Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Treitschke in englischer Beleuchtung
Professor Dr. Fritz Friedrich von

in ersten Hefte der Internationalen Monatsschrift (Jan. 1916)
haben wir in fesselnden Ausführungen von Max Cornicelius gelesen,
wie sich England in Treitschkes Darstellung und Urteil ausnahm.
Kaum weniger interessant dürfte es sein, Heinrich von Treitschke
einmal in englischer Beleuchtung zu sehen. Ist er doch seit dem
Ausbruch des Weltkriegs drüben und ebenso in Amerika, immer und immer
wieder, gleich Nietzsche und Bernhardi, als einer der fanatischsten Apostel des
All-Deutschtums bezeichnet worden, deren verhängnisvolle Lehren den Deutschen
das Streben nach der Weltherrschaft in die Herzen gepflanzt und dadurch
jenen Geist der Eroberungssucht und Unersättlichkeit genährt hätten, die nach
englischer Anschauung den Krieg verschuldet und herbeigeführt haben. Darüber
hat man bei uns lange verständnislos den Kopf geschüttelt, da wir unseren
Treitschke wohl als leidenschaftlichen Verfechter der historischen Mission Preußens
in Deutschland kannten, von Welteroberungsabsichten, die er gehegt oder gar
ausgesprochen hätte, uns aber nichts bewußt war. Wir glaubten, es handle sich
um eine jener gedankenlosen Phrasen, die ungeprüft von Mund zu Mund
weitergegeben werden ohne irgend welchen sachlichen Hintergrund. Ein
voriges Jahr erschienenes Buch von fast 300 Seiten Stärke belehrt uns eines
Besseren. Es heißt 1>eitsLkKö ana tus Zreat wer, von Joseph McCabe.") Mit
ihm wollen wir uns im folgenden beschäftigen.

Was der Verfasser dieses Buches ist, ist uns unbekannt. Seine geschicht--
lichen Kenntnisse sind so oberflächlich, daß er nicht einmal das Leben des
Mannes, über den er ein Buch schreibt, darstellen kann, ohne grobe Unrichtig¬
keiten zu sagen. Oder sollte es absichtliche Lüge sein, wenn er auf Seite 26
behauptet, Treitschke sei 1855 von der Universität Heidelberg fortgeschickt
(äigmiZsech worden wegen seiner beständigen Herausforderungen zu gefährlichen
Pistolenduclls? Was wir über seine Textbehcmdlung werden feststellen müsset,,
läßt einen solchen Verdacht als durchaus nicht unbegründet erscheinen."*) In
den folgenden Fällen mag lediglich Unwissenheit vorliegen. S. 24 verlegt er




'") London o. I., T. Fisher Altwin. 287 S. 2 öd.
Treitschke war lediglich zu 8 Tagen Kärzer verurteilt worden. Er hatte allerdings
zweimal gefordert, war aber in beiden Fällen ohne jede eigene Schuld aufs roheste ange¬
griffen worden, f. Schlemmen, Heinrich v. Treitschkes Lehr- und Wanderjahre S. 88--9".


Treitschke in englischer Beleuchtung
Professor Dr. Fritz Friedrich von

in ersten Hefte der Internationalen Monatsschrift (Jan. 1916)
haben wir in fesselnden Ausführungen von Max Cornicelius gelesen,
wie sich England in Treitschkes Darstellung und Urteil ausnahm.
Kaum weniger interessant dürfte es sein, Heinrich von Treitschke
einmal in englischer Beleuchtung zu sehen. Ist er doch seit dem
Ausbruch des Weltkriegs drüben und ebenso in Amerika, immer und immer
wieder, gleich Nietzsche und Bernhardi, als einer der fanatischsten Apostel des
All-Deutschtums bezeichnet worden, deren verhängnisvolle Lehren den Deutschen
das Streben nach der Weltherrschaft in die Herzen gepflanzt und dadurch
jenen Geist der Eroberungssucht und Unersättlichkeit genährt hätten, die nach
englischer Anschauung den Krieg verschuldet und herbeigeführt haben. Darüber
hat man bei uns lange verständnislos den Kopf geschüttelt, da wir unseren
Treitschke wohl als leidenschaftlichen Verfechter der historischen Mission Preußens
in Deutschland kannten, von Welteroberungsabsichten, die er gehegt oder gar
ausgesprochen hätte, uns aber nichts bewußt war. Wir glaubten, es handle sich
um eine jener gedankenlosen Phrasen, die ungeprüft von Mund zu Mund
weitergegeben werden ohne irgend welchen sachlichen Hintergrund. Ein
voriges Jahr erschienenes Buch von fast 300 Seiten Stärke belehrt uns eines
Besseren. Es heißt 1>eitsLkKö ana tus Zreat wer, von Joseph McCabe.") Mit
ihm wollen wir uns im folgenden beschäftigen.

