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Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr.

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Renncnkampf- (Loriolan

Rennenkampf - (Loriolan
Karl Roll von

er Kampf von Männern deutschen Blutes an der Seite unserer
Feinde wird wohl mit Recht als eine der traurigsten Erscheinungen
dieser schweren aber so großen Zeit betrachtet. Männer in
führenden Stellungen gegen ihren eigenen Ursprung und Urgrund!
Und während selbst in den Reihen unserer erbittersten Feinde
Stimmen der Hochachtung vor der allseitigen Größe deutschen Volkstums laut
werden, finden wir bei Leuten von dem Schlage Hartwigs und Rennenkampff
die alte Wahrheit bestätigt, daß der Renegat ein grimmigerer Hasser ist als der
geborene Feind.

Wenn wir die Geschichte des Renegatentums verfolgen, so sehen wir unser
Volk unbedingt an der Spitze aller anderen Völker, derart, daß man das
Renegatentum beinahe als das deutsche Übel bezeichnen könnte, so wie die Treue
die deutsche Tugend ist. Die Häufigkeit deutschen Renegatentums von den
Tagen des Segest und Flavus bis zu denen Rennenkampff und Hartwigs zeigt
uns in der Tat, daß es sich hier nicht um eine Erscheinung handelt, die in
den persönlichen Fehlern der betreffenden Abtrünnigen ihre restlose Erklärung
finden könnte, sondern daß der Grund dazu mehr allgemeiner Natur sein nutz,
und es liegt die Annahme nahe, daß diese betrübende Erscheinung einen jener
Nachteile darstelle, die sich oftmals als notwendige Folgeerscheinungen vorhandener
größerer Vorzüge einstellen. Und wer möchte leugnen, daß die Deutschen vor
vielen Völkern vieles voraushaben?

Wir halten mit einem gewissen Recht die Franzosen, Engländer und andere
Völker für volkstreuer und volksbewußter und räumen ihnen damit gemeiniglich
einen Vorzug gegenüber unserem eigenen Volk ein, ohne allerdings zu unter¬
suchen, welcher Art die Volkstreue hüben und drüben ist. Denn Volkstreue
kann ein Zeichen höchsten inneren Reichtums und auch eine bloße Folge innerer
Armut sein. Die Franzosen und andere schließen sich nun als einzelne des¬
wegen viel enger an ihr Volkstum an, weil sie außerhalb dieses Volkstums rein
als Menschen innerlich nichts mehr bedeuten, weil sie sich in ihrem
Gemüt nicht mehr lebensfähig, nicht mehr lebenskräftig genug fühlen würden.
Um vor sich selber eine Bedeutung zu haben, müssen sie Glied einer Masse
sein. Sie sind auf den Zusammenschluß verwandter Gemüter angewiesen und
können die Kraft und innere Sicherheit, die jedem einzelnen aus solchem
Zusammenschluß erwächst, nicht aus dem Reichtum des eigenen Inneren ersetzen.
Sie sind volkstreu aus ihrer persönlichen inneren Armut heraus. Begleit¬
erscheinungen der Gemütsarmut aber sind immer Neid und Haß. Daher zeigt
sich denn auch das Volksbewußtsein bei ihnen nach außen in Neid und Haß,
denen ja auch Tapferkeit beigestellt sein kann; keineswegs aber nach innen in
aufopfernder Entsagung und freiwilliger Einordnung.


Renncnkampf- (Loriolan

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Karl Roll von

er Kampf von Männern deutschen Blutes an der Seite unserer
Feinde wird wohl mit Recht als eine der traurigsten Erscheinungen
dieser schweren aber so großen Zeit betrachtet. Männer in
führenden Stellungen gegen ihren eigenen Ursprung und Urgrund!
Und während selbst in den Reihen unserer erbittersten Feinde
Stimmen der Hochachtung vor der allseitigen Größe deutschen Volkstums laut
werden, finden wir bei Leuten von dem Schlage Hartwigs und Rennenkampff
die alte Wahrheit bestätigt, daß der Renegat ein grimmigerer Hasser ist als der
geborene Feind.

Wenn wir die Geschichte des Renegatentums verfolgen, so sehen wir unser
Volk unbedingt an der Spitze aller anderen Völker, derart, daß man das
Renegatentum beinahe als das deutsche Übel bezeichnen könnte, so wie die Treue
die deutsche Tugend ist. Die Häufigkeit deutschen Renegatentums von den
Tagen des Segest und Flavus bis zu denen Rennenkampff und Hartwigs zeigt
uns in der Tat, daß es sich hier nicht um eine Erscheinung handelt, die in
den persönlichen Fehlern der betreffenden Abtrünnigen ihre restlose Erklärung
finden könnte, sondern daß der Grund dazu mehr allgemeiner Natur sein nutz,
und es liegt die Annahme nahe, daß diese betrübende Erscheinung einen jener
Nachteile darstelle, die sich oftmals als notwendige Folgeerscheinungen vorhandener
größerer Vorzüge einstellen. Und wer möchte leugnen, daß die Deutschen vor
vielen Völkern vieles voraushaben?

