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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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kämpfte, als dies notwendig erschien. Ein anderes Beispiel ist Conolan, der
innerhalb des eigenen Volkstums sich nicht nach seinem herrischen Willen aus¬
leben konnte und bei dem die daraus sich ergebende Verstimmung zum Haß gegen
seinen eigenen Ursprung führte.

Wenn wir die Geschichte deutscher Renegaten verfolgen, werden wir die
Gründe nicht überall so klar und bewußt finden wie bei Prinz Eugen und
Coriolan, unbewußt aber liegen sie überall und wäre es bei den Vätern oder
Urvätern der betreffenden Leute zugrunde. Wenn wir so die treibenden Kräfte
verstehen, werden wir die Erscheinung deutschen Renegatentums vielleicht etwas
weniger schmachvoll für unser Volkstum finden, als es vielfach geschieht, wenn
wir sie auch niemals billigen können. Hoffen wir aber, daß nach dem Krieg
und dem Sieg die Welt sich so gestalte, daß auch solche überschüssige und un¬
bändige Kräfte nicht mehr zum Schaden, sondern nun zum Heile des Deutschtums
Verwendung finden können. Wie für den gewaltigen Sohn Philipps von
Mazedonien das Vaterland dem besorgten Vater zu klein erschien, so ist der
Betätigungsraum für das Deutschtum in der Welt innerhalb des Deutschtums,
seit es Deutsche gibt, zu klein gewesen. Es mußte überlaufen, edles Blut als
Dünger fremden Volkstums.




^taatenbund von Nordeuropa
Justizrat Bamberger von

n den Grenzboten vom 23. September 1914 wurde angeregt,
durch ein Schutz- und Trutzbündnis das Deutsche Reich mit den
ihm benachbarten kleineren Staaten zu einem Staatenbunde zu
vereinigen. Es fragt sich, ob der Plan einer gründlichen Prüfung
in Hinsicht auf die politischen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der
beteiligten Länder standhält oder ob er sich als leeres Phantasiegebilde erweist.
Von vornherein ist klar, daß die Kleinstaaten der Gegenwart sich in ihrer
Sicherheit und Selbständigkeit um so mehr bedroht fühlen müssen, je stärker die
großen Mächte in sich und durch die Ausdehnung ihres Kolonialbesitzes anwachsen
und je fester sie sich untereinander zusammenschließen. Das beklagenswerte
Schicksal des Königreichs Belgien steht vor aller Augen. Das Unglück, das
über dieses Land hereingebrochen ist, hat seinen letzten Grund weder in einem
rücksichtslosen Vorgehen des Deutschen Reiches, noch in der Umgarnung von
Frankreich und England, die jetzt erwiesen ist, -- sondern in der natürlichen
Schwäche des Kleinstaats, der seine Daseinsberechtigung in der bisherigen Form
anscheinend verloren hat. Es ist wohl begreiflich, wenn auch in anderen neu¬
tralen Staaten ernste Besorgnisse laut wurden. Unmittelbar nach Ausbruch des
Krieges hat die schweizerische Bundesregierung ihre Neutralität amtlich kund-


Stciatenbund von Nordciuopn

kämpfte, als dies notwendig erschien. Ein anderes Beispiel ist Conolan, der
innerhalb des eigenen Volkstums sich nicht nach seinem herrischen Willen aus¬
leben konnte und bei dem die daraus sich ergebende Verstimmung zum Haß gegen
seinen eigenen Ursprung führte.

Wenn wir die Geschichte deutscher Renegaten verfolgen, werden wir die
Gründe nicht überall so klar und bewußt finden wie bei Prinz Eugen und
Coriolan, unbewußt aber liegen sie überall und wäre es bei den Vätern oder
Urvätern der betreffenden Leute zugrunde. Wenn wir so die treibenden Kräfte
verstehen, werden wir die Erscheinung deutschen Renegatentums vielleicht etwas
weniger schmachvoll für unser Volkstum finden, als es vielfach geschieht, wenn
wir sie auch niemals billigen können. Hoffen wir aber, daß nach dem Krieg
und dem Sieg die Welt sich so gestalte, daß auch solche überschüssige und un¬
bändige Kräfte nicht mehr zum Schaden, sondern nun zum Heile des Deutschtums
Verwendung finden können. Wie für den gewaltigen Sohn Philipps von
Mazedonien das Vaterland dem besorgten Vater zu klein erschien, so ist der
Betätigungsraum für das Deutschtum in der Welt innerhalb des Deutschtums,
seit es Deutsche gibt, zu klein gewesen. Es mußte überlaufen, edles Blut als
Dünger fremden Volkstums.




