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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

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Johann Adam Cramb als Imperialist
Professor Dr. ZustUS HasHagen von

H^INß
A^PWI
^sG^er kurz vor dem Kriege verstorbene Londoner Historiker Cramb
ist in Deutschland während des Krieges wegen seiner Vorträge
über Deutschland und England bekannter geworden. Ihre Lektüre
erweckt zwar schon angesichts zahlloser Irrtümer des Verfassers
nicht gerade den Wunsch, von Cramb noch mehr kennen zu lernen.
Und doch darf man, wenn man sich um das Verständnis der inneren Ent¬
wicklungsgeschichte des englischen Imperialismus und damit einer für die Vor¬
bereitung des Weltkrieges entscheidenden geistigen Strömung bemüht, an einer
älteren Vortragsreihe desselben Geschichtsprofessors nicht achtlos vorübergehen.
Sie stammt aus dem Jahre 1900, also aus der Zeit des Burenkrieges, und ist um
ihres angeblich bleibenden Wertes willen während des Weltkrieges 1915 unter
dem Titel "0nAM8 ana vsstin^ ok Imperial Lritain" in neuer Auflage
herausgegeben worden.

Mit Imperial lZriwin meint der Verfasser den Geist des englischen Im¬
perialismus, die innere schöpferische Kraft, die das englische Weltreich hervor¬
gebracht hat, und die an seiner Vollendung rastlos weiter arbeitet. Crambs
Vorträge wollen einen gewichtigen Beitrag liefern zur Jdeengeschichte des
englischen Imperialismus, und zwar in weltgeschichtlichen Rahmen. Schon die bei
einem Engländer und selbst bei einem englischen Historiker bemerkenswerte Weite
des Horizontes zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Dazu kommt eine anschauliche,
lebhafte, oft zu leidenschaftlichem Pathos erhobene Sprache. Der Redner ver¬
steht es, sein Publikum zu fesseln. Die aufgeregte Lust des Burenkrieges und
jetzt des Weltkrieges dringt in den Vortragsraum hinein. Es geht um die
höchsten Güter der'Menschheit und Englands. Cramb fühlt sich als ihr Prophet.

Man darf nicht denken, daß hier ein Krämer oder ein Krämerpolitiker
auftritt. Der Krämergeist und der Mammonismus haben keine Gewalt über
den Redner, ebensowenig wie nach seiner Meinung über die Salisbury,
Chamberlain, Jameson und Cecil Rhodes. Cramb hüllt sich von Anfang an
in das Gewand des idealistischen Propheten. Die besondere Bedeutung seiner
Vorträge liegt geradezu darin, daß sie den Imperialismus mit dem Idealismus
beinahe gleichsetzen.

Denn Imperialismus bedeutet bei Cramb ähnlich wie bei seinen größeren
Vorläufern Carlyle und Seelen Erfüllung der hohen moralischen Weltmission




Johann Adam Cramb als Imperialist
Professor Dr. ZustUS HasHagen von

H^INß
A^PWI
^sG^er kurz vor dem Kriege verstorbene Londoner Historiker Cramb
ist in Deutschland während des Krieges wegen seiner Vorträge
über Deutschland und England bekannter geworden. Ihre Lektüre
erweckt zwar schon angesichts zahlloser Irrtümer des Verfassers
nicht gerade den Wunsch, von Cramb noch mehr kennen zu lernen.
Und doch darf man, wenn man sich um das Verständnis der inneren Ent¬
wicklungsgeschichte des englischen Imperialismus und damit einer für die Vor¬
bereitung des Weltkrieges entscheidenden geistigen Strömung bemüht, an einer
älteren Vortragsreihe desselben Geschichtsprofessors nicht achtlos vorübergehen.
Sie stammt aus dem Jahre 1900, also aus der Zeit des Burenkrieges, und ist um
ihres angeblich bleibenden Wertes willen während des Weltkrieges 1915 unter
dem Titel „0nAM8 ana vsstin^ ok Imperial Lritain" in neuer Auflage
herausgegeben worden.