Wir halten mit einem gewissen Recht die Franzosen, Engländer und andere
Völker für volkstreuer und volksbewußter und räumen ihnen damit gemeiniglich
einen Vorzug gegenüber unserem eigenen Volk ein, ohne allerdings zu unter¬
suchen, welcher Art die Volkstreue hüben und drüben ist. Denn Volkstreue
kann ein Zeichen höchsten inneren Reichtums und auch eine bloße Folge innerer
Armut sein. Die Franzosen und andere schließen sich nun als einzelne des¬
wegen viel enger an ihr Volkstum an, weil sie außerhalb dieses Volkstums rein
als Menschen innerlich nichts mehr bedeuten, weil sie sich in ihrem
Gemüt nicht mehr lebensfähig, nicht mehr lebenskräftig genug fühlen würden.
Um vor sich selber eine Bedeutung zu haben, müssen sie Glied einer Masse
sein. Sie sind auf den Zusammenschluß verwandter Gemüter angewiesen und
können die Kraft und innere Sicherheit, die jedem einzelnen aus solchem
Zusammenschluß erwächst, nicht aus dem Reichtum des eigenen Inneren ersetzen.
Sie sind volkstreu aus ihrer persönlichen inneren Armut heraus. Begleit¬
erscheinungen der Gemütsarmut aber sind immer Neid und Haß. Daher zeigt
sich denn auch das Volksbewußtsein bei ihnen nach außen in Neid und Haß,
denen ja auch Tapferkeit beigestellt sein kann; keineswegs aber nach innen in
aufopfernder Entsagung und freiwilliger Einordnung.


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[0134] Renncnkampf- (Loriolan Rennenkampf - (Loriolan Karl Roll von er Kampf von Männern deutschen Blutes an der Seite unserer Feinde wird wohl mit Recht als eine der traurigsten Erscheinungen dieser schweren aber so großen Zeit betrachtet. Männer in führenden Stellungen gegen ihren eigenen Ursprung und Urgrund! Und während selbst in den Reihen unserer erbittersten Feinde Stimmen der Hochachtung vor der allseitigen Größe deutschen Volkstums laut werden, finden wir bei Leuten von dem Schlage Hartwigs und Rennenkampff die alte Wahrheit bestätigt, daß der Renegat ein grimmigerer Hasser ist als der geborene Feind. Wenn wir die Geschichte des Renegatentums verfolgen, so sehen wir unser Volk unbedingt an der Spitze aller anderen Völker, derart, daß man das Renegatentum beinahe als das deutsche Übel bezeichnen könnte, so wie die Treue die deutsche Tugend ist. Die Häufigkeit deutschen Renegatentums von den Tagen des Segest und Flavus bis zu denen Rennenkampff und Hartwigs zeigt uns in der Tat, daß es sich hier nicht um eine Erscheinung handelt, die in den persönlichen Fehlern der betreffenden Abtrünnigen ihre restlose Erklärung finden könnte, sondern daß der Grund dazu mehr allgemeiner Natur sein nutz, und es liegt die Annahme nahe, daß diese betrübende Erscheinung einen jener Nachteile darstelle, die sich oftmals als notwendige Folgeerscheinungen vorhandener größerer Vorzüge einstellen. Und wer möchte leugnen, daß die Deutschen vor vielen Völkern vieles voraushaben? Wir halten mit einem gewissen Recht die Franzosen, Engländer und andere Völker für volkstreuer und volksbewußter und räumen ihnen damit gemeiniglich einen Vorzug gegenüber unserem eigenen Volk ein, ohne allerdings zu unter¬ suchen, welcher Art die Volkstreue hüben und drüben ist. Denn Volkstreue kann ein Zeichen höchsten inneren Reichtums und auch eine bloße Folge innerer Armut sein. Die Franzosen und andere schließen sich nun als einzelne des¬ wegen viel enger an ihr Volkstum an, weil sie außerhalb dieses Volkstums rein als Menschen innerlich nichts mehr bedeuten, weil sie sich in ihrem Gemüt nicht mehr lebensfähig, nicht mehr lebenskräftig genug fühlen würden. Um vor sich selber eine Bedeutung zu haben, müssen sie Glied einer Masse sein. Sie sind auf den Zusammenschluß verwandter Gemüter angewiesen und können die Kraft und innere Sicherheit, die jedem einzelnen aus solchem Zusammenschluß erwächst, nicht aus dem Reichtum des eigenen Inneren ersetzen. Sie sind volkstreu aus ihrer persönlichen inneren Armut heraus. Begleit¬ erscheinungen der Gemütsarmut aber sind immer Neid und Haß. Daher zeigt sich denn auch das Volksbewußtsein bei ihnen nach außen in Neid und Haß, denen ja auch Tapferkeit beigestellt sein kann; keineswegs aber nach innen in aufopfernder Entsagung und freiwilliger Einordnung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 73, 1914, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341899_329227/134>, abgerufen am 27.06.2024.