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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Der Vernichtungskampf gegen das Deutschtum
in Rußland

el aller ungeminderter Entrüstung über die frivole Art, mit der
die russische Regierung den Weltkrieg hat entzünden helfen, sind
wir heute genötigt, ihr unsern aufrichtigsten Dank zum Ausdruck
zu bringen. Das ist ganz ernsthaft gemeint. Denn die russische
Negierung hat es fertig gebracht, dem Kriege, den wir, ohne ein
großes Ziel zu haben, lediglich als einen Verteidigungskrieg auf uns nehmen mußten,
ein großes Ziel zu geben, ein Ziel, um dessen Willen es sich wohl lohnt, von --
der Verteidigung zum Angriff überzugehn und die größten Opfer auf sich zu
nehmen: die Sicherstellung der friedlichen deutschen Arbeit auch in
den Grenzen des heutigen Rußland für alle Zeiten und damit die
Sicherung unserer völkischen Basis in Europa.

Es vergeht jetzt kaum ein Tag, an dem wir nicht von neuen Schlägen
hören, die die russische Regierung gegen friedliche seit Jahrzehnten in Rußland
lebende Deutsche führt, und es mehren sich die Angriffe gegen die friedliche
Arbeit der Deutschen durch die russische Gesellschaft. Schon jetzt sind nach amt¬
lichen Mitteilungen in Sibirien und Nordostrußland 150000 Deutsche inter¬
niert: Fabrikdirektoren, Bankiers. Ingenieure, Kaufleute mit ihren Familien
befinden sich darunter, -- alles Menschen, die zu den nützlichsten Elementen
im russischen Staat gehörten. In den letzten Tagen sind nach Angabe der
russischen Presse allein in Se. Petersburg 23 000 Deutsche. Männer, Weiber,
Greise, Kinder, gezwungen worden, Rußland innerhalb von zwei Wochen zu
verlassen, widrigenfalls sie ins Innere Rußlands verbannt werden sollen; wie
viele von ihnen die Mittel werden auftreiben können, um herauszukommen, ist
fraglich, denn es ist den Banken verboten, größere Zahlungen an Deutsche und
Österreicher zu leisten. In Moskau, Charkow und Se. Petersburg sind die
Vorstände der Kaufmanns- und Jnoustriellenorganisationen zusammengetreten,
um darüber zu beraten, in welcher Weise nicht nur der deutsche Handel, sondern
das Deutschtum selbst zu treffen wäre. Die deutschen Aufsichtsrate hat man
bereits vor Wochen aus den Aktiengesellschaften entfernt; jetzt soll deutscher
Patentschutz als ungültig erklärt werden; das mag alles noch hingehen,
da solche Maßnahmen dem Wesen des Wirtschaftskrieges entsprächen.




Der Vernichtungskampf gegen das Deutschtum
in Rußland

el aller ungeminderter Entrüstung über die frivole Art, mit der
die russische Regierung den Weltkrieg hat entzünden helfen, sind
wir heute genötigt, ihr unsern aufrichtigsten Dank zum Ausdruck
zu bringen. Das ist ganz ernsthaft gemeint. Denn die russische
Negierung hat es fertig gebracht, dem Kriege, den wir, ohne ein
großes Ziel zu haben, lediglich als einen Verteidigungskrieg auf uns nehmen mußten,
ein großes Ziel zu geben, ein Ziel, um dessen Willen es sich wohl lohnt, von —
der Verteidigung zum Angriff überzugehn und die größten Opfer auf sich zu
nehmen: die Sicherstellung der friedlichen deutschen Arbeit auch in
den Grenzen des heutigen Rußland für alle Zeiten und damit die
Sicherung unserer völkischen Basis in Europa.

Es vergeht jetzt kaum ein Tag, an dem wir nicht von neuen Schlägen
hören, die die russische Regierung gegen friedliche seit Jahrzehnten in Rußland
lebende Deutsche führt, und es mehren sich die Angriffe gegen die friedliche
Arbeit der Deutschen durch die russische Gesellschaft. Schon jetzt sind nach amt¬
lichen Mitteilungen in Sibirien und Nordostrußland 150000 Deutsche inter¬
niert: Fabrikdirektoren, Bankiers. Ingenieure, Kaufleute mit ihren Familien
befinden sich darunter, — alles Menschen, die zu den nützlichsten Elementen
im russischen Staat gehörten. In den letzten Tagen sind nach Angabe der
russischen Presse allein in Se. Petersburg 23 000 Deutsche. Männer, Weiber,
Greise, Kinder, gezwungen worden, Rußland innerhalb von zwei Wochen zu
verlassen, widrigenfalls sie ins Innere Rußlands verbannt werden sollen; wie
viele von ihnen die Mittel werden auftreiben können, um herauszukommen, ist
fraglich, denn es ist den Banken verboten, größere Zahlungen an Deutsche und
Österreicher zu leisten. In Moskau, Charkow und Se. Petersburg sind die
Vorstände der Kaufmanns- und Jnoustriellenorganisationen zusammengetreten,
um darüber zu beraten, in welcher Weise nicht nur der deutsche Handel, sondern
das Deutschtum selbst zu treffen wäre. Die deutschen Aufsichtsrate hat man
bereits vor Wochen aus den Aktiengesellschaften entfernt; jetzt soll deutscher
Patentschutz als ungültig erklärt werden; das mag alles noch hingehen,
da solche Maßnahmen dem Wesen des Wirtschaftskrieges entsprächen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/209>, abgerufen am 27.06.2024.