaftig kein Ideal genannt zu werden verdient. Es ist in der (vor dem Kriege sogenannten) nationalen Presse und in einigen tatsächlich unabhängigen Zeitungen just in letzter Zeit Klage geführt worden über eine offensichtliche Bevorzugung der Presse, in deren Mittelpunkt das „Berliner Tageblatt" und die „Frankfurter Zeitung" stehen. Rein vom Standpunkt des Liberalismus aus, im Namen der deutschen Freiheitsidee, muß auch hier eine Änderung eintreten, nicht zu Gunsten der augenblicklich nicht bevorzugten Partei, sondern zu gleichen Gunsten jeglicher Parteirichtung. Wir meinen, diese Frage im Hinblick auf die deutsche Zukunft und ihre gewaltigen Aufgaben der Regierung gern als Material zur Erwägung überweisen zu dürfen! Stimmen der Vergangenheit (Neue Buchausgaben) M. Relchner von ! us der rastlosen Produktion der Kriegszeit, die wie Schaum die Wogen des Ozeans umspült, ragen, stillen Inseln gleich, Werke von Meistern unseres Volkes, die vor dem Sturme zu ihm sprachen. Als ein Zeichen der Besinnung erscheint es uns, wenn heute geistige Erzeugnisse vergangener Tage aufs neue Geltung heischen und finden. Es mag nahe liegen, sich in Zeiten politischer Glut des Schaffens unserer Historiker zu erinnern. Nicht nur, weil die geschichtliche Betrachtung die nötige Distanz vermittelt, um gegenwärtiges Geschehen allseitig zu begreifen, sondern auch weil aus ihr die Kraft erwächst zu neuem Wirken. Denn neben die Aufzeichnung der Ereignisse, die ihre Bedingtheit erkennen lehrt und sie dadurch unserem Verständnis näher bringt, tritt die Herausmeißelung leitender Ideen, die den dürren Stamm der Tatsachen mit pulsierenden Leben erfüllen und die Entwicklungsmöglichkeiten der Zukunft hervortreten lassen. Zwar hat sich die Forschung mit Recht gegen das Hineintragen von mehr oder weniger

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/389>, abgerufen am 22.12.2024.