Was der Verfasser dieses Buches ist, ist uns unbekannt. Seine geschicht--
lichen Kenntnisse sind so oberflächlich, daß er nicht einmal das Leben des
Mannes, über den er ein Buch schreibt, darstellen kann, ohne grobe Unrichtig¬
keiten zu sagen. Oder sollte es absichtliche Lüge sein, wenn er auf Seite 26
behauptet, Treitschke sei 1855 von der Universität Heidelberg fortgeschickt
(äigmiZsech worden wegen seiner beständigen Herausforderungen zu gefährlichen
Pistolenduclls? Was wir über seine Textbehcmdlung werden feststellen müsset,,
läßt einen solchen Verdacht als durchaus nicht unbegründet erscheinen."*) In
den folgenden Fällen mag lediglich Unwissenheit vorliegen. S. 24 verlegt er




'") London o. I., T. Fisher Altwin. 287 S. 2 öd.
Treitschke war lediglich zu 8 Tagen Kärzer verurteilt worden. Er hatte allerdings
zweimal gefordert, war aber in beiden Fällen ohne jede eigene Schuld aufs roheste ange¬
griffen worden, f. Schlemmen, Heinrich v. Treitschkes Lehr- und Wanderjahre S. 88—9».
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/330246"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341903_330101/figures/grenzboten_341903_330101_330246_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Treitschke in englischer Beleuchtung<lb/><note type="byline"> Professor Dr. Fritz Friedrich</note> von </head><lb/>
          <p xml:id="ID_512"> in ersten Hefte der Internationalen Monatsschrift (Jan. 1916)<lb/>
haben wir in fesselnden Ausführungen von Max Cornicelius gelesen,<lb/>
wie sich England in Treitschkes Darstellung und Urteil ausnahm.<lb/>
Kaum weniger interessant dürfte es sein, Heinrich von Treitschke<lb/>
einmal in englischer Beleuchtung zu sehen. Ist er doch seit dem<lb/>
Ausbruch des Weltkriegs drüben und ebenso in Amerika, immer und immer<lb/>
wieder, gleich Nietzsche und Bernhardi, als einer der fanatischsten Apostel des<lb/>
All-Deutschtums bezeichnet worden, deren verhängnisvolle Lehren den Deutschen<lb/>
das Streben nach der Weltherrschaft in die Herzen gepflanzt und dadurch<lb/>
jenen Geist der Eroberungssucht und Unersättlichkeit genährt hätten, die nach<lb/>
englischer Anschauung den Krieg verschuldet und herbeigeführt haben. Darüber<lb/>
hat man bei uns lange verständnislos den Kopf geschüttelt, da wir unseren<lb/>
Treitschke wohl als leidenschaftlichen Verfechter der historischen Mission Preußens<lb/>
in Deutschland kannten, von Welteroberungsabsichten, die er gehegt oder gar<lb/>
ausgesprochen hätte, uns aber nichts bewußt war. Wir glaubten, es handle sich<lb/>
um eine jener gedankenlosen Phrasen, die ungeprüft von Mund zu Mund<lb/>
weitergegeben werden ohne irgend welchen sachlichen Hintergrund. Ein<lb/>
voriges Jahr erschienenes Buch von fast 300 Seiten Stärke belehrt uns eines<lb/>
Besseren. Es heißt 1&gt;eitsLkKö ana tus Zreat wer, von Joseph McCabe.") Mit<lb/>
ihm wollen wir uns im folgenden beschäftigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_513" next="#ID_514"> Was der Verfasser dieses Buches ist, ist uns unbekannt. Seine geschicht--<lb/>
lichen Kenntnisse sind so oberflächlich, daß er nicht einmal das Leben des<lb/>
Mannes, über den er ein Buch schreibt, darstellen kann, ohne grobe Unrichtig¬<lb/>
keiten zu sagen. Oder sollte es absichtliche Lüge sein, wenn er auf Seite 26<lb/>
behauptet, Treitschke sei 1855 von der Universität Heidelberg fortgeschickt<lb/>
