Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Englands Geldwesen im Kriege
V Dr. Dittmer on

is zum Kriegsausbruch ist London Geldmarkt und Börse der Welt
gewesen, von denen auch Deutschland abhängig blieb. Das hat
den Engländern das Gefühl unbedingter wirtschaftlicher Über¬
legenheit gegeben; dies gehobene Selbstgefühl war es, aus dem
heraus Schatzkanzler Lloyd George im Parlament drohend rief,
Englands Geldmacht würde als eine der furchtbarsten Waffen in diesem Kriege
wirksam sein.

Zweifellos sind die Hilfsquellen Englands außerordentlich reich und zahl¬
reich, ebenso zweifellos sind drüben aber auch in der Zusammenfassung der
wirtschaftlichen Kräfte vielerlei Mängel vorhanden. Die llltimoliquidation für
Juli konnte an der Londoner Effektenbörse nicht durchgeführt werden; die
Geschäfte sind immer noch unabgerechnet in der Schwebe. In Berlin dagegen wurde
die Juliabrechnung glatt erledigt. Auch als Geldmarkt und Abrechnungsstelle
der Nationen hat London versagt, und es wird für uns nötig sein, späterhin
daraus die praktischen Folgerungen zu ziehen. Trotzdem wäre es recht bedauerlich,
wollte man sich verleiten lassen, die wirtschaftliche Kraft Englands zu unter¬
schätzen. Ruhige Prüfung und klares Urteil sind gerade jetzt in diesen Dingen
mehr als je am Platze, da bei dem vielfach gestörten Nachrichtendienste nur
unvollständig und oft unzutreffend -- zumal über wirtschaftliche Fragen --
berichtet wird.

So wurde nach Deutschland unter anderem von einer allgemeiner Entwertung
der englischen Banknote, von einer Aufhebung des Bankgesetzes und Einstellung der
Barzahlungen berichtet. Hierbei muß man sich erinnern, daß auch bei uns
gewissenlose Geschäftemacher in den ersten Tagen der Mobilmachung für deutsche
Goldmünzen Aufgeld zu erzielen versucht, Neichsbanknoten unter Nennwert
gekauft haben und anderes mehr. Das waren meist Einzelfälle, schnell über¬
wundene Störungen. Um anderes hat es sich auch in England nicht gehandelt.


9*


Englands Geldwesen im Kriege
V Dr. Dittmer on

is zum Kriegsausbruch ist London Geldmarkt und Börse der Welt
gewesen, von denen auch Deutschland abhängig blieb. Das hat
den Engländern das Gefühl unbedingter wirtschaftlicher Über¬
legenheit gegeben; dies gehobene Selbstgefühl war es, aus dem
heraus Schatzkanzler Lloyd George im Parlament drohend rief,
Englands Geldmacht würde als eine der furchtbarsten Waffen in diesem Kriege
wirksam sein.

Zweifellos sind die Hilfsquellen Englands außerordentlich reich und zahl¬
reich, ebenso zweifellos sind drüben aber auch in der Zusammenfassung der
wirtschaftlichen Kräfte vielerlei Mängel vorhanden. Die llltimoliquidation für
Juli konnte an der Londoner Effektenbörse nicht durchgeführt werden; die
Geschäfte sind immer noch unabgerechnet in der Schwebe. In Berlin dagegen wurde
die Juliabrechnung glatt erledigt. Auch als Geldmarkt und Abrechnungsstelle
der Nationen hat London versagt, und es wird für uns nötig sein, späterhin
daraus die praktischen Folgerungen zu ziehen. Trotzdem wäre es recht bedauerlich,
wollte man sich verleiten lassen, die wirtschaftliche Kraft Englands zu unter¬
schätzen. Ruhige Prüfung und klares Urteil sind gerade jetzt in diesen Dingen
mehr als je am Platze, da bei dem vielfach gestörten Nachrichtendienste nur
unvollständig und oft unzutreffend — zumal über wirtschaftliche Fragen —
berichtet wird.

So wurde nach Deutschland unter anderem von einer allgemeiner Entwertung
der englischen Banknote, von einer Aufhebung des Bankgesetzes und Einstellung der
Barzahlungen berichtet. Hierbei muß man sich erinnern, daß auch bei uns
gewissenlose Geschäftemacher in den ersten Tagen der Mobilmachung für deutsche
Goldmünzen Aufgeld zu erzielen versucht, Neichsbanknoten unter Nennwert
gekauft haben und anderes mehr. Das waren meist Einzelfälle, schnell über¬
wundene Störungen. Um anderes hat es sich auch in England nicht gehandelt.


