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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Der deutsche ^Staatsgedanke
Dr. Albert Gottlieb von

icht bloß ein Sireben nach materiellem Gewinn oder nur ein
Wille zur Macht, sondern das Verantwortlichkeitsgefühl einer
Mission für die Menschheit" -- mit diesen Worten kennzeichnet
der schwedische Gelehrte N. Kjellen in seinem kurz vor Kriegs¬
ausbruch geschriebenen, wahrhaft prophetischen Buche über die
Großmächte der Gegenwart die deutsche Auffassung des "Imperialismus", wie
sie in den Besten unseres Volkes lebendig ist. Heute, da demi deutschen Volke
in aufgezwungenen Kampfe seine Weltgeltung als Siegespreis winkt, verleiht
dies Gefühl, das als heilige Überzeugung die Herzen aller seiner Glieder erfüllt,
ihm seine beste Kraft. Aber auch die kühle historisch-politische Untersuchung
vermag zu zeigen, daß ein deutscher Sieg insbesondere auf staatlichem Gebiete
für die Welt den Sieg einer neuen, fortgeschrittenen Organisationsform bedeuten
wird. Aus einer Betrachtung unserer Geschichte und Gegenwart, der wunder"
baren Wege unseres nationalen Werdeganges wie der nicht minder wunder¬
baren Gruppierung der Mächte in diesem Kriege, scheinen sich schon jetzt die
Umrisse des deutschen Staatsgedankens herauszuheben -- eines Gedankens, der
mit uns siegen oder untergehen wird.

Auch die Macht und Dauer der großen Reiche der Vergangenheit beruhte
stets auf der inneren Kraft eines Fortschrittes in der politischen Organisation.
Das alte Rom, das als erstes, vom Standpunkte seiner Zeit aus gesehen, den
Anspruch auf den Titel der Weltmacht bedindungslos erheben durste, brachte
der Welt die vollkommenste Durchführung des Zentralisationsgedankens: gleiches
Recht und gleiche Verwaltung durch das ganze Riesenreich, alles vom Mittel-


Grenzboten IV 1914 25


Der deutsche ^Staatsgedanke
Dr. Albert Gottlieb von

icht bloß ein Sireben nach materiellem Gewinn oder nur ein
Wille zur Macht, sondern das Verantwortlichkeitsgefühl einer
Mission für die Menschheit" — mit diesen Worten kennzeichnet
der schwedische Gelehrte N. Kjellen in seinem kurz vor Kriegs¬
ausbruch geschriebenen, wahrhaft prophetischen Buche über die
Großmächte der Gegenwart die deutsche Auffassung des „Imperialismus", wie
sie in den Besten unseres Volkes lebendig ist. Heute, da demi deutschen Volke
in aufgezwungenen Kampfe seine Weltgeltung als Siegespreis winkt, verleiht
dies Gefühl, das als heilige Überzeugung die Herzen aller seiner Glieder erfüllt,
ihm seine beste Kraft. Aber auch die kühle historisch-politische Untersuchung
vermag zu zeigen, daß ein deutscher Sieg insbesondere auf staatlichem Gebiete
für die Welt den Sieg einer neuen, fortgeschrittenen Organisationsform bedeuten
wird. Aus einer Betrachtung unserer Geschichte und Gegenwart, der wunder»
baren Wege unseres nationalen Werdeganges wie der nicht minder wunder¬
baren Gruppierung der Mächte in diesem Kriege, scheinen sich schon jetzt die
Umrisse des deutschen Staatsgedankens herauszuheben — eines Gedankens, der
mit uns siegen oder untergehen wird.

Auch die Macht und Dauer der großen Reiche der Vergangenheit beruhte
stets auf der inneren Kraft eines Fortschrittes in der politischen Organisation.
Das alte Rom, das als erstes, vom Standpunkte seiner Zeit aus gesehen, den
Anspruch auf den Titel der Weltmacht bedindungslos erheben durste, brachte
der Welt die vollkommenste Durchführung des Zentralisationsgedankens: gleiches
Recht und gleiche Verwaltung durch das ganze Riesenreich, alles vom Mittel-


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[0397] [Abbildung] Der deutsche ^Staatsgedanke Dr. Albert Gottlieb von icht bloß ein Sireben nach materiellem Gewinn oder nur ein Wille zur Macht, sondern das Verantwortlichkeitsgefühl einer Mission für die Menschheit" — mit diesen Worten kennzeichnet der schwedische Gelehrte N. Kjellen in seinem kurz vor Kriegs¬ ausbruch geschriebenen, wahrhaft prophetischen Buche über die Großmächte der Gegenwart die deutsche Auffassung des „Imperialismus", wie sie in den Besten unseres Volkes lebendig ist. Heute, da demi deutschen Volke in aufgezwungenen Kampfe seine Weltgeltung als Siegespreis winkt, verleiht dies Gefühl, das als heilige Überzeugung die Herzen aller seiner Glieder erfüllt, ihm seine beste Kraft. Aber auch die kühle historisch-politische Untersuchung vermag zu zeigen, daß ein deutscher Sieg insbesondere auf staatlichem Gebiete für die Welt den Sieg einer neuen, fortgeschrittenen Organisationsform bedeuten wird. Aus einer Betrachtung unserer Geschichte und Gegenwart, der wunder» baren Wege unseres nationalen Werdeganges wie der nicht minder wunder¬ baren Gruppierung der Mächte in diesem Kriege, scheinen sich schon jetzt die Umrisse des deutschen Staatsgedankens herauszuheben — eines Gedankens, der mit uns siegen oder untergehen wird. Auch die Macht und Dauer der großen Reiche der Vergangenheit beruhte stets auf der inneren Kraft eines Fortschrittes in der politischen Organisation. Das alte Rom, das als erstes, vom Standpunkte seiner Zeit aus gesehen, den Anspruch auf den Titel der Weltmacht bedindungslos erheben durste, brachte der Welt die vollkommenste Durchführung des Zentralisationsgedankens: gleiches Recht und gleiche Verwaltung durch das ganze Riesenreich, alles vom Mittel- Grenzboten IV 1914 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/397>, abgerufen am 27.06.2024.