(äigmiZsech worden wegen seiner beständigen Herausforderungen zu gefährlichen<lb/>
Pistolenduclls? Was wir über seine Textbehcmdlung werden feststellen müsset,,<lb/>
läßt einen solchen Verdacht als durchaus nicht unbegründet erscheinen."*) In<lb/>
den folgenden Fällen mag lediglich Unwissenheit vorliegen. S. 24 verlegt er</p><lb/>
          <note xml:id="FID_36" place="foot"> '") London o. I., T. Fisher Altwin. 287 S. 2 öd.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_37" place="foot"> Treitschke war lediglich zu 8 Tagen Kärzer verurteilt worden. Er hatte allerdings<lb/>
zweimal gefordert, war aber in beiden Fällen ohne jede eigene Schuld aufs roheste ange¬<lb/>
griffen worden, f. Schlemmen, Heinrich v. Treitschkes Lehr- und Wanderjahre S. 88&#x2014;9».</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] [Abbildung] Treitschke in englischer Beleuchtung Professor Dr. Fritz Friedrich von in ersten Hefte der Internationalen Monatsschrift (Jan. 1916) haben wir in fesselnden Ausführungen von Max Cornicelius gelesen, wie sich England in Treitschkes Darstellung und Urteil ausnahm. Kaum weniger interessant dürfte es sein, Heinrich von Treitschke einmal in englischer Beleuchtung zu sehen. Ist er doch seit dem Ausbruch des Weltkriegs drüben und ebenso in Amerika, immer und immer wieder, gleich Nietzsche und Bernhardi, als einer der fanatischsten Apostel des All-Deutschtums bezeichnet worden, deren verhängnisvolle Lehren den Deutschen das Streben nach der Weltherrschaft in die Herzen gepflanzt und dadurch jenen Geist der Eroberungssucht und Unersättlichkeit genährt hätten, die nach englischer Anschauung den Krieg verschuldet und herbeigeführt haben. Darüber hat man bei uns lange verständnislos den Kopf geschüttelt, da wir unseren Treitschke wohl als leidenschaftlichen Verfechter der historischen Mission Preußens in Deutschland kannten, von Welteroberungsabsichten, die er gehegt oder gar ausgesprochen hätte, uns aber nichts bewußt war. Wir glaubten, es handle sich um eine jener gedankenlosen Phrasen, die ungeprüft von Mund zu Mund weitergegeben werden ohne irgend welchen sachlichen Hintergrund. Ein voriges Jahr erschienenes Buch von fast 300 Seiten Stärke belehrt uns eines Besseren. Es heißt 1>eitsLkKö ana tus Zreat wer, von Joseph McCabe.") Mit ihm wollen wir uns im folgenden beschäftigen. Was der Verfasser dieses Buches ist, ist uns unbekannt. Seine geschicht-- lichen Kenntnisse sind so oberflächlich, daß er nicht einmal das Leben des Mannes, über den er ein Buch schreibt, darstellen kann, ohne grobe Unrichtig¬ keiten zu sagen. Oder sollte es absichtliche Lüge sein, wenn er auf Seite 26 behauptet, Treitschke sei 1855 von der Universität Heidelberg fortgeschickt (äigmiZsech worden wegen seiner beständigen Herausforderungen zu gefährlichen Pistolenduclls? Was wir über seine Textbehcmdlung werden feststellen müsset,, läßt einen solchen Verdacht als durchaus nicht unbegründet erscheinen."*) In den folgenden Fällen mag lediglich Unwissenheit vorliegen. S. 24 verlegt er '") London o. I., T. Fisher Altwin. 287 S. 2 öd. Treitschke war lediglich zu 8 Tagen Kärzer verurteilt worden. Er hatte allerdings zweimal gefordert, war aber in beiden Fällen ohne jede eigene Schuld aufs roheste ange¬ griffen worden, f. Schlemmen, Heinrich v. Treitschkes Lehr- und Wanderjahre S. 88—9».

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330101/146>, abgerufen am 22.12.2024.