9*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/329371"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341899_329227/figures/grenzboten_341899_329227_329371_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Englands Geldwesen im Kriege<lb/>
V<note type="byline"> Dr. Dittmer</note> on </head><lb/>
          <p xml:id="ID_393"> is zum Kriegsausbruch ist London Geldmarkt und Börse der Welt<lb/>
gewesen, von denen auch Deutschland abhängig blieb. Das hat<lb/>
den Engländern das Gefühl unbedingter wirtschaftlicher Über¬<lb/>
legenheit gegeben; dies gehobene Selbstgefühl war es, aus dem<lb/>
heraus Schatzkanzler Lloyd George im Parlament drohend rief,<lb/>
Englands Geldmacht würde als eine der furchtbarsten Waffen in diesem Kriege<lb/>
wirksam sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_394"> Zweifellos sind die Hilfsquellen Englands außerordentlich reich und zahl¬<lb/>
reich, ebenso zweifellos sind drüben aber auch in der Zusammenfassung der<lb/>
wirtschaftlichen Kräfte vielerlei Mängel vorhanden. Die llltimoliquidation für<lb/>
Juli konnte an der Londoner Effektenbörse nicht durchgeführt werden; die<lb/>
Geschäfte sind immer noch unabgerechnet in der Schwebe. In Berlin dagegen wurde<lb/>
die Juliabrechnung glatt erledigt. Auch als Geldmarkt und Abrechnungsstelle<lb/>
der Nationen hat London versagt, und es wird für uns nötig sein, späterhin<lb/>
daraus die praktischen Folgerungen zu ziehen. Trotzdem wäre es recht bedauerlich,<lb/>
wollte man sich verleiten lassen, die wirtschaftliche Kraft Englands zu unter¬<lb/>
schätzen. Ruhige Prüfung und klares Urteil sind gerade jetzt in diesen Dingen<lb/>
mehr als je am Platze, da bei dem vielfach gestörten Nachrichtendienste nur<lb/>
unvollständig und oft unzutreffend &#x2014; zumal über wirtschaftliche Fragen &#x2014;<lb/>
berichtet wird.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_395" next="#ID_396"> So wurde nach Deutschland unter anderem von einer allgemeiner Entwertung<lb/>
der englischen Banknote, von einer Aufhebung des Bankgesetzes und Einstellung der<lb/>
Barzahlungen berichtet. Hierbei muß man sich erinnern, daß auch bei uns<lb/>
gewissenlose Geschäftemacher in den ersten Tagen der Mobilmachung für deutsche<lb/>
Goldmünzen Aufgeld zu erzielen versucht, Neichsbanknoten unter Nennwert<lb/>
gekauft haben und anderes mehr. Das waren meist Einzelfälle, schnell über¬<lb/>
wundene Störungen. Um anderes hat es sich auch in England nicht gehandelt.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 9*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0143] [Abbildung] Englands Geldwesen im Kriege V Dr. Dittmer on is zum Kriegsausbruch ist London Geldmarkt und Börse der Welt gewesen, von denen auch Deutschland abhängig blieb. Das hat den Engländern das Gefühl unbedingter wirtschaftlicher Über¬ legenheit gegeben; dies gehobene Selbstgefühl war es, aus dem heraus Schatzkanzler Lloyd George im Parlament drohend rief, Englands Geldmacht würde als eine der furchtbarsten Waffen in diesem Kriege wirksam sein. Zweifellos sind die Hilfsquellen Englands außerordentlich reich und zahl¬ reich, ebenso zweifellos sind drüben aber auch in der Zusammenfassung der wirtschaftlichen Kräfte vielerlei Mängel vorhanden. Die llltimoliquidation für Juli konnte an der Londoner Effektenbörse nicht durchgeführt werden; die Geschäfte sind immer noch unabgerechnet in der Schwebe. In Berlin dagegen wurde die Juliabrechnung glatt erledigt. Auch als Geldmarkt und Abrechnungsstelle der Nationen hat London versagt, und es wird für uns nötig sein, späterhin daraus die praktischen Folgerungen zu ziehen. Trotzdem wäre es recht bedauerlich, wollte man sich verleiten lassen, die wirtschaftliche Kraft Englands zu unter¬ schätzen. Ruhige Prüfung und klares Urteil sind gerade jetzt in diesen Dingen mehr als je am Platze, da bei dem vielfach gestörten Nachrichtendienste nur unvollständig und oft unzutreffend — zumal über wirtschaftliche Fragen — berichtet wird. So wurde nach Deutschland unter anderem von einer allgemeiner Entwertung der englischen Banknote, von einer Aufhebung des Bankgesetzes und Einstellung der Barzahlungen berichtet. Hierbei muß man sich erinnern, daß auch bei uns gewissenlose Geschäftemacher in den ersten Tagen der Mobilmachung für deutsche Goldmünzen Aufgeld zu erzielen versucht, Neichsbanknoten unter Nennwert gekauft haben und anderes mehr. Das waren meist Einzelfälle, schnell über¬ wundene Störungen. Um anderes hat es sich auch in England nicht gehandelt. 9*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/143
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/143>, abgerufen am 27.06.2024.