Mit Imperial lZriwin meint der Verfasser den Geist des englischen Im¬
perialismus, die innere schöpferische Kraft, die das englische Weltreich hervor¬
gebracht hat, und die an seiner Vollendung rastlos weiter arbeitet. Crambs
Vorträge wollen einen gewichtigen Beitrag liefern zur Jdeengeschichte des
englischen Imperialismus, und zwar in weltgeschichtlichen Rahmen. Schon die bei
einem Engländer und selbst bei einem englischen Historiker bemerkenswerte Weite
des Horizontes zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Dazu kommt eine anschauliche,
lebhafte, oft zu leidenschaftlichem Pathos erhobene Sprache. Der Redner ver¬
steht es, sein Publikum zu fesseln. Die aufgeregte Lust des Burenkrieges und
jetzt des Weltkrieges dringt in den Vortragsraum hinein. Es geht um die
höchsten Güter der'Menschheit und Englands. Cramb fühlt sich als ihr Prophet.

Man darf nicht denken, daß hier ein Krämer oder ein Krämerpolitiker
auftritt. Der Krämergeist und der Mammonismus haben keine Gewalt über
den Redner, ebensowenig wie nach seiner Meinung über die Salisbury,
Chamberlain, Jameson und Cecil Rhodes. Cramb hüllt sich von Anfang an
in das Gewand des idealistischen Propheten. Die besondere Bedeutung seiner
Vorträge liegt geradezu darin, daß sie den Imperialismus mit dem Idealismus
beinahe gleichsetzen.

Denn Imperialismus bedeutet bei Cramb ähnlich wie bei seinen größeren
Vorläufern Carlyle und Seelen Erfüllung der hohen moralischen Weltmission


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[0196] [Abbildung] Johann Adam Cramb als Imperialist Professor Dr. ZustUS HasHagen von H^INß A^PWI ^sG^er kurz vor dem Kriege verstorbene Londoner Historiker Cramb ist in Deutschland während des Krieges wegen seiner Vorträge über Deutschland und England bekannter geworden. Ihre Lektüre erweckt zwar schon angesichts zahlloser Irrtümer des Verfassers nicht gerade den Wunsch, von Cramb noch mehr kennen zu lernen. Und doch darf man, wenn man sich um das Verständnis der inneren Ent¬ wicklungsgeschichte des englischen Imperialismus und damit einer für die Vor¬ bereitung des Weltkrieges entscheidenden geistigen Strömung bemüht, an einer älteren Vortragsreihe desselben Geschichtsprofessors nicht achtlos vorübergehen. Sie stammt aus dem Jahre 1900, also aus der Zeit des Burenkrieges, und ist um ihres angeblich bleibenden Wertes willen während des Weltkrieges 1915 unter dem Titel „0nAM8 ana vsstin^ ok Imperial Lritain" in neuer Auflage herausgegeben worden. Mit Imperial lZriwin meint der Verfasser den Geist des englischen Im¬ perialismus, die innere schöpferische Kraft, die das englische Weltreich hervor¬ gebracht hat, und die an seiner Vollendung rastlos weiter arbeitet. Crambs Vorträge wollen einen gewichtigen Beitrag liefern zur Jdeengeschichte des englischen Imperialismus, und zwar in weltgeschichtlichen Rahmen. Schon die bei einem Engländer und selbst bei einem englischen Historiker bemerkenswerte Weite des Horizontes zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Dazu kommt eine anschauliche, lebhafte, oft zu leidenschaftlichem Pathos erhobene Sprache. Der Redner ver¬ steht es, sein Publikum zu fesseln. Die aufgeregte Lust des Burenkrieges und jetzt des Weltkrieges dringt in den Vortragsraum hinein. Es geht um die höchsten Güter der'Menschheit und Englands. Cramb fühlt sich als ihr Prophet. Man darf nicht denken, daß hier ein Krämer oder ein Krämerpolitiker auftritt. Der Krämergeist und der Mammonismus haben keine Gewalt über den Redner, ebensowenig wie nach seiner Meinung über die Salisbury, Chamberlain, Jameson und Cecil Rhodes. Cramb hüllt sich von Anfang an in das Gewand des idealistischen Propheten. Die besondere Bedeutung seiner Vorträge liegt geradezu darin, daß sie den Imperialismus mit dem Idealismus beinahe gleichsetzen. Denn Imperialismus bedeutet bei Cramb ähnlich wie bei seinen größeren Vorläufern Carlyle und Seelen Erfüllung der hohen moralischen Weltmission

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/196>, abgerufen am 27.07.2024.