^taatenbund von Nordeuropa
Justizrat Bamberger von

n den Grenzboten vom 23. September 1914 wurde angeregt,
durch ein Schutz- und Trutzbündnis das Deutsche Reich mit den
ihm benachbarten kleineren Staaten zu einem Staatenbunde zu
vereinigen. Es fragt sich, ob der Plan einer gründlichen Prüfung
in Hinsicht auf die politischen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der
beteiligten Länder standhält oder ob er sich als leeres Phantasiegebilde erweist.
Von vornherein ist klar, daß die Kleinstaaten der Gegenwart sich in ihrer
Sicherheit und Selbständigkeit um so mehr bedroht fühlen müssen, je stärker die
großen Mächte in sich und durch die Ausdehnung ihres Kolonialbesitzes anwachsen
und je fester sie sich untereinander zusammenschließen. Das beklagenswerte
Schicksal des Königreichs Belgien steht vor aller Augen. Das Unglück, das
über dieses Land hereingebrochen ist, hat seinen letzten Grund weder in einem
rücksichtslosen Vorgehen des Deutschen Reiches, noch in der Umgarnung von
Frankreich und England, die jetzt erwiesen ist, — sondern in der natürlichen
Schwäche des Kleinstaats, der seine Daseinsberechtigung in der bisherigen Form
anscheinend verloren hat. Es ist wohl begreiflich, wenn auch in anderen neu¬
tralen Staaten ernste Besorgnisse laut wurden. Unmittelbar nach Ausbruch des
Krieges hat die schweizerische Bundesregierung ihre Neutralität amtlich kund-


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[0137] Stciatenbund von Nordciuopn kämpfte, als dies notwendig erschien. Ein anderes Beispiel ist Conolan, der innerhalb des eigenen Volkstums sich nicht nach seinem herrischen Willen aus¬ leben konnte und bei dem die daraus sich ergebende Verstimmung zum Haß gegen seinen eigenen Ursprung führte. Wenn wir die Geschichte deutscher Renegaten verfolgen, werden wir die Gründe nicht überall so klar und bewußt finden wie bei Prinz Eugen und Coriolan, unbewußt aber liegen sie überall und wäre es bei den Vätern oder Urvätern der betreffenden Leute zugrunde. Wenn wir so die treibenden Kräfte verstehen, werden wir die Erscheinung deutschen Renegatentums vielleicht etwas weniger schmachvoll für unser Volkstum finden, als es vielfach geschieht, wenn wir sie auch niemals billigen können. Hoffen wir aber, daß nach dem Krieg und dem Sieg die Welt sich so gestalte, daß auch solche überschüssige und un¬ bändige Kräfte nicht mehr zum Schaden, sondern nun zum Heile des Deutschtums Verwendung finden können. Wie für den gewaltigen Sohn Philipps von Mazedonien das Vaterland dem besorgten Vater zu klein erschien, so ist der Betätigungsraum für das Deutschtum in der Welt innerhalb des Deutschtums, seit es Deutsche gibt, zu klein gewesen. Es mußte überlaufen, edles Blut als Dünger fremden Volkstums. ^taatenbund von Nordeuropa Justizrat Bamberger von n den Grenzboten vom 23. September 1914 wurde angeregt, durch ein Schutz- und Trutzbündnis das Deutsche Reich mit den ihm benachbarten kleineren Staaten zu einem Staatenbunde zu vereinigen. Es fragt sich, ob der Plan einer gründlichen Prüfung in Hinsicht auf die politischen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der beteiligten Länder standhält oder ob er sich als leeres Phantasiegebilde erweist. Von vornherein ist klar, daß die Kleinstaaten der Gegenwart sich in ihrer Sicherheit und Selbständigkeit um so mehr bedroht fühlen müssen, je stärker die großen Mächte in sich und durch die Ausdehnung ihres Kolonialbesitzes anwachsen und je fester sie sich untereinander zusammenschließen. Das beklagenswerte Schicksal des Königreichs Belgien steht vor aller Augen. Das Unglück, das über dieses Land hereingebrochen ist, hat seinen letzten Grund weder in einem rücksichtslosen Vorgehen des Deutschen Reiches, noch in der Umgarnung von Frankreich und England, die jetzt erwiesen ist, — sondern in der natürlichen Schwäche des Kleinstaats, der seine Daseinsberechtigung in der bisherigen Form anscheinend verloren hat. Es ist wohl begreiflich, wenn auch in anderen neu¬ tralen Staaten ernste Besorgnisse laut wurden. Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges hat die schweizerische Bundesregierung ihre Neutralität amtlich kund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/137>, abgerufen am 27.